Szenische Lesung mit Musik:Still, Weib!

Eine Lesung über die Komponistin Clara Schumann dokumentiert die bestürzende Ignoranz, mit der man Künstlerinnen im 19. Jahrhundert begegnete. Dabei spielten die Ehemänner oft eine unrühmliche Rolle

Von Adolf Karl Gottwald

"Clara Schumann und ihre Zeit" war der Titel einer Veranstaltung, die der Kulturförderkreis Petershausen zum 200. Geburtstag von Clara Schumann, aber auch zur Erinnerung an 100 Jahre Frauenwahlrecht in Bayern präsentiert hat. Sie wurde schlicht und bescheiden als "eine szenisch-musikalische Lesung" angekündigt. Weniger bescheiden, aber realistischer hätte es heißen müssen "eine ungeheuer lange Lesung mit verteilten Rollen, dazu Einblendungen geeigneter Musikstücke". Schon ein erster Blick auf das Programmheftchen hätte zeigen können, dass es an diesem langen Abend nicht bei Clara Schumann bleiben würde, sondern Fanny Hensel (Mendelssohn) und Alma Mahler-Werfel auch noch berücksichtigt werden.

Der 200. Geburtstag von Clara Schumann war Anlass für einen Abend, der sich zwar in erster Linie ausführlichst mit ihrer Biografie beschäftigte, dessen eigentliches Thema aber der Stellung der Frau als Künstlerin und gar noch als Komponistin im 19. Jahrhundert war. Die vielleicht etwas überspitzt klingende Formulierung "gar noch" deutet darauf hin, dass in dieser Zeit (und noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein) Frauen ausschließlich ihre Rolle als Hausfrauen und Mütter zu akzeptieren und nicht sich in die allein dem Manne zustehende schöpferische Tätigkeit des Komponierens zu mischen hatten. Das wurde in drei Stunden (einschließlich Kampf mit der Technik und Pause) in größter Ausführlichkeit, aber auch geradezu bestürzender Eindringlichkeit gezeigt.

Am ausführlichsten wurde das Leben von Clara Schumann dargestellt. Nicole Friedl erzählte detailgenau von Claras Kindheit unter dem strengen Vater Friedrich Wieck, über die Liebe zum Komponisten Robert Schumann, ihre schreckliche Ehe mit diesem abscheulichen Tyrannen bis zu ihrer Begegnung mit Johannes Brahms und ihrem Tod - 40 Jahre nach Robert Schumanns Ende.

Ursulas Deuker las, akustisch oft nur schwer zu verstehen, alle Briefstellen und schriftlichen Aussagen von Clara Schumann, Tilmann Kempf alle Männerstimmen, also die des Vaters Friedrich Wieck, des tyrannischen Ehemanns Robert Schumann, des verliebten Bewunderers Johannes Brahms, später auch noch Felix Mendelssohns als Bruder und Maler Hensels als wohlmeinenden Ehemann von Fanny Hensel und zuletzt auch noch von Gustav Mahler, dem ersten Mann von Alma Mahler (später Alma Mahler-Werfel), der als typischer Macho seiner Frau das Komponieren schlichtweg verboten hat. In dieser Rolle ist Gustav Mahler eigentlich nicht bekannt, aber sein Ausspruch "Bevor nicht der erste Mann ein Kind bekommt, darf keine Frau ans Komponieren denken" sagt eigentlich schon genug aus. Nicht ganz so drastisch, aber deutlich und entwürdigend genug hat sich Arthur Schopenhauer ausgedrückt und den Frauen jegliche Fähigkeit zu schöpferischer Betätigung abgesprochen. Man sieht, die Philosophie (zu deutsch: Liebe zur Weisheit) schützt nicht vor Torheit.

Das Verhältnis Robert und Clara Schumann wurde (und wird zum Teil noch heute) als romantische Liebe und Ehe dargestellt, die der böse Vater Wieck so lange verhindert habe wie er konnte. Heute sieht man das anders. Wieck hatte Robert Schumann durchschaut und wollte seine Tochter schützen. In Petershausen hörte man, wie Robert Schumann nach der Eheschließung Clara nur noch als liebendes Weib sehen wollte, die ihm ihr eigenes Künstlertum restlos aufzuopfern hat. Der fast dreistündige Abend hatte viel Zeit, Schumanns Schikanen, die ihr die Ausübung ihres Berufs als Pianistin unmöglich machen sollte, darzustellen.

Als an diesem Abend Robert Schumann endlich in der Heilanstalt Endenich verstarb, war es bereits halb zehn Uhr. Es hätte gereicht. Aber nach der Pause wurde noch das Verhältnis Clara Schumanns zu Johannes Brahms in aller Ausführlichkeit dargestellt. Clara Schumann hat fast alle Briefe von Brahms vernichtet. Darüber war man in Petershausen recht froh, denn sonst hätte man diese Briefe auch noch vorgelesen bekommen. Wir kürzen ab, denn es gilt auch noch, die Musik dieses Abends wenigstens zu erwähnen.

Leider erfuhr man über die Bedeutung des kompositorischen Schaffens der drei unterdrückten Komponistinnen nur wenig. Clara Schumann hat es immerhin auf 23 veröffentlichte Opera gebracht, Fanny Hensel gar auf 400 Werke. (Das erfuhr man im April in Karlsfeld beim Karlsfelder Sinfonieorchester.) In Petershausen spielte die Pianistin Angela Grau zwei Klavierstücke, einen Satz aus dem Klavierkonzert und, zusammen mit Eugen Tluck (Violine) und Marie-Therese Daubner (Violoncello), einen Satz aus dem Klaviertrio von Clara Schumann. Außerdem begleitete sie Anna Maria Bogner bei vier Gesängen mit virtuoser Klavierbegleitung. Später hörte man von Clara noch eine Romanze für Geige und Klavier (Eugen Tluck und Barbara Blickle) und einen kurzen Marsch für Orchester (Petershausener Kammerorchester). Das waren - alles überzeugend vorgetragen - immerhin erste Einblicke in ein Komponieren, das an der zeitgenössischen Kompositionsweise etwa von Robert Schumann orientiert ist.

Fanny Mendelssohn-Hensel kam schlechter weg. Ihr "Schwanenlied" war zu wenig, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, und ein vom Petershausener Kammerorchester gespielter Streichquartett-Satz sagte auch nicht viel. Am wenigsten überzeugte das Lied "Laue Sommernacht" von Alma Mahler. Aber insgesamt war dieser lange, lange Abend um Clara Schumann eine Riesenleistung des Kulturförderkreises Petershausen, das heißt vor allem anderen von seiner Vorstandsvorsitzenden, der Regisseurin, Bratschistin und Pianistin Barbara Blickle.

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