Theater:Absolut abgefahren

Wie die hochschwangere Louise die Welt des Spießbürgers George und des Lebenskünstlers Jimmy durcheinander bringt. Das Hoftheater Bergkirchen begeistert mit der Komödie "Bleib doch zum Frühstück". Eine Geschichte von Liebe und Gegensätzen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Riesige grell geschminkte Kulleraugen, Bändchen und Blümchen im Haar, rüschiges Blüschen, brav karierter Rock, weiße Overknees - und mindestens so überdreht wie ihr ganzes Outfit. So eine Frau kann einen Mann schon aus der Bahn werfen. Vor allem, wenn er der Prototyp eines Beamten Ihrer Majestät ist. Der legt bei der peniblen Zubereitung eines Hähnchencurrys die Krawatte nicht ab, hat aber die Schürze akkurat gebunden. So ein Mann sagt nicht so ohne Weiteres: "Bleib doch zum Frühstück". Zumal der ungebetene Gast auch noch ziemlich jung und ziemlich schwanger ist. Dermaßen abgefahren startet die jüngste Produktion des Hoftheaters Bergkirchen, eine Komödie von Gene Stone und Ray Cooney mit dem zu etlichen Mutmaßungen Anlass gebenden Titel: "Bleib doch zum Frühstück". Am Samstag war Premiere.

Bleib doch zum Frühstück

Da prallen Welten aufeinander: die chaotische und schwangere Louise (Helena Schneider), der verklemmte George (Patrick Brenner).

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Regisseur Herbert Müller und Bühnen- und Kostümbildnerin Ulrike Beckers haben die Story aus der Flower-Power-Zeit der frühen 1970er Jahre in die Gegenwart verlegt. Aus dem Hippie-Girl Louise Hamilton (hinreißend rotzig gespielt von Helena Schneider) ist ein Manga-Fan geworden. Der Love and Peace-Man Jimmy (umwerfend lässig: Jonathan Kramer) könnte glatt einer Fantasy-Convention entsprungen sein. Nur der Musterbeamte George Clarke (ein herrlich verklemmter Patrick Brenner) bleibt, was er ist: ein selbstgenügsames Neutrum, dessen einzige Abwechslung vom Büroalltag regelmäßige Telefonate und Restaurantbesuche mit der (unsichtbaren) Schwester Helen sind. Da prallen Welten aufeinander. Deren Protagonisten liefern sich hitzige, zum Brüllen komische Wortgefechte, denn Müller hat auch die Bühnensprache einer gelungenen Verjüngungskur unterzogen. Ulrike Beckers hat zudem viele liebevolle Ausstattungsdetails beigesteuert, die die scheinbar so unvereinbaren Lebensentwürfe von Louise und George nachzeichnen. George hat eine wohl eingerichtete Wohnung, Louise reicht eine schreiend bunte Tasche, in der sie ihr Hab und Gut mitschleppt. George trägt Anzug und Trenchcoat, Louise steht auf je bunter je lieber. George's Telefon und Türklingel bimmeln in lyrischen Tönen, Louise hat nicht mal ein Handy. Jimmy ist voll gut drauf. Er hüpft, einem japanischen Anime-Fabelwesen gleich, im Äffchenkostüm durchs Leben.

Bleib doch zum Frühstück

Louise ist von zu Hause abgehauen und ist beim nervigen Jimmy (Jonathan Kramer) gelandet.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Was dieses drei verbindet und trennt, ist schnell erzählt: Louise ist von zu Hause abgehauen, weil es der Vater mit der Nachbarin und die Mutter mit dem Nachbarn getrieben hat. Der Vater ihres Babys ist eine Zufallsbekanntschaft. Den Typen hat sie aber längst verlassen und ist in Jimmy's WG gelandet. Doch Jimmy nervt - und so will sie sich wieder mal eine neue Bleibe suchen. Weil sie aber völlig blank ist, will sie George anpumpen und dann weiterziehen. Eigentlich. Doch das Baby kommt, wann es will und nicht, wie Louise sich das gedacht hat. George mutiert zum Kümmerer, wagt es sogar, früher Feierabend zu machen, um Windeln und Nachttopf zu kaufen. Louise will ihr altes Leben zurück. Oder doch nicht? Jimmy will Louise zurück. Oder doch nicht? Es ist faszinierend, als Zuschauer mitzuerleben, wie sich die Dinge und die Persönlichkeiten dieser drei Figuren entwickeln. Das ist den drei jungen Darstellern zu danken, die den Stereotypen mit ihrem lebendigen, begeisterten und begeisternden Spiel einen unverwechselbaren Charakter geben. Helena Schneiders Louise ist unbekümmert, aufmüpfig, unverblümt und will ihre Träume wahr machen. Doch erst einmal erkennt sie, welche Träume sie überhaupt hat. Patrick Brenner geht völlig in der Rolle des George auf. Seine Mimik und Gestik sagen mehr als tausend Worte. Ein Zucken der Mundwinkel hier, ein Heben der Augenbrauen da - und die Zuschauer wissen, was in dem zwanghaft höflichen Menschen vorgeht, der noch so jung ist und doch irgendwie mit dem Leben abgeschlossen hat. Aber da war doch noch was? Was das sein könnte, entdeckt dieser George ganz allmählich.

Mit solchen Problemen plagt sich Jonathan Kramers Jimmy nicht. Ist der doch von Beruf Lebenskünstler und einer, der gerne eine große Lippe riskiert, aber im Grunde ein Weichei ist. Bloß keinen Stress ist seine Devise. Dieses Trio spielt überzeugend und überzeugt seine begeisterten Zuschauer mit stressfreier Unterhaltung auf hohem Niveau.

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