Szenario:Großer Andrang in der Kreiskunstbehörde

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Landrat Stefan Löwl und Agnes Jänsch enthüllen das neue Kunstwerk. (Foto: Toni Heigl)

Die zweite Veranstaltung der "Galerie Landratsamt" lockt etwa 180 Besucher an

Von Gregor Schiegl, Dachau

So funky hat man das Landratsamt Dachau noch nie gesehen. Blaue und rosa Scheinwerfer illuminieren die Rauputzfassaden. Drinnen herrscht riesiges Gedränge. An die 180 Besucher sind der Einladung in die "Galerie Landratsamt" gefolgt. Auf drei Etagen hängt eine Auswahl der Kunstschätze, die die Behörde über die Jahre angekauft hat: filigrane Zeichnungen von Heiko Klohn, farbmächtige Gemälde des 2016 verstorbenen Ben Jakov (Max Mannheimer), außerdem Skulpturen, Fotografien. Dazwischen stehen Tische mit Häppchen und Getränken. Der Wein ist gut, die Stimmung auch, alle sind ein bisschen überdreht.

Es ist nicht so, dass diese Ausstellung etwas Außerordentliches wäre. Die Bilder hängen das ganze Jahr über in den Fluren des Verwaltungsbaus, wobei die Hängung nur einen winzigen Bruchteil des Bestandes ausmacht; in den Kellerräumen lagern etwa 3000 teilweise schon historische Gemälde. "Die Förderung der Kunstszene ist dem Landkreis besonders wichtig", sagt der Gastgeber, Landrat Stefan Löwl (CSU). Jedes Jahr gibt der Kreis eine mittlere fünfstellige Summe für den Ankauf von Kunst aus. Der Dachauer Maler und Architekt Tadeusz Stupka hat seinen Tablet-Computer dabei und zeigt Visualisierungen, wie schön dieser oder jener noch leere Flur im Landratsamt aussähe, hing dort noch eines seiner eindrucksvollen Werke.

Dieser Abend ist ein wilder Mix aus Vernissage, Social Event und Kontaktbörse. Die örtliche Kunstszene ist prominent vertreten: KVD-Chef Johann Karl ist da, Monika Siebmanns, Klaus Herbrich, Heiko Klohn, Herbert Plahl, Ralf Hanrieder und noch einige mehr; in dem Getümmel verliert man schnell die Übersicht. Dazu gesellen sich diverse Kreispolitiker, auch einige Gäste der vorangegangenen Feier für die Ehrenamtlichen sind für die Vernissage da geblieben. Eingeladen hat das Landratsamt zudem Vertreter von Handwerk, Mittelstand und Banken, die können den Künstlern ja auch mal etwas abkaufen.

Das Gute am Atelier Landratsamt ist, dass es unterm Jahr den Besuchern des Landratsamts Gelegenheit gibt, die erstaunliche Vielfalt und das insgesamt doch recht beachtliche Niveau der örtlichen Kunstszene kennenzulernen und zwar auch den Bürgern, die sonst keinen Fuß in ein Atelier oder eine Galerie setzen würden. Diese niederschwellige Kunstvermittlung funktioniert in der Praxis allerdings nicht ganz so gut, wie die Idee klingt. Elisabeth Boser, Vorsitzende des Zweckverbands Dachauer Galerien und Museen, konstatiert, dass es die Kunst in dem Siebzigerjahrebau mit seinen quietschorangenen Türen "nicht ganz leicht" habe. Das weiß Löwl selbst: "Wir sind eben kein Museum. Das ist ein Verwaltungsgebäude."

Das Bekenntnis zur Kunst kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kreativen mit Nöten zu kämpfen haben, für die die Politik keine oder nur unzureichende Lösungen präsentieren kann: Es fehlen Ateliers und Räume, um die eigenen Arbeiten angemessen zu präsentieren. Vor allem fehlen die Käufer, was auch einem verkümmerten Kunstbewusstsein zuzuschreiben ist: Warum das Werk eines mäßig berühmten Malers für eine vierstellige Summe kaufen, wenn man einen dekorativen Klimt-Kunstdruck für 29,90 Euro im Online-Handel bestellen kann?

Erfreulicherweise werden an diesem Abend gerade jene Künstler gepusht, die sonst nicht so im Rampenlicht stehen: In Kurz-Interviews stellt der Radiomoderator und Musiker Sascha Seelemann den Maler Richard Wurm vor, die Fotografin Lilly Karsten und nicht zuletzt Agnes Jänsch, deren Foto-Kunstwerk an diesem Abend vor dem staunenden Publikum enthüllt wird: Es zeigt eine Tischrunde im Kleinen Sitzungssaal des Landratsamts. Eine besorgt wirkende Dame im Business-Outfit betrachtet eine Nachricht, die ein junger Mann ihr reicht, beobachtet von einem breitschultrigen Kollegen. Es gibt noch weitere Figuren in diesem Setting, mit echten Mitarbeitern des Landratsamts und einem geschmückten Christbaum. Wirklich auflösen lässt sich dieses Szenario nicht, aber es lädt ein zum fröhlichen Spekulieren. "Das ist wie ein Film mit einem einzigen Bild", erklärt Agnes Jänsch.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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