"Tatort Garten - Ödnis oder Oase":Blumen statt Beton

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Moderne Gärten haben oft viel mit Design und wenig mit Natur zu tun. Eine Ausstellung soll zum Umdenken anregen

Von Christiane Bracht, Dachau

Der Trend ist inzwischen unübersehbar: Steine sind in, das sieht man, wenn man in die Gärten schaut. Wild wucherndes Grün dagegen ist out. Die Naturschützer sind alarmiert. "Wir sind auf einem total falschen Dampfer", klagt der stellvertretende Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), Wolfgang Tins. Außer ein bisschen Deko-Rasen und ein paar Lorbeerhecken wächst in den modernen Designergärten nichts mehr, manche haben nur mehr einen einsamen Buchs inmitten von Unmengen Kies stehen - es wirkt fast schon symbolisch. "Es ist besorgniserregend wie schnell die Artenvielfalt verschwindet", sagt die Umweltreferentin des Dachauer Stadtrats Sabine Geißler (Bündnis). In diesen Stein-Gärten gebe es keine Insekten mehr, keine Vögel oder andere Kleintiere. Auch kein Unkraut. Nur klare Linien - Architektur.

"Wir wollen keine Kritik an Architektur üben", stellt Lisa Voit klar. Sie ist eine der Gründungsmitglieder der Dachauer BN-Ortsgruppe und nun schon seit einiger Zeit in Landshut aktiv. Dort hat sie zusammen mit ihrem Mann, Heinrich Inkofer, im vergangenen Jahr eine Ausstellung zum Thema Gartengestaltung konzipiert. Diese ist bis zum 29. Mai in der Dachauer Volks- und Raiffeisenbank an der Augsburger Straße zu sehen. Der Titel ist Programm: "Tatort Garten - Ödnis oder Oase".

Die großformatigen Bilder führen dem Betrachter schnell vor Augen, wie trist die grauen Steingärten sind, wie abweisend die hohen Betonmauern den Blick verstellen und das Miteinander stören. "Blickdicht sei der Gartenzaun, denn er verbirgt so manches Grau'n ..." Frei nach Wilhelm Busch sind die Bildunterschriften formuliert. "Es klingt nach erhobenem Zeigefinger", gibt Tins zu. "Aber wir wollen nur Anregungen geben, wie man's anders machen kann." Er kenne auch Leute, die hinter Gabionen leben, Mauern aus aufgeschichteten Steinkörben. "Es sind unheimlich nette Leute", versichert er. Aber diese Art, sich zu verschanzen, ist für ihn nicht nachvollziehbar. "Es birgt eine trügerische Sicherheit", gibt er bei der Ausstellungseröffnung zu bedenken. Denn gerade auf dem Land sei es sehr wichtig, mit den Nachbarn in Kontakt zu sein. Diese sind meist sehr wachsam, wenn es um Fremde geht, die ums Haus schleichen.

Auch Johann Schöpfel, Vorstandsmitglied der VR-Bank Dachau, zeigte sich einigermaßen entsetzt über die Tristesse, die Beton, Kies und Steine ausstrahlen. Vor allem aber darüber, dass "die Menschen dahinter" lieber auf eine "leblose, karge Mauer starren", statt die Vielfalt eines blühenden Gartens zu genießen und in "abgeschotteter Anonymität" bleiben, um nicht den Nachbarn sehen zu müssen. "Dieser Trend gibt einem schon zu denken", sagt Schöpfel. Doch die Naturschützer üben auch an den Banken Kritik: "Die Institute sollten sich überlegen, was sie in ihren Broschüren zur Baufinanzierung abbilden", sagte Voit. Je mehr Steingärten gezeigt würden, um so stärker fließe diese Entwicklung ins Unterbewusstsein ein. Schöpfel versicherte fast schon kleinlaut, er nehme diese Anregung auf. "Auch wir könne etwas mitnehmen von dieser Ausstellung."

"Der Mensch braucht Grün zum Leben", propagierte Voit. Es sei wichtig, dass vor allem die Kinder in einer grünen Umgebung aufwachsen, sonst bestehe die Gefahr, dass sie an Psychosyndromen erkrankten. "Es ist Zeit für die Kommunen zu handeln", rief Voit auf. "Es kann nicht sein, dass der natürliche Boden mit Stein verfüllt wird." Ihr schwebt eine Abgabe für Bodenversiegelung vor. Die Naturschützerin ärgert sich, dass der wertvolle Boden, speziell im dicht besiedelten Raum, in dem die Natur ohnehin immer weiter zurückgedrängt wird, zur Designerfläche "degradiert" wird und lediglich dazu dient, "Reichtum zu dokumentieren und monetäre Macht".

Tins hat versöhnlichere Worte für die Gartenbesitzer. "Es ist natürlich richtig, Grün in den Garten zu bringen. Wir wollen Tipps geben und helfen. Aber es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das löst die Probleme, die wir inzwischen weltweit haben nicht." In erster Linie habe die Landwirtschaft die Natur verändert mit "riesigen Mengen Dünger und häufigem Mähen". Doch um die Landwirtschaft zu verändern, müsse die Politik aktiv werden, denn die Bauern wollen wettbewerbsfähig bleiben. Tins plädierte für kleine Höfe und die Abschaffung der riesigen Biogasanlagen, für welche die Bauern produzierten.

"Ich verstehe gar nicht, warum die Leute sich den Friedhof als Vorbild nehmen", sagt ein Besucher der Ausstellung. Doch es gibt nicht nur Bilder von Tristesse, es werden auch wild wuchernde Gärten gezeigt. Paradiese und Oasen. "Das soll Lust zum Wandel machen", erklärt Geißler, die jedes Jahr den Gartenwettbewerb der Stadt Dachau organisiert. "Pflanzenvielfalt ist dabei ein sehr wichtiges Kriterium."

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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