Tassilo:Kreativ vernetzte Vielfalt

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Kristina Seeholzer vor dem Screen mit einigen ihrer Mitstreiter. Von links oben im Uhrzeigersinn: Andrea Schieri, Michael Kottermeier, Alexandra Walcher, Pauline Reichelmeier und Theresa Wirthmüller. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Dachauer Verein "Schere Stein Papier" bietet jungen Künstlern eine Plattform und fördert dabei den gesellschaftlichen Austausch: frei, spielerisch, spontan

Von Jana Rick, Dachau

Gesellschaftliche Teilhabe, Austausch, Partizipation - das sind Ideale, die in Zeiten der Corona-Krise als schwer erreichbar erscheinen. Und doch gibt es zehn junge Dachauer, die sich genau dies als Ziel gesetzt haben und sich auch von einer Pandemie nicht aufhalten lassen: Der gemeinnützige Verein "Schere Stein Papier" ist ein junges Dachauer Kollektiv, dem der Austausch und die Begegnung mit Menschen verschiedener Hintergründe wichtig ist. Deswegen setzen sich die Mitglieder für Partizipation sowie vielfältige Kunst und Kultur ein. Gegründet hat sich der Verein kurz vor dem ersten Lockdown im März 2020. Dieser durchkreuzte sämtliche Pläne, Ideen und Aktionen des Vereins, er bremste die jungen Menschen, wie so viele, von einem Tag auf den anderen aus. Kristina Seeholzer, erste Vorsitzende des Vereins, erinnert sich an die Eröffnungsveranstaltung des Vereins kurz bevor die gesamte Gesellschaft und auch das Kulturleben heruntergefahren wurden: "Die Kunstausstellung war ein schöner Anfang, es kamen so viele unterschiedliche Menschen zu uns in die Altstadtgalerie."

Seeholzer ist Mitgründerin des Vereins, sie ist von Beruf Grafikerin. Gemeinsam mit einigen Freunden beschlich sie vor etwas mehr als einem Jahr das Gefühl, dass der Kulturlandschaft im Dachauer Landkreis etwas fehle. "Wir haben vor allem im Hinblick auf junge Menschen noch Bedarf gesehen. Wir wollen jungen Kulturschaffenden eine Plattform geben, um ihre Ideen und Projekte umzusetzen." Und so kam es zu "Schere Stein Papier", einem Kollektiv mit dem Motto eines simplen Kinderspiels aus Handgesten: frei, spielerisch und spontan.

Letzteres, die Spontanität, musste die Dachauer Gruppe schon bald nach der ersten Ausstellung gezwungenermaßen beweisen. Geplante Workshops, Literatur-Cafés und Lesungen fielen ins Wasser. Doch es dauerte nicht lange, dann "juckte es uns in den Fingern", so beschreibt es Seeholzer und lächelt. "Der Austausch mit anderen hat uns unglaublich gefehlt, wir wollten einfach mal wieder mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, mal wieder ein anderes Gesicht sehen". Und so organisierte der Verein das erste Online-Quiz, bei dem jede und jeder mitmachen konnte.

Aktionen wie diese zeigten dem Kollektiv, dass es vielen anderen genauso geht wie ihnen; der Bedarf an Austausch ist gerade jetzt, in Zeiten von Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und Home-Office besonders groß. Mittlerweile finden die Quizabende regelmäßig statt, mal mit Fragen zu Kunst oder Kultur, mal mit Schätzfragen zum Allgemeinwissen. Und auch einen Online-Kochabend organisierte die Truppe im Winter, kaufte für alle Teilnehmenden ein, lieferte die Zutaten zu ihnen nach Hause und wenig später wurden gemeinsam vor dem Laptop oder Handy Gnocchi gekocht. "Das war eine schöne Aktion, wir haben viele positive Rückmeldungen zu dem Abend bekommen", sagt die 28-Jährige und erzählt stolz, dass Kochinteressierte aus ganz verschiedenen Altersklassen mit dabei waren. Der Erlös der Aktion wurde anschließend gespendet. Der Verein möchte auch politisch Zeichen setzen und hat in diesem Zusammenhang bereits einige gesellschaftskritische Themen aufgegriffen. Dazu zählt auch das "Feministische Café", bei dem in Kooperation mit dem Kreisjugendring Dachau in einem Workshop über Antifeminismus diskutiert wurde. Ein anderes Mal hieß es: "Let's talk about Weiblichkeit".

Was anderen Vereinen zur Zeit schwer fallen mag, nämlich das virtuelle Vernetzen, reizt "Schere Stein Papier". Sie haben im vergangenen Jahr die verschiedensten Plattformen ausprobiert, um Menschen zusammenzubringen: Zoom für den Online-Kochkurs und die offenen Sitzungen des Vereins, Kahoot fürs Online-Quiz, Spatial für interaktive Treffen mit der Möglichkeit, gemeinsam Musik zu hören. Instagram und Facebook setzt der Verein natürlich auch ein. Seeholzer spricht von einem Vorteil, den die Gruppe bei digitalen Methoden möglicherweise habe, schließlich seien sie ein junges Team in dem das älteste Mitglied 40 Jahre alt sei. Außerdem kommen die Ehrenamtlichen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Sozialpädagogen, Betriebswirte, Tontechniker und eine Keramikerin sind mit dabei, "bunt gemischt", sagt Seeholzer und grinst. Die Vielfalt, für die sich der Verein einsetzt, spiegelt sich also auch im Team selbst wider.

Die junge Grafikerin betont außerdem, dass die Corona-Krise nicht nur die Kreativität in allen angeregt habe, sondern auch den Zusammenhalt der Gruppe zusätzlich gefestigt hätte. Und sie erkennt noch einen positiven Faktor: "Wir haben durch die Online-Veranstaltungen noch mal ganz andere Menschen erreicht und kennengelernt, das finde ich eine einzigartige Erfahrung, die uns sehr bereichert hat." Doch auch wenn der Verein versucht, in der schwierigen Zeit das Positive zu sehen, merkt man der ersten Vorsitzenden an, dass das nicht immer leicht ist. Einige Mitglieder waren in Kurzarbeit beschäftigt, die freiberuflichen hatten immer weniger Aufträge. "Langsam ist die Luft raus."

Seeholzer freut sich deswegen umso mehr auf die Zeit nach der Pandemie, dann möchte der Verein das ausgefallene Programm nachholen. Von 20. bis 22. Mai plant "Schere Stein Papier" gemeinsam mit dem Kreisjugendring am "Vielfalt-Filmfestival" teilzunehmen und wird dort Kurzfilme zu ganz unterschiedlichen Themen zeigen. Mehr möchte Seeholzer noch nicht verraten, doch sie überlegt laut denkend, wie man den Zugang zu den Filmen im Gebäude auch barrierefrei machen könnte. Zugang zur Kunst für jede und jeden - das gehört schließlich auch zu den Prinzipien des Vereins.

Seeholzer erklärt, dass die Gruppe einen "Themenspeicher" hat, in dem jeder ganz offen seine Ideen für Veranstaltungen und Aktionen notieren kann. Sie selbst möchte in Zukunft auch gerne die psychischen Belastungen thematisieren, die sich durch die Pandemie für viele Menschen ergeben. Hierfür einen "künstlerischen Zugang" zu finden, das würde sie interessieren. Dachau kann sich also auf ein vielfältiges, kritisches und spannendes Programm des jungen Vereins freuen.

Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den SZ-Kulturpreis vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April eine E-Mail an tassilo@sz.de." Das nächste Online-Quiz des Vereins "Schere Stein Papier" findet übrigens am 24. April um 20.30 Uhr statt. Anmeldeschluss fürs Quiz ist Freitag, 23. April, 19 Uhr per Mail an scheresteinpapierev@posteo.de.

© SZ vom 15.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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