SZ-Talentiade:Und jetzt vielleicht 49,50 Meter

SZ-Talentiade: Maxime Kirschner aus Karlsfeld will bald ihren deutschen Meistertitel im Speerwurf verteidigen.

Maxime Kirschner aus Karlsfeld will bald ihren deutschen Meistertitel im Speerwurf verteidigen.

(Foto: privat/oh)

Maxime Kirschner ist 16 Jahre alt und eine der großen Nachwuchshoffnungen im Speerwurf. Sie lebt in Karlsfeld, geht ans Josef-Effner-Gymnasium in Dachau und träumt von der Qualifikationsweite zur U 16-WM in Nairobi

Von Horst Kramer, Karlsfeld

Es fehlte nur ein Millimeter, vielleicht zwei, die Maxime Kirschner, vor einem Jahr 15 Jahre alt, mit dem langen Stab höher springen müsste, um als Speerwerferin an den deutschen U 16-Meisterschaften in Bremen teilnehmen zu können. Wie bitte? Eine Speerwerferin muss sich als Stabhochspringerin beweisen, damit sie in ihrer Spezialdisziplin starten kann? Klingt verrückt, ist aber so in den Regularien des DLV festgeschrieben.

Einen Versuch hatte die junge Leichtathletin noch: Nervös lief sie an - und irgendwie schaffte sie es, sich über die auf 2,52 Meter liegende Stabhochsprunglatte zu schlängeln. Die Qualifikation für die deutsche Meisterschaft war geschafft. Die Pointe an dieser Geschichte: Sechs Wochen später, Anfang August, wurde Maxime - die alle nur Maxi nennen, auch ihre Mutter Roswitha - deutsche U 16-Meisterin im Speerwurf.

Dieser Stabhochsprung war einer der wenigen kritischen Momente in der ansonsten steil nach oben weisenden Sportkarriere der Karlsfelderin. Sie ist zur SZ-Talentiade vorgeschlagen und gilt als eine der großen deutschen Nachwuchshoffnungen in der Leichtathletik. Ein Moment, aus dem sie eine Lehre gezogen hat: "Wenn ich ein Ziel zu verbissen anstrebe, verkrampfe ich. Mit dem Kopf durch die Wand - das funktioniert nicht." Mit einem hintersinnigen Grinsen setzt die Gymnasiastin hinzu: "Am besten ist es, an gar nichts zu denken und einfach zu machen." So wie bei den Deutschen Meisterschaften. "Ich bin da mit meinen Eltern ohne große Erwartungen hingefahren."

Claus Fiebig, ihr Trainer beim TSV Eintracht Karlsfeld, habe ihr geraten, locker zu bleiben. "Wenn ich in die Endrunde der besten Acht käme, wäre das schon ein großer Erfolg." Eine Stunde vor dem Wettkampf öffnete der Himmel alle Schleusen, es goss in Strömen. Mit deutlicher Verspätung ging es los, alle waren genervt. Maxi war als Erste an der Reihe. Dynamischer Anlauf, locker aus Bein, Rücken und Schulter (wie im DLV-Video zu sehen ist) - das Wurfgerät segelte und segelte und blieb schließlich bei 45,73 Meter stecken. Fünf Meter weiter als ihr bis dahin bester Wurf! Die Konkurrenz war schockiert.

Die große Favoritin Lea Wippke aus Leipzig rückte im zweiten Durchgang immerhin noch bis auf 45,19 Meter heran, konnte die Karlsfelderin aber nicht weiter gefährden. Ganz nebenbei hatte Maxi einen neuen bayerischen Rekord für U 16-Speerwerferinnen aufgestellt; satte 3, 31 Meter weiter als die alte Marke. Was die frisch gebackene Meisterin allerdings nicht weiter kümmerte. Im Gegensatz zu den TV-Kameras im Stadion und den Reportern und Reportern: "Die sind mit diesen Puschel-Mikros rumgelaufen sind. Das fand ich richtig cool", erinnert sie sich und muss schmunzeln.

Der Wurf zur deutschen Meisterschaft war keine Eintagsfliege, sondern die logische Konsequenz zweier Jahre akribischer Trainingsarbeit. Fiebig hatte das Wurftalent der gelernten und weiterhin aktiven Handballerin entdeckt und gefördert. Im vergangenen Jahr wurde sie erst Oberbayerische Vizemeisterin bei den U 18-Juniorinnen mit 38,38 Metern, kurz darauf gewann sie Bronze beim bayerischen U 18-Championat mit 40,66 Metern. Mittlerweile war auch der Münchner BLV-Stützpunkttrainer Korbinian Mayr auf Maxi aufmerksam geworden und hatte sie unter seine Fittiche genommen.

Der Titel hatte die Zehntklässlerin am Dachauer Josef-Effner-Gymnasium wohl beflügelt: Im Herbst siegte sie bei einem Bundesländer-Vergleichswettkampf in Ludwigsburg mit 44,66 Meter. Und ausgerechnet im eiskalten Januar verbesserte Maxi ihre Bestleistung bei den bayerischen Winterwurfmeisterschaften auf 46,11 Meter und wurde Meisterin.

Der Rekord hielt allerdings nur bis zum Münchner Abendsportfest am 10. Mai, als sie ihre 500-Gramm-Gerät auf 47,03 Meter schleuderte. Die Norm für die U 18-Deutsche Meisterschaft von 44 Meter hat sie damit locker erfüllt. Doch ganz heimlich träumt Maxi einen anderen Traum: den von der Teilnahme an der U 18-Weltmeisterschaft in Nairobi. Dafür müsste sie allerdings 49,50 Meter werfen. Wäre das überhaupt im Bereich des Möglichen? "Keine Ahnung", Maxi zuckt mit den Schultern, sie will sich offensichtlich nicht unter Druck setzen. Ein Gedanke blitzt ihr durch den Kopf: "Wenn ich zur WM könnte, wäre ich zwei Wochen von der Schule freigestellt - das wäre richtig cool!"

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