Süddeutsche Zeitung

Redoute:Dachau leuchtet

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Die Redoute ist ein gesellschaftlicher Höhepunkt in der Stadt - noch dazu ein sehr heiterer. Tanzmeister Erich Müller leitet die Gäste durch die Tücken der Festpolonaise. Nicht nachlassen, heißt die Devise bei Walzer, Polka und Galopp.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Mann trägt Zylinder und Frack oder Bratenrock, Dachauer Tracht oder ein Dienstbotengewand, Frau trägt hochelegante Mode à la Paul Poiret, bestens bekannt aus der Fernsehserie Downton Abbey, oder ausladene Reifröcke um die teils ebenso ausladende Figur. Die erneuerte Dachauer Tracht ist vertreten, das Festtagsdirndl, Mode der Zwanziger oder das schlichte kleine Schwarze. Kurzum: Es ist Redoute im Dachauer Schloss, die sechste übrigens. Die 240 Ballbesucher sind am Samstagabend der Aufforderung auf der von Klaus Eberlein gestalteten Einladungskarte gefolgt und sind "in bäuerlichem, bürgerlichem oder höfischem Gewand" - oder was auch immer sie darunter verstehen - erschienen.

Begrüßt werden sie von Kulturreferent Claus Weber und Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter, die einen Traum in Chiffon und Spitze nebst geradezu schwebender Hutkreation gewählt hat. Wie schon in den vergangenen Jahren ziehen die vielen roten, schwarzen, pinkfarbenen Gebilde auf den Köpfen der Damen die Blicke magisch an. Sie werden höchstens durch ein hinreißendes Paar - er in Dachauer Tracht nebst derben Stiefeln, sie in einem tief dekolletierten Traum aus schwarzer Spitze - abgelenkt oder durch Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler im Räuber-Kneißl-Look und mit Drei-Tage-Bart. Damit kann er allerdings nicht mit Bäcker Peter Denk konkurrieren, der als sichtbares Zeichen seiner monatelangen Fußwanderung auf dem Jakobsweg von Dachau nach Santiago di Compostela seinen Vollbart mit Würde zum eleganten Anzug trägt.

"Dachau leuchtet", wie Landrat Stefan Löwl (fesch als General ausgehenden 19. Jahrhunderts gekleidet) in kühner Abwandlung des berühmten "und München leuchtete" aus Thomas Manns "Gladius Dei" bei seiner kurzen, launigen Rede sagt. Launig und kurz(weilig) ist auch die Begrüßung von Oberbürgermeister Florian Hartmann. Der hat sich für gediegenes Grau und das Outfit eines Bürgermeisters des Marktes Dachau um 1900 entschieden - Amtskette inbegriffen. Sehr gelungen: die stilsicheren Zitate aus einer Begrüßungsrede eines seiner Amtsvorgänger bei der Redoute des Dachauer Turnvereins von 1905.

Der Dirigent des Abends aber ist - neben Karl Edelmann, der sein fabelhaftes Salonorchester fest im Blick und im Griff hat - Tanzmeister Erich Müller. Unterstützt von seiner Frau Elisabeth leitet er die Tänzerinnen und Tänzer durch die Tücken der Festpolonaise zum Auftakt und die anschließenden zwölf sogenannten Touren mit Walzer, Polka, Galopp, Zweifachem, Rheinländer, Schottischem und mehr. "Nicht nachlassen" heißt einer dieser schwindelerregend schnellen Galopps. Das ist wohl das Motto der meisten Ballbesucher. Denn die Tanzfläche ist stets gut gefüllt. Anfängliche Unsicherheiten legen sich schnell. Was nicht unbedingt am Weinkonsum gelegen haben muss. Da üben viele eher Zurückhaltung angesichts der Preise auf gehobenem Münchner Niveau.

Dachau tanzt: Redoute im Dachauer Schloss mit Oberbürgermeister Florian Hartmann und Julia Märkl beim Walzer.

Rund 240 Ballbesucher zeigten bei der sechsten Redoute ihr Können im Walzer, in der Polka und im Galopp.

Stilgemäß erschienen die Gäste im bäuerlichen, bürgerlichen oder höfischen Gewand.

Auch der städtische Kulturreferent Claus Weber schwag bei der sechsten Redoute das Tanzbein.

Das Salon Orchester sorgte für die passende Musik, ob zum Zweifachen, Rheinländer oder Schottischen.

Mit Landrat Stefan Löwl in einer Generalsuniform des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Besonders beliebt: die Française.

Wobei eine Gruppe besonders viel Platz beansprucht. Die eleganten Damen haben sich für Sissi-like geschnürte Wespentaillen und überdimensionierte Reifröcke entschieden. Ein wahrhaft fürstlicher Anblick, zumal die Paare echte Könner auf dem Parkett sind. Was aber nicht wirklich verwundert, weil die Gruppe gewissermaßen traditionellen Bällen und der entsprechend festlichen Kleidung verfallen ist und ihrem Hobby quer durch die Republik frönt, wie sie gerne erzählt. Im Schloss allerdings werden sie etwas kritisch von zwei in eine Nobelversion der erneuerten Dachauer Tracht gewandeten Frauen beäugt: "Hoffentlich nehmen die uns nicht den Platz bei der Française weg", sagt eine.

"Der Frangßähs", wie Tanzmeister Erich Müller liebevoll sagt, ist der Höhepunkt jeder Redoute und erfordert ein gewisses Können. Wer die komplizierten Schrittfolgen trotz der Ansagen von Tanzmeister Müller durcheinander bringt, behilft sich mit dem Austausch von Komplimenten. Keinen verbalen, sondern freundlichem Kopfnicken nach links und rechts, das von einem Lächeln begleitet wird. Die Befürchtung der Dachauer-Tracht-Trägerinnen ist übrigens völlig grundlos. Die Reifröcke nehmen weder ungebührlich viel Platz ein, noch fliegen sie beim geliebt-gefürchteten "Karussell" in die Luft. Ein paar jüngere Damen schweben dagegen als "Engerl" gen Renaissance-Holzdecke und etliche Zylinder der Herren Richtung Parkett.

Unter den Française-Könnern sind auch die zwei Stars dieses vergnüglichen Abends: Sopranistin Anna Maria Bogner und Tenor Richard Wiedl. Sie singen bei ihren drei Auftritten mit Temperament, Können und Schmelz in den Stimmen einige der schönsten Operettenmelodien, funktionieren das hingerissene Publikum kurzerhand zum Chor um und schenken dem Abend den notwendigen Schuss Romantik. Wunderbare Momente voller Gefühl, die für eine kurze Weile die Welt aus den Gedanken und dem Gemüt verbannen und die Redoute zu einem Erlebnis für alle Sinne machen. Um es mit Thomas Mann zu sagen: "Der Himmel ist von blauer Seide, die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Zepter über die Stadt hin und lächelt, kurz: München leuchtete." Am Samstagabend leuchtete Dachau.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2015
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