SZ Talentiade:Die Charmeoffensive

Sturmkicker Niederroth Talentiade 2017 Inklusion Fußball

Helmut Graf und seine Sturmkicker.

(Foto: Horst Kramer/oh)

Die Sturmkicker werben für ein Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen

Es war, nüchtern betrachtet, bloß das Vorspiel zum wichtigen Sparkassencup-Finale. Aber für die Fußballer der Sturmkicker ist dieses Ereignis eine Sensation, ein emotionaler Höhepunkt in ihrem Leben. 300 Zuschauer waren nach Niederroth gekommen, ein wichtiges Spiel also. Dementsprechend engagiert traten die Buben auf. Zur Freude des sachkundigen Publikums. Es gilt nämlich eine alte Regel: Jeder, der selbst einmal gegen den Ball trat, hat einfach Spaß, Kindern beim Kicken zuzuschauen. Als die jungen Niederrother schließlich das Feld verließen, war der Beifall riesig. Glühend vor Stolz und hoch erhobenen Hauptes schritten sie zur Kabine.

Die Sturmkicker sind ein Inklusionsteam, ein Großteil der Kinder und Jugendlichen, die zwischen acht und 16 Jahren alt sind, ist mit einer geistigen Behinderung auf die Welt gekommen. Aber das war während des Matches allen egal. Nicht nur den Akteuren, sondern auch ihren neuen Fans. "Genau darum geht es uns", erklärt Manuela Knöferl-Graf, die ihren Mann und dessen Kollegen als Betreuerin unterstützt. "Wir wollen die Kinder aus ihrer Ecke herausholen."

Manuela Knöferl-Graf und Helmut Graf kennen diese Welt, die sie Ecke nennen. Denn ihr zwölf Jahre alter Sohn Bastian ist ein Kind mit Down-Syndrom. Sie kennen auch die andere Welt, denn Bastian hat einen älteren, nicht-behinderten Bruder, Tim, 13, ein begeisterter und talentierter Fußballer. Helmut Graf trainierte vor fünf Jahren Tims Team beim SV Niederroth. Bastian war zwar beim Üben dabei, bei Ligaspielen hingegen nur selten. Schließlich ging es um Punkte, also um Erfolg. Man merkte Knöferl-Graf an, dass sie dieses Argument nicht überzeugt. Damals nicht und auch heute nicht. Deshalb gründeten sie und ihr Mann die Sturmkicker.

Helmut Graf unterbricht das Übungsspiel (bei dem er in einem der Tore stand): "Trinkpause!" Manche der Buben erzählen indes lieber von ihren Fußballer-Abenteuern. Leon, elf Jahre alt, erzählt zum Beispiel stolz, dass er eben zwei Ecken getreten habe. Daniel, 13, lässt sich für einen Treffer feiern. Markus, 15, zeigt einen Pokal, den das Team kürzlich gewonnen hat: "Ein Wanderpokal", erläutert er fachmännisch. Ahmed, 12, ein schneller Dribbelkünstler, betont, dass er immer beim Training dabei sei: "Das ist das Beste in der ganzen Woche!" Christoph, 16, widerspricht: "Das Beste sind die Spiele."

Die Sturmkicker nehmen an einer Punktspielrunde mit anderen Inklusionsteams teil, die vom Bayerischen Fußballverband unterstützt wird. Im vergangenen Jahr hat der Verband zudem eine Mini-EM ausgerichtet. Gespielt wurde in der Allianz-Arena. Knöferl-Graf erinnert sich: "Das war schon ein Gänsehautgefühl, als die Buben aus den Kabinen der Profis auf den Rasen der Arena traten."

Barbie Baumgartner, deren Sohn Florian seit den Anfängen bei den Sturmkickern dabei ist, lobt die Arbeit der Grafs und ihrer Assistenten in bewegten Worten: "Die Kinder blühen hier richtig auf!" Zum Beispiel Leander, ein Elfjähriger mit leichtem Autismus. "Am Anfang stand er nur neben dem Feld, inzwischen macht er bei den Spielen richtig mit", freut sich seine Mutter. Egal, ob Verteidiger oder Mittelläufer. Sie alle fühlen sich als eine Sturmspitze für mehr Anerkennung von behinderten Menschen. Sie sind die Charme-Offensive.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: