Süddeutsche Zeitung

Kandidat für den Tassilo 2018:Meister der Beats

Begonnen hat alles mit einem Unfall. Heute ist Norbert Siegls Schlagzeugschule "Drums" eine erfolgreiche Talentschmiede der Dachauer Musikszene.

Von Andreas Förster, Dachau

Als Norbert Siegl das Dachauer Musikfestival "Amperitiv" besuchte, staunte er nicht schlecht: In jeder Live-Band, die er sah, spielte einer seiner Schüler Schlagzeug. Auf einer Bühne stand die Bigband Dachau, im Vorprogramm spielten Boxhead, Rotation 5 rockte das zweite Zelt. "Zu sehen, wie sie das Publikum zum Tanzen brachten, machte mich glücklich", sagt der Leiter der Schlagzeugschule "Drums". Sein erklärtes Ziel: "Ich will nachhaltige Freude am Musikmachen vermitteln." Das hat er auf alle Fälle geschafft.

Seine Schüler spielen schon in der ersten Stunde zur Musik, denn zur Musik zu spielen macht eben am meisten Spaß. Dass es nicht gerade wenige sind, die seine Schule in den vergangenen 35 Jahren als Sprungbrett für ihren eigenen musikalischen Erfolg nutzen konnten, darauf ist der 62-Jährige schon ein wenig stolz. So waren alle Trommler der Knabenkapelle Dachau bei ihm, die Drummer der Bigband Dachau, der Hardrock-Band Lem Motlow, von Ois Easy, den Sistas, Boxhead und nicht zu vergessen seine beiden talentiertesten Schüler: Christian Felix Benning, Tassilo-Preisträger von 2014, und Thomas Vogt, dem Publikum bekannt als Pop-Sänger und Multi-Instrumentalist Tommy Reeve. Das prädestiniert Siegl selbst zum Kandidaten des Tassilo-Kulturpreises für sein Lebenswerk.

Kaum noch Jugendliche, die Lust zum Üben haben

Heute findet Siegl kaum noch Jugendliche, die Lust zum Üben haben; die meisten hören nach kurzer Zeit schon wieder auf. "Meine Klientel ist jetzt die Generation 50 plus, die hat Zeit und will sich jetzt das gönnen, wovon sie in der Jugend geträumt hat", erklärt Siegl. Der älteste Schüler sei 75, die älteste Schülerin 70. Sie habe ihre eigene Band, erzählt Siegl, und habe vor acht Jahren mit dem Unterricht angefangen, weil sie unbedingt "Highway to Hell" von AC/DC spielen lernen wollte. "Kein Problem", sagte Siegl.

Er bringt ihr alles bei. Benning kam hingegen schon als achtjähriger Steppke zu ihm: "Ich will Profi-Schlagzeuger werden", ließ er ihn forsch wissen. Siegl erwiderte: "Setz di hin, des mach ma!" Das war vor 15 Jahren, bis heute steht Siegl als väterlicher Freund und Berater an Bennings Seite.

Zur Gründung der Schule kam es erst durch einen Unfall, der Siegls Studium zum Berufsschullehrer unerwartet beendete. Seine Frau Gabi, die er mit 23 Jahren geheiratet hatte, überzeugte ihn, es mit der Musik zu probieren. Musik war schon zuvor sein zweites Standbein gewesen. Begonnen hat er damit als 15-jähriger Sänger der Schülerband Seven Tears for Apollo. Sein erstes Schlagzeug kaufte er dem heutigen Stadtrat Horst Ullmann ab, damals Ex-Schlagzeuger der in den Sechzigerjahren angesagten Party-Band Die Ullis. Weil Siegl vom Schlagzeugspielen keine Ahnung hatte, übte der damals 27-jährige Ullmann eine halbe Stunde lang mit dem Youngster ein paar Grooves ein. "So war das vor 47 Jahren", erinnert sich Siegl schmunzelnd. Wer Trommeln lernen wollte, der fragte einen, der es konnte, ließ sich die wichtigsten Takte zeigen und schaute sich den Rest bei Live-Konzerten ab.

Unterricht in den eignenen vier Wänden

Nach der erfolgreichen Schülerband-Karriere, die ihren Höhepunkt 1972 mit einem 1. Preis beim Regional-Nachwuchswettbewerb "Jugend musiziert" fand, folgte später sogar internationaler Erfolg mit der Kult-Band Chickeria. Bei den Konzerten im In- und Ausland wurde er immer wieder gefragt, ob er Schlagzeugunterricht geben wolle. Im Jahr 1983 ließ er sich nicht länger bitten und gründete mit "Drums" eine der ersten privaten Schlagzeugschulen Deutschlands. Zunächst in der Mietwohnung in Dachau-Ost, mit einer Hammond-Orgel als Begleitinstrument und einem gedämpften Drum-Set.

Der Erfolg stellte sich schnell ein, und beim Hausbau 1987 legte Siegl viel Wert auf geeigneten Schallschutz bei den Übungsräumen im Keller der Ostenstraße 47. So kann er seinen Unterricht bis heute in seinen eigenen vier Wänden abhalten. Fünf Drum-Sets sind in den zwei Räumen aufgebaut, drei weitere Lehrer sind mit im Team. Einer davon ist Jan van Meerendonk, Schlagzeuger der Bigband Dachau.

Selbst Unterricht nahm der Autodidakt Norbert Siegl erst relativ spät, mit 25 Jahren, dann aber intensiv und über viele Jahre bei Seminaren mit renommierten internationalen Drum-Lehrern wie Gary Chaffee, Steve Houghton oder Ed Soph sowie Einzelstunden bei Jim Chapin und Dom Famularo. Einige der besten Schlagzeuger der Welt, darunter Jojo Mayer, Dave Weckl und Skip Hadden vom Berklee College of Music Boston, gaben und geben Workshops in seiner Schule, die längst weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt ist.

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SZ vom 13.01.2018/bica
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