Wer eine "Italienische Sommernacht" erleben will, kann sich die lange Reise mit Stau in der Hitze zu überfülltem Strand mit aufdringlicher Musik sparen. Man braucht bloß nach Tandern fahren, dort ist die wahre italienische Sommernacht zu erleben, und das in erlesenster Art und Weise - einfach zum Schwärmen. Freilich, das Wetter muss mitspielen, und es hat mitgespielt bei der von "Zukunft Tandern" veranstalteten Veranstaltung im Hof des Schlosses Tandern mit einem bewegend, ja mitreißend schönen Konzert des Orchesters "Isarphilharmonie München" unter seinem neuen Dirigenten Olivier Tardy.
Es war zu empfehlen, sich schon eine Stunde vor Konzertbeginn einen Platz zu sichern und die bezaubernde Atmosphäre zu genießen, denn das Konzert war restlos ausverkauft. Aber jetzt erklang auch Musik, die schöne und sehr bekannte "Sicilienne" von Gabriel Faure. Der Komponist ist Franzose, aber die Musik ist italienisch. Ein "Siciliano" (französisch: "Sicilienne") ist ein Stück stimmungsvoller Musik in langsam wiegender Bewegung. In Tandern war die spätromantische "Sicilienne" von Faure jedenfalls eine ideale Einstimmung in die darauf folgende "Italienische Sinfonie" A-Dur op. 90 von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Das Kirchengeläut unterbricht die leisen Töne
In seiner lockeren, sehr ansprechenden Moderation stellte Olivier Tardy die vier Sätze dieser Sinfonie als "Vorfreude auf Italien", "Venedig im Nebel", "Florenz" mit barocken Anklängen und schließlich "Neapel" mit rasantem Springtanz ("Saltarello") vor. Rom, wo Mendelssohn auf seiner "Italienischen Reise" den ganzen Winter verbrachte, hat er ausgelassen. Das rächte sich. Mitten im ergreifend schönen und vom Orchester besonders schön und zart gespielten langsamen Satz der "Italienischen" von Mendelssohn erklang das römisch-katholische Glockengeläut der sehr nahe gelegenen Kirche. Als die Glocke endlich mit ihrem nachhaltigen Läuten fertig war, setzte eine zweite höher gestimmte das Läuten fort. Rom hat seinen Platz mit Nachdruck behalten. Olivier Tardy und sein Orchester nahmen die römisch-katholische Bereicherung ihrer italienischen Sommernacht gelassen und mit Humor hin und setzten ihre italienische Reise brillant musizierend fort. Die übertönte Melodie soll ursprünglich ein Pilgergesang gewesen sein. Dazu passte ja das an sich lästige Glockengeläute gar nicht so schlecht.
Zunächst musste man sich an den auffallend leisen Klang des mit rund 60 Musikern ziemlich stark besetzten Orchesters, vor allem der Holzbläser, gewöhnen. Das ist halt die Akustik jedes Musizierens unter freiem Himmel. Dann aber wurde man gewahr, wie transparent dadurch das Musizieren des Orchesters wurde, wie man jeden Einsatz, jede Stimme, jede Klangfarbe hören und genießen konnte. So blieb diese Aufführung der häufig gespielten "Italienischen" von Mendelssohn Bartholdy als eine der schönsten je gehörten im Gedächtnis.
Die allerschönste italienische Musik war "Die Hochzeit des Figaro" von Mozart
Italienische Musik ohne Gesang - das ist höchstens die halbe Miete. Bei der italienischen Sommernacht in Tandern wurde das Fehlende im zweiten Teil reichlich nachgeholt. Elisabeth Freyhoff sang mit wohlklingend leichtem lyrischem Sopran bekannte italienische Arien, so die Arie der Adine aus der Oper "Der Liebestrank" von Gaetano Donizetti, die Arie der Musette aus "La Boheme" von Giacomo Puccini und den "Kusswalzer" von Luigi Arditi. Das alles war sehr fein gesungen. Das Orchester blieb in seinen Zwischenspielen nicht bei italienischer Musik, sondern wechselte nach dem stets ergreifenden, hier wunderschön gespielten "Intermezzo sinfonico" von Pietro Mascagni zu Georges Bizet mit "Carmen" und bei der Zugabe auch noch nach Wien zu Robert Stolz und dessen "Arrividerci la bella Italia".
Die allerschönste italienische Musik des ganzen Abends aber hatte den zweiten Teil des Konzerts eröffnet. Es war die Ouvertüre der Oper "Die Hochzeit des Figaro" von Mozart. Darauf folgte die Rosenarie der Susanna aus dieser Oper, sehr schön gesungen von Elisabeth Freyhoff. Alsdann: "Arrividerci!"