Kandidat für den Tassilo 2018:Der Maler

Andrej Auch in der Kunstakademie an seinem Arbeitsplatz. Tassilo-Kandidat

Wenn ein Bild nach dem letzten Pinselstrich nicht seinen Vorstellungen entspricht, nimmt Andrej Auch eine neue Leinwand und beginnt von vorne.

(Foto: Florian Peljak)

Der 22-jährige Student Andrej Auch lebt seine Leidenschaft für die bildende Kunst aus und nutzt sein Studium an der Münchner Akademie, um mit immer neuen Techniken zu experimentieren.

Von Jana Rick, Dachau

Früher erkannte man wahre Künstler an einem Pinsel hinter dem Ohr oder an einer Baskenmütze. Heute muss man schon genauer hinschauen. Ein paar bunte Farbkleckse auf den Seiten der großen Kopfhörer sind es, die Andrej Auchs Leidenschaft für die Malerei verraten. Der 22-Jährige studiert seit drei Jahren an der Akademie für bildende Künste in München und verbringt seitdem mehr Zeit dort als sonst irgendwo. Sein Atelier teilt sich der gebürtige Dachauer mit elf anderen Kunststudenten. An seinem Arbeitsplatz hängen zwischen Staffeleien, offenen Farbtuben, Tüchern und Eimern mit Pinseln große Leinwände an den weißen Mauern. Sie sind die Ergebnisse vieler Monate Fleiß und Studium.

Das Künstlerische wurde in Andrejs Familie schon von Kind auf gepflegt. Sein Vater malte lange selbst mit Öl und nahm Andrej und seine zwei älteren Schwestern regelmäßig mit in Museen, Galerien oder Pinakotheken. "Die Malerei war in unserem Familienleben immer präsent", sagt der Student heute. Nach dem Abitur war es für ihn selbstverständlich, sich an der Akademie zu bewerben. Etwas anderes kam für ihn nie in Frage.

Gelernt hat er seine Maltechnik allerdings nicht von seinem Vater. Sondern von den "großen Meistern", wie Andrej sie nennt. Malern der Renaissance und des Barocks. Stundenlang steht er manchmal vor Gemälden in Galerien und studiert den Schichtaufbau, die Farben, die Technik seiner Vorbilder. "Da erntet man natürlich auch den ein oder anderen verblüfften Gesichtsausdruck", sagt er und lacht. Manchmal geht dann sogar die Alarmanlage an, wenn er zu nah an einem Bild steht.

Das meiste fand er dann durch Probieren selbst heraus. So hat er zum Beispiel auch die Pixelanordnung des Computers studiert. Durch das Analysieren der Muster digitaler Bilder übertrug er die Tendenzen dann auf die Malerei. Selbst erkannt hat der junge Künstler auch, wie viele Möglichkeiten ihm die Schichtmalerei bietet. Während seiner ersten Jahre Malerei hat er hauptsächlich die Stilrichtung des Pointilismus ausprobiert. An der Akademie entdeckte er dann, wie man auf der Leinwand mit mehreren Schichten arbeiten kann. "Plötzlich ergab alles einen Sinn", erinnert sich Andrej an die Eingebung. "Dass die Leinwand ein Bildträger für Farbnetze ist." Seitdem liebt er es, mit der Transparenz der Farben zu spielen, sie leuchten zu lassen oder zu verdecken. Erzählt er von dieser Entdeckung, so spricht er von "früher" und "heute". Entwicklungen hat der junge Künstler in seiner kurzen Karriere schon einige durchlebt. Er habe realisiert, dass Malerei ein Thema binden kann. Früher habe er sich nur darauf konzentriert, wie Malerei technisch funktioniert.

Wenn ein Bild nach dem letzten Pinselstrich nicht Andrejs Vorstellungen entspricht, dann belässt er es nicht dabei. Er nimmt eine neue Leinwand und beginnt von vorne. An Ehrgeiz fehlt es ihm nicht. Fragt man ihn nach seinen Ideen, so kommt die Antwort schnell. "Von überall, ich halte die Augen immer offen." Auch im Internet findet er Anstöße für die Malerei. Wenn ihm bei Instagram ein Bild auffällt, dann macht er sich Skizzen dazu, aus denen später ein Prototyp für die Leinwand werden könnte. Doch die "Bilderflut" im Internet, wie Andrej sie nennt, bringt auch Nachteile für die heutigen Künstler. "Es gibt online so viele Stimmen und so viele Stile", sagt Andrej. Auch wenn er weiß, dass er sich durch seinen Stil durchaus von anderen Malern unterscheidet. Einzigartig bei ihm: Der Versuch, die klassische Malerei neu zu definieren. Der frische Blick und die moderne Herangehensweise unterscheidet Andrej von anderen Künstlern. "Ich möchte die klassische Malerei neu denken", erklärt er. "Alte Techniken umsetzen auf gegenwärtige Bilder". Dazu benutzt er neue Hilfsmittel wie Neon-Acrylfarben und schichtet sie unter oder über andere Farben. Der Maler zeigt auf ein kleines, quadratisches Bild, das einen grauen Fisch darstellt. Er ist umgeben von greller, pinker Farbe. "Mir ist schon als Kind aufgefallen, dass Fische oft einen verschreckten Gesichtsausdruck haben. Für mich entstand dadurch die Fragestellung, wie man diesen Eindruck durch Farben übertreiben kann. Die Farbe Pink, die normalerweise lieblich wirkt, erscheint hier durch den Leuchteffekt penetrant und beunruhigend", erklärt Andrej. Mit sehr bedachten Wörtern beschreibt er seine Kunst und man merkt sofort - er ist Experte.

2016 organisierte Andrej seine erste eigene Ausstellung im Wasserturm in Dachau und seit vergangenem Jahr ist er Mitglied bei der Künstlervereinigung Dachau. In der first-page gallery in München stellte er schon mehrmals aus. Der Kontakt zu anderen Künstlern sei ihm wichtig, nicht nur um sich Tipps zu holen, sondern einfach zum Austausch. Er schätzt dann Gespräche mit Menschen, die die gleichen Interessen und ein ähnliches Verständnis haben wie er.

Herausforderung sucht sich der junge Maler nicht nur in der Technik, sondern auch bei der Auswahl seiner Motive. Möglichst banal sollten diese sein. "Dinge, die uns im Alltag begegnen." So fand auch eine Suppentasse ihren Weg auf die Leinwand. Andrejs Ziel: "Auf das Motiv einen malerischen Einfluss nehmen. Und dann eine Assoziation aufrufen, die geistig stimulieren soll." So gewinnt dann ein langweiliges Stillleben plötzlich an Dynamik. Oder wie Andrej es beschreibt: "Durch die Malerei werden neue Schubladen geöffnet."

Kandidat für den Tassilo 2018: Aus banalen Alltagsgegenständen macht er ein Kunstwerk.

Aus banalen Alltagsgegenständen macht er ein Kunstwerk.

(Foto: privat)

Wenn es Andrej im Atelier zu unruhig wird, setzt er seine Kopfhörer auf und hört beim Malen Musik. Dann kommt es oft vor, dass er komplett die Zeit vergisst. Und das Essen. Dann fährt er mit der letzten S-Bahn zurück nach Dachau. Manchmal allerdings kommt es auch vor, dass er einfach im Atelier übernachtet, auf einer Matratze am Boden. Und für Notfälle gibt es für alle Studenten eine kleine Küche im Atelier, dort stehen Nudeln neben Honiggläsern, wo man sich jedoch nicht sicher sein kann, ob sich wirklich Honig darin befindet oder nicht doch Farbe.

Nach seinem Abschluss an der Akademie steht für Andrej schon fest: "Ich werde weitermachen." Bestenfalls möchte er dann in einem eigenen Atelier arbeiten, vielleicht in Dachau. Und von seiner Leidenschaft der Malerei leben. "Das ist mein Traum."

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