SZenario:Veilchenduft und Giftgas

SZenario: Vincent Laenen testet den Turnschuhgeruch "I love my sneakers".

Vincent Laenen testet den Turnschuhgeruch "I love my sneakers".

(Foto: Toni Heigl)

Die Geruchsaustellung in der KVD-Galerie fordert die Besucher

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Chanel No. 5 wär ihm lieber als der Schweißgeruch alter Turnschuhe, sagt Landrat Stefan Löwl. Mit der säuerlichen Holznote eines Barrique-Fasses und dem herben Duft von Pfeifentabak, die unter zwei anderen Glasglocken hervorströmen, kann er schon eher etwas anfangen. "Das passt besser zu einem Glas Wein", sagt er und nippt. Der Erkenntnis, dass Gerüche mit Worten deutlich schwieriger zu beschreiben sind als Bilder, schließt sich auch Oberbürgermeister Florian Hartmann an. Man müsse allerdings der Nase nach spätestens fünf Geruchsproben eine Pause gönnen, sonst rieche man rein gar nichts mehr, sagt Hartmann. So ergeht es vielen Besuchern auf der Vernissage von Camilla Nicklaus-Maurer. Neugierig heben sie die Glasglocken und schnuppern den Duft, der aus einer kleinen Öffnung im Tisch strömt. Aber schon nach wenigen Stationen muss man die Nase aus der Fährte nehmen, um das Gehirn für neue Sinneseindrücke wieder frei zu machen.

In der renovierten KVD-Galerie zeigt die Grainauer Künstlerin Camilla Nicklaus-Maurer ihre Ausstellung "Es ist angerichtet!" mit einer Präsentation von 13 verschiedenen, sehr speziellen Gerüchen, die sie in den letzten Jahren gesammelt hat. Alle haben eine bestimmte Bedeutung und beziehen sich auf den Ausstellungsort. Zum Glück wird das Riechexperiment nicht - wie so oft auf früheren Vernissagen der Fall - durch den Essengeruch aus der angrenzenden Gastronomie gestört. Erstens ist diese unter der neuen Pächterin noch nicht wieder eröffnet, und zweitens wurde die Bodenrinne samt dem alten braunen Fliesenbelag entfernt und durch einen neutralen grauen Boden ersetzt. Die neuen, eingezogenen weißen Stellwände beruhigen den Raum mit den fächerartigen Oberlichten wohltuend. In dieser sachlichen Atmosphäre wirkt die lange U-förmig angeordnete Tafel mit den hohen Glashauben nicht wie ein Festbankett, sondern eher wie eine Versuchsanordnung im Labor.

Die sachlich gestalteten Plakate an der Wand mit den Erläuterungen zu jeder einzelnen olfaktorischen Installation verstärken den wissenschaftlichen Charakter. Und das Tischtuch ist so clean, dass niemand sich traut, sein Glas darauf abzustellen. Die Konzentration der vielen Vernissage-Besucher auf die markanten Geruchsinstallationen wird allenfalls durch Smalltalk gestört. "Ich habe noch nicht mal angefangen", antwortet Andreas Kreutzkam auf die Frage, wie er die Düfte so findet, einhalbe Stunde nach der Eröffnung.

Die Überraschung gelingt immer: "Aha, so riecht das also!", sagt Florentine Kramer an der Station "Bibergeil" mit dem seltenen Duft aus dem Sekret des Bibers. Wenig differenzierbar ist hingegen Hopfenduft, ebenso ein kubanisches Herrenparfum namens "Un-Toque", dessen Flakon die Form einer Handgranate hat. Maiglöckchen und Vanille sind beliebt. Die harzigen Tannennadeln - Landrat Löwl erinnern sie an einen Saunaaufguss - und der Weihrauch haben hohen Wiedererkennungswert. Spätestens an der Station "Feldpost", die Giftgas aus dem Ersten Weltkrieg assoziiert, weicht die Fröhlichkeit der Irritation: "Was ist denn das?" Der Moment des Erschreckens folgt beim Geruch von "I love my sneakers". "Das ist mit Abstand der schlimmste Geruch", sagte der Student Vincent Laenen. Die Sinne werden in dieser Ausstellung extrem gefordert.

"Riechen ist für das Hirn eine Höchstleistung, ähnlich wie ein Marathonlauf", erklärte der KVD-Vorsitzende Johannes Karl. Für die schwangere Daniela Coutu sind die olfaktorischen Extreme zwischen Duft und Gestank kein Problem. Die Augsburgerin sagt: "Ich bin ein Fan von Camilla Nicklaus-Maurer". Annekathrin Norrmann findet die Ausstellung im Sinne eines erweiterten Kunstbegriff spannend, persönlich aber schwierig, denn "Gerüche stören mich generell". Im Lauf des Abends vermischen sich die Gerüche aus den Glasglocken in der Galerie-Luft immer mehr und erinnern an muffige Socken. So witzelt denn auch ein anderer Künstler über aufkommende Kopfschmerzen: "Chateau Migräne". Da stehen die meisten Besucher schon im Freien, um frische Luft zu schnappen.

Die Ausstellung geht noch bis 24. April.

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