Kandidat für den Tassilo 2018:Die innere Stimme

Kandidat für den Tassilo 2018: Florian Dengler vermittelt auch "Gesangskultur" .

Florian Dengler vermittelt auch "Gesangskultur" .

(Foto: Toni Heigl)

Florian Dengler folgt seiner Leidenschaft und studiert Gesang. Heute ist er ein gefragter Sänger und ein engagierter Lehrer.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Ich kann es mir leisten, auf meine Stimme zu hören." Bassbariton Florian Dengler spricht zwar gerade von seiner physischen Stimme. Er hat aber immer auch auf seine innere Stimme gehört. So ist der 36-Jährige heute einerseits ein europaweit gefragter Oratorien- und Liedsänger. Andererseits unterrichtet er Gesangsschüler, betreut drei Chöre und arbeitet als Musiklehrer an der privaten Realschule Gut Warnberg in München-Solln. Lebt er das typische Leben eines Sängers ohne festes Engagement? Keineswegs. "Ich kann auch zu fünfzig Prozent etwas anderes sein, ich muss nicht zu hundert Prozent Sänger sein. Aber das musste ich mir erarbeiten", sagt der 36-Jährige. So gilt seine Leidenschaft heute gleichermaßen dem eigenen Gesang und der Vermittlung von "Gesangskultur", wie er sagt.

Seither blüht das musikalische Leben an beiden Dachauer Gymnasien

Und das kam so: Er habe eigentlich schon immer gesungen, sagt Dengler, der viele Jahre in Schwabhausen gelebt hat. Schon in der Grundschule "habe ich bei Theateraufführungen immer den Sänger gemacht". Seine Begabung blieb nicht unbemerkt. Doch weder die Regensburger Domspatzen noch ein anderer renommierter Knabenchor lockten den Buben. "Über fünf Ecken", fand er einen Gesangslehrer in München, erzählt er. Das war wohl die Initialzündung für den jungen Mann. Seinerzeit gab es an den beiden Dachauer Gymnasien keinen Musikleistungskurs. "Man muss sich das mal vorstellen. Das war 1999, und der letzte Musikleistungskurs am Josef-Effner-Gymnasium hatte 1982 stattgefunden", sagt er. Dengler blieb hartnäckig, verbündete sich mit Schülern des Ignaz-Taschner-Gymnasiums, und seither blüht das musikalische Leben an beiden Schulen.

Für Dengler stand nach dem Abitur fest: Ich studiere Gesang, "ganz egal, ob ich der nächste Caruso werde, oder ob die mich auslachen". Doch nach einigen Jahren an der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg wurde ihm klar: "Das bin ich nicht. Ich muss was anderes machen." Warum? Weil ihm in der Parallelwelt des Gesangsstudiums die Fokussierung auf die eigene Karriere zu wenig war, weil er sich zu weit abseits vom wirklichen Leben fühlte.

Radikaler Schnitt: "Ich studiere Lehramt, aber ich beende gleichzeitig mein Gesangsstudium", entschied Dengler und zog die Sache bis zum Staatsexamen durch. Um dem Ganzen den Oberkick zu verpassen, unterrichtete der Student selbst Gesang. Und strahlt wie sonst nur die Arrivierten nach einem Auftritt im Nationaltheater, als er von seinem allerersten Schüler erzählt. Was ein wenig auf der Strecke blieb, war die heutzutage für Sänger unabdingbare Selbstvermarktung. Die Zeit fehlte, um Kontakte zu Agenturen und großen Theatern zu pflegen. Die Stimme reifte. Neue Rollen bei Produktionen des Lyrischen Opernensembles Dachau, der Opera Incognita oder der Puchheimer Taschenoper waren und sind für Dengler "Ausflüge in die Oper". Denn er ist mittlerweile ein weit über Deutschland hinaus gefragter Oratoriensänger. Für seine Liederabende erarbeitet er sich sukzessive sämtliche Zyklen der Romantik. Gelegentlich wechselt er ins Unterhaltungsfach. Dann macht er sich einen Spaß daraus, mit einem Schlagerrelikt aus längst vergangenen Zeiten ein Dramolett aufzuführen.

Florian Dengler

Was wünschen Sie sich?

Florian Dengler: Ich hätte gerne einen Tag mit 28 Stunden.

Warum?

Dann hätte ich mehr Freiraum und mehr Zeit, mir die Opernrollen zu erarbeiten, die ich gerne singen würde.

Welche sind das?

Don Giovanni, Graf Almaviva in Figaros Hochzeit, Marquis von Posa in Don Carlos.

Was fürchten Sie?

Dass ich wegen der Stimme zum Hypochonder werde, weil man so wahnsinnig auf sich achtet. Viele Sänger sind deshalb total Ich-zentriert. Das will ich nicht.

dfr

Ob das auch im Schulunterricht geschieht, will Dengler nicht verraten. Nur so viel: "In jeder Musikstunde wird gesungen. Das ist mir wichtig. Das ist Basisarbeit." Diese leistet Dengler auch bei diversen Chören. Seit fünf Jahren ist er Stimmbildner beim Universitätschor der LMU München, bereits seit zehn Jahren engagiert er sich bei der Schwäbischen Chorakademie mit ihren 70 bis 80 Sängern. Zudem leitet er seinen eigenen Chor, DollMur. "Ich will die Freude am Gesang vermitteln, will rüberbringen, wie gut Singen tut, und es soll Spaß machen", sagt Dengler. Wie gut er seinen Sängern tut, erzählt er ebenso gerne: Sieben seiner Schüler haben ihr Gesangsstudium inzwischen aufgenommen oder schon beendet. Was er ihnen mit auf den Weg gibt, ist mit Gold in der Kehle oder der Tasche nicht aufzuwiegen: So wie Dengler selbst, sollen sie es sich leisten können und wollen, auf ihre Stimme zu hören - in jeder Beziehung. Schließlich soll es ihnen nicht ergehen wie ihrem Gesangslehrer, der sich seinerzeit von seinen Professoren anhören musste: "Die Entscheidung fürs Lehramt hat ihnen die Stimme verschlossen." Eine grobe Fehleinschätzung, denn der Bassbariton hat seinen Weg gefunden: als Sänger und als Pädagoge.

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