Technikfans:Oskar Delta ruft Papa Zulu

Funkamateure sind eine große Familie, die mit großer Leidenschaft ihrem technischen Hobby frönt. Auch in Dachau gibt es einen Verein, deren Mitglieder in Kontakt mit der ganzen Welt stehen

Von Jana Rick, Dachau

"CQ CQ allgemeiner Anruf, allgemeiner Anruf. Hier ruft Delta November 4 Oskar Delta". Stille am anderen Ende der Funkleitung. Nur ein leises Rauschen ist zu hören. Dann plötzlich meldet sich eine Männerstimme: "Delta Kilo 2 Papa Zulu. Ja, hallo, hier spricht Mike". Mike mit der Rufnummer DK2PZ sitzt mit seiner Funkausrüstung an einem See in der Nähe von Vaterstetten und funkt in dieser Sekunde mit der Clubstation DK0OD des Funkamateurvereins Dachau, die an diesem Tag in einem Operatorzelt auf dem Rodelberg in Dachau untergebracht ist. Die Verbindung ist gut, Mikes Stimme versteht man klar und deutlich, er ist nur einige Kilometer entfernt.

Die gleiche Verbindung hätte man wohl gehabt, wenn man ihn einfach an seinem Handy angerufen hätte. Zwei Klicks - und schon hätte man mit ihm reden können und hätte nicht vorher die Antennen an den Computer und an das Funkgerät schließen müssen. Aber genau das ist es, was den rund zwei Millionen Funkern weltweit Spaß macht. Verbringt man eine Stunde im Operatorzelt mit den Funkamateuren Dachaus, dann versteht man bald, dass es mehr als nur ein drahtloses Hobby ist, dem sie ihre Zeit widmen. Am Wochenende haben sich die Mitglieder der Ortsgruppe Dachau mit ihren Familien am Hügel neben dem Stadtweiher zum jährlichen "Familyfieldday", einem Zeltlager, getroffen. Für sie ist es nicht der Rodelberg, sondern ihr Funkerberg. Vier Antennen haben sie zwischen den Zelten, dem Fußballtor und den Bäumen aufgestellt, um mit anderen Funkern in Verbindung zu stehen.

Funk-Amateure Funkamateure Funker DARC

Bei der Familienfuchsjagd der Dachauer Funkamateure konnten die Jüngsten ihre Technikkentnisse unter Beweis stellen. Im Gelände rund um den Rodelberg waren Sender versteckt, die die Kinder peilen mussten.

(Foto: Toni Heigl)

Nicht nur mit Mike in Vaterstetten, sondern viel weiter. "Wir stehen mit der ganzen Welt in Kontakt", sagt Frank Heidamke, Ortsverbandsvorsitzender der Funkamateure in Dachau. "Mit Japan, USA, Australien." Er dreht an einem schwarzen Rädchen an der aufgebauten Funkstation, und das Rauschen wird noch lauter. Doch dann hört man deutliche Stimmen aus der Anlage, zuerst Englisch, wenige Sekunden später eine fremde Sprache, es könnte Chinesisch sein. Die Dachauer Funkamateure könnten sich jederzeit mit ihnen in Kontakt setzen. Für viele von ihnen liegt die Faszination am Funken genau hier: Die Kommunikation mit anderen Menschen über weite Entfernungen hinweg - und das mit den einfachsten Mitteln.

Der Ortsverband Dachau gehört zum Deutschen Amateur-Radio-Club und wurde 1973 gegründet. Heute zählen 68 Funkamateure zum Verband, das älteste Mitglied ist 96 Jahre alt. "Das ist unser Herbert", erzählt Heidamke. "Unser OM". OM ist die Abkürzung für "Old Man", YL steht für "Young Lady" und ist den Funkerinnen vorbehalten. Wie man auf dem Funkerberg erleben kann, besteht der Verband auch aus vielen Kindern und Jugendlichen. Allerdings sind es hauptsächlich eigene Kinder der Mitglieder. Heidamke erklärt, dass es nicht leicht ist, die jüngere Generation für das technische Hobby zu begeistern. Mit Bastelprojekten an Schulen versucht der Ortsverband, Kindern die Faszination des Funks zu zeigen. Heidamkes 17-jährige Tochter Maja hat diese Begeisterung schon lange gepackt. Bereits mit vier Jahren hat sie ihrem Vater beim Funken zugeschaut, heute fachsimpelt sie über UV-Frequenzen, SOTA und Funkjäger. Nur alleine funken darf sie noch nicht. Alle Funkamateure sind dazu verpflichtet, das "Amateurfunkzeugnis" abzulegen. Die umfangreiche Prüfung erfordert Kenntnisse aus den Bereichen Elektrotechnik sowie Gesetzeskunde und Kenntnisse über die Durchführung des Funkbetriebs. Bis Maja die Prüfung ablegt, funkt sie mit dem Ausbildungsrufzeichen der "Newcomer".

Technikfans: Dank des Sendeturms in Schmarnzell können sich die Funkamateure von Zuhause in ihr eigenes Funkinternet "Hamnet" einwählen.

Dank des Sendeturms in Schmarnzell können sich die Funkamateure von Zuhause in ihr eigenes Funkinternet "Hamnet" einwählen.

(Foto: Toni Heigl)

Maja beschreibt das Funken als ein "facettenreiches" Hobby. Elektrobasteln gehört dazu, aber auch Wettkämpfe, zum Beispiel beim Amateurfunkpeilsport. Hierbei werden Sport und Technik kombiniert, die Teilnehmer müssen möglichst schnell versteckte Peilsender finden. Um den Wettkampfaspekt ging es auch am Wochenende beim "World Radio Team Championchip", einer Art Olympiade unter den Funkamateuren. Möglichst viele Verbindungen in 24 Stunden herstellen und diese möglichst weit, das ist das Ziel. Deutschland hat sich dieses Jahr sogar auf den zweiten Platz gefunkt.

Die Vielfalt des Hobbys ist auch in Dachau zu erleben. Die Ortsgruppe trifft sich einmal im Monat in ihrem kleinen Vereinslokal in Bergkirchen, in dem regelmäßig Technikvorträge stattfinden. Jeden Donnerstag wird gefunkt: Mal analog, mal digital setzen sich die Mitglieder in Verbindung. Meistens sitzen sie dabei zu Hause an ihren Funkstationen, manchmal funken sie jedoch auch unter freiem Himmel, zum Beispiel von einem Hügel aus. Als fester Termin im Jahr steht auch immer eine Bergwanderung auf dem Programm. Dann verständigen sich die Funkamateure von Berggipfel zu Berggipfel. Die Gruppe kommuniziert auch über das sogenannte Hamnet, eine Art Funkinternet, in das sich jeder Funkamateur von zu Hause einwählen kann und das schneller ist als das übliche Internet. Der Hamnet-Knoten im Landkreis Dachau befindet sich in Schmarnzell. Dort steht ein großer Sendeturm, von dem aus Linkstrecken Richtung Augsburg, Vierkirchen und Puchheim verlaufen.

Funk-Amateure Funkamateure Funker DARC

Das Zeltlager eignet sich für Groß und Klein.

(Foto: Toni Heigl)

Aus dem Hobby kann jederzeit Ernst werden. Jeder Ortsverband steht in einem Katastrophenfall dem Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr und dem Bayerischen Roten Kreuz zur Seite. Denn bei einem längeren Stromausfall nützen Handys nichts mehr. "Wir sind auf alles vorbereitet, aber zum Glück mussten wir noch nie einspringen", sagt Heidamke. Bei der Frage, worüber denn bei privaten Funkgesprächen geredet wird, müssen die Funkamateure lächeln. "Einen langen Ratsch halten wir selten", sagt Heidamke. Manfred Lauterborn ist Vorsitzender des Distrikts Oberbayern und nennt mit einem Augenzwinkern eine Funkerregel: "Man darf über alles reden, nur nicht über Sex, Religion und Politik." Meistens steht sowieso das gemeinsame Hobby im Vordergrund. Eine weitere Regel ist, dass Funker sich duzen. Auch wenn am anderen Ende vielleicht ein Bundestagsabgeordneter spricht.

Der Reiz am Funken liegt auch im Überraschungseffekt des Gesprächspartners. Denn ein Funkamateur weiß nie genau, wer am anderen Ende woher antwortet. Die Funkkommunikation lebt vom Moment. Anders als Whatsapp-Chats, die sich ins Unendliche verlaufen und für immer gespeichert werden können. Um doch manchmal eine Erinnerung in der Hand halten zu können, schicken sich Funkamateure gegenseitig sogenannte "QSL-Karten", das sind Funkbestätigungskarten. Die kleinen Kärtchen zeigen oftmals ein Foto des Funkamateurs, seiner Ausrüstung und seiner Heimat. Auf der Rückseite stehen die Kontaktdaten und Daten des Funkgespräches, damit man sich jederzeit wieder verabreden kann.

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Funkspezialist Frank Heidamke ist Ortsverbandsvorsitzender und organisierte das alljährliche Zeltlager.

(Foto: Toni Heigl)

In der heutigen Zeit würden sich viele vielleicht einfach ein Selfie schicken, aber das ist den Funkamateuren zu leicht. Oder zu banal. Trotzdem, altmodisch ist die Gruppe auf keinen Fall. Gideon Schmelich ist seit fast vier Jahren dabei, er selbst nennt sich einen "Jüngling" des Ortsverbandes. In der Brusttasche des Rentners steckt ein Handy, das jeder Funkamateur besitzt. "Wir sind doch nicht irgendwelche Exoten, die aus der Welt sind", sagt der Funkspezialist. In diesem Moment stapft ein kleiner Junge, etwa vier Jahre alt, mit einem Handfunkgerät in das Zelt. "Opa, sprechen", fordert er Schmelich auf. Dieser erklärt dem kleinen Nachwuchsfunker geduldig, wie das Gerät funktioniert. Auf den Knopf drücken und dann sprechen. Der Kleine verlässt zufrieden das Zelt. Schmelich lächelt und erklärt, dass das gar nicht sein eigener Enkelsohn ist. Aber sie sind hier eben eine große Familie, verbunden durch eine große Leidenschaft, durch ein hochmodernes, faszinierendes Hobby. Zur Familie gehört auch irgendwie Mike aus Vaterstetten, der sich mit "73" verabschiedet hat. Das bedeutet in der Funksprache "Viele Grüße".

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