Tag des Baums:Hilferuf der Förster

Der Klimawandel wirkt sich im Landkreis Dachau so stark aus, dass die im bayernweiten Vergleich geringen Waldbestände gefährdet sind. Die vorherrschende Fichte ist dem Temperaturanstieg nicht gewachsen

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Das Forstamt schlägt Alarm: Die Wälder in Dachau sind stark gefährdet. Um sie zu retten, müssen sie konsequent umgebaut werden. Forstamtsdirektor Hans-Jürgen Gulder appelliert an alle Waldbesitzer, sofort die Monokultur aus Fichten zu beenden und Mischwälder zu pflanzen. Dazu gebe es bereits einige erfolgreiche Projekte, wie sie die angehende Försterin Silke Schulz-Könicke für den Landkreis Dachau gesammelt hat. Vorbildhaft seien die Anstrengungen des Vorsitzenden der Waldbauernvereinigung im Landkreis, Leonhard Mösl aus Ebertshausen bei Odelzhausen. Im Landkreis sind die Durchschnittstemperaturen in den vergangenen Jahren offenbar stärker gestiegen als in benachbarten Landkreisen. Trockenheit und Wärme machen den Fichten besonders zu schaffen.

Die Wetterstation in Großberghofen in der Gemeinde Erdweg verzeichnet einen Anstieg der jährlichen Durchschnittstemperatur von 7,5 Grad Celsius (Messperiode 1961 bis 1990) auf 8,9 Grad Celsius (2000 bis 2016). Diese Station wird von der Agrarmeteorologie der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising betrieben und hält seit Jahrzehnten fest, wie sich das Klima regional verändert. Im Zuständigkeitsbereich des Forstamts von Hans-Jürgen Gulder, das die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und Landsberg umfasst, weist Dachau den Spitzenwert aus. Das sind immerhin 1,2 Grad Celsius mehr seit der Jahrtausendwende. Die beiden anderen Landkreise liegen bei zusätzlichen 0,8 Grad.

Tag des Baums: Der Wald von Leonhard Mösl in Ebertshausen bei Odelzhausen ist nach Ansicht des Forstamts beispielhaft, weil er dem Klimawandel das richtige Konzept eines widerstandsfähigen Mischwalds entgegensetzt. Damit schafft er auch nachhaltige Natur- und Erholungsräume.

Der Wald von Leonhard Mösl in Ebertshausen bei Odelzhausen ist nach Ansicht des Forstamts beispielhaft, weil er dem Klimawandel das richtige Konzept eines widerstandsfähigen Mischwalds entgegensetzt. Damit schafft er auch nachhaltige Natur- und Erholungsräume.

(Foto: Toni Heigl)

Als Grund vermutet Gulder die geografische Lage Dachaus, das niedriger als Landsberg oder Fürstenfeldbruck liege. Gleichzeitig gehen die durchschnittlichen jährlichen Niederschläge um 85 Liter pro Quadratmeter zurück, was einem Minus von zehn Prozent entspricht. Noch größere Sorgen bereitet ihm die Anzahl heißer Tage. Im Jahr 2015 waren es 20 mit einer Temperatur von mehr als 30 Grad zwischen dem 1. Juli und 31. August. Gulder: "Solche Tage zwingen unsere Wälder in die Knie. Die Fichte hält diese Temperaturen nicht aus."

Das Tempo des Niedergangs ist nach Ansicht von Förster Franz Knierer, der für die Dachauer Wälder zuständig ist, beängstigend. "Wir im Landkreis sind bayernweit mit an der Spitze." Um darauf adäquat zu reagieren und um die Folgen zu beschränken, müsse die Fichte so schnell wie möglich zurückgedrängt werden. Noch dominiert sie. Deren Überlebenschancen in der Region schätzt Franz Knierer als sehr gering ein. Er verweist auf das Rheinland mit seinen traditionell höheren Temperaturen. "Da gibt es kaum Fichten." Dieses Jahr fürchtet er eine regelrechte Explosion des Borkenkäferbestands: "Der ist früher unterwegs als sonst. Wir sind sehr im Stress."

Die angehende Försterin Silke Schulz-Könicke hat die Lage des Waldes im Landkreis untersucht und die Ergebnisse in einer wissenschaftlichen Arbeit festgehalten. Mit einem Anteil an der Gesamtfläche von 16 Prozent ist der Landkreis einer der waldärmsten in Bayern. Und dieses vergleichsweise kleine Areal besteht Schätzungen zufolge zu 80 Prozent aus Fichten. Dabei erfreut Forstamtsdirektor Gulder schon dieser Wert, weil er bedeutet, dass die Monokultur innerhalb von 27 Jahren um zehn Prozent zurückgegangen ist. 1990 wüteten bis dahin nie erlebte Stürme über Bayern, die den Waldbestand in Dachau reduzierten. "Aber zufrieden bin ich nicht. Meine Sorge ist, dass wir zu langsam sind", sagt Hans-Jürgen Gulder. Es müsse mehr geschehen. "Alle Waldbauern müssen mitmachen. Das ist mein Credo."

Wenngleich die Fichten hier noch sehr gute Wuchsleistungen erzielen, wie Schulz-Könicke feststellt - nicht umsonst wird sie als "Brotbaum der Forstwirtschaft" bezeichnet -, würden sogenannte Reinbestände auf durchlässigeren Böden im Klimawandel zusehends zum Risikofaktor: "Die Fichte wird in Zukunft nur noch auf gut wasserspeichernden Böden in schattigen Lagen und in Mischung mit klimastabileren Baumarten wie der Buche, dem Bergahorn, der Tanne oder der Douglasie eine wichtige Baumart bleiben." Alle Erfahrungen und Forschungen hätten ergeben, dass die leichter zersetzbare und nährstoffreichere Laub- und Nadelstreu der Mischbaumarten "entscheidend zur Verbesserung der Waldböden beiträgt, was wiederum auch der Fichte zugute kommt".

Segen und Fluch

Wenn Forstamtsdirektor Hans-Jürgen Gulder erzählt, dass die Folgen des 30-jährigen Krieges (1618-1648) im Landkreis Dachau immer noch zu spüren sind, ist man geneigt, zunächst ungläubig zu staunen. Tatsächlich wurde damals der gesamte Waldbestand in ganz Deutschland ruiniert, weil die Menschen Holz zum Überleben und die Kriegsherren Geld für ihre Armeen brauchten. Erst gegen 1750 begann im Landkreis eine Art Wiederaufforstung, allerdings ausschließlich mit der aus den Bergen stammenden Fichte.

Damals ähnelte das Wetter im Endmoränengebiet bei München noch stark dem alpenländischen mit harten Wintern und jährlichen Durchschnittstemperaturen von ungefähr sieben Grad Celsius. Die Fichten wuchsen schnell und versprachen auch lukrative Geschäfte. Im Landkreis Dachau nicht zuletzt wegen der Papierfabrik seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die ist still gelegt und ins niederbayerische Plattling umgezogen. Der Segen der Fichte damals wandelt sich zum Fluch für die heutigen Waldbesitzer. we

Allerdings sinkt die Zahl der Waldbesitzer, die ihren Lebensunterhalt mit Land- und Forstwirtschaft verdienen. Etwa ein Fünftel, so schätzt Peter Göttler, Geschäftsführer der Waldbauernvereinigung Dachau, gehört schon zu den "urbanen Waldbesitzern", Tendenz steigend. Viele von ihnen hätten weder Zeit noch Wissen, um sich effektiv zu kümmern. Hier wollen die Waldbauernvereinigung (WBV) und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in die Bresche springen. Das Angebot reicht von der Beratung bis hin zum "Rundum- sorglos-Paket" in Form eines Waldpflegevertrags, bei dem die WBV den jeweiligen Wald treuhänderisch verwaltet.

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