SZ-Talentiade:Auf dem Weg nach ganz oben

Talentiade 2017 Christoph Wutz Schiedsrichter Fußball

Schiedsrichter-Hoffnung Christoph Wutz.

(Foto: Horst Kramer)

Nominiert für die SZ Talentiade: Der 16-jährige Christoph Wutz vom SV Inhauser Moos pfeift als Schiedsrichter Erwachsenen-Fußballspiele mit viel Gelassenheit

Von Horst Kramer, Haimhausen

Zu den Charaktereigenschaften eines Schiedsrichters, zumal im Fußball, gehört wohl ein gehörig Maß Gelassenheit. Wenn irgendein Hitzkopf mit knallroter Birne auf einen Unparteiischen zugerannt kommt und mit unmissverständlichen Worten zum Ausdruck bringt, was er von dessen jüngsten Entscheidung hält, sind gute Nerven gefragt. Und ein Pokerface, dem keine Gemütsregung anzusehen ist. So wie das des 16-jährigen Christoph Wutz. Beim Fototermin wird der Nachwuchs-Referee gebeten, eine strenge Miene zu zeigen. Es folgt die Bitte nach "einem freundlichen Gesicht". Das Ergebnis: fast identisch - außer dass der rechte Mundwinkel vielleicht ein kleines bisschen nach oben gezogen ist. Darauf angesprochen, setzt Christoph einen Gesichtsausdruck à la Buster Keaton auf: "Ehrlich gesagt, kenne ich den Unterschied nicht." Und muss dann doch lachen.

Sportliche Begabungen sind in der Regel einfach zu erkennen - egal, ob es um Ballsportler, Leichtathleten, Skifahrer oder Schwimmer geht: Sie beherrschen nach sehr kurzer Anlernzeit Bewegungsabläufe, für die andere Jahre üben müssen. Bei Schiedsrichter-Talenten ist die Sache deutlich komplexer. "Ein Referee muss ein Spiel lesen können", beschreibt Willi Schuster, der Obmann der Schiedsrichtergruppe Dachau/München-Nord die Kernkompetenz. Er meint damit nicht die Fertigkeit, taktische Schwächen oder Stärken eines Teams während einer Partie zu erkennen, sondern die Befähigung, die Stimmung aller Beteiligten richtig einschätzen zu können. "Dafür hatte Christoph von Anfang an ein Gespür", sagt Schuster.

Der Teenager hat erst vor gut zwei Jahren das erste Mal eine Pfeife und die bunten Karten in der Hand gehalten. Eigentlich wegen einer nicht ganz ernst gemeinten Wette mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Sebastian, der damals als Nachwuchs-Referee aktiv war. Christophs Angebot: "Wenn Du Obmann in irgendeinem Verein wirst, dann werde ich auch Schiedsrichter." Kurz darauf musste er die Wette tatsächlich einlösen. Der damals 14-Jährige nahm die Sache sportlich und belegte einen achttägigen Einführungskurs beim Bayerischen Fußballverband: "Die Regeln genau zu kennen, ist sicherlich nicht verkehrt." Zumal er selber beim SV Inhauser Moos im Landkreis Dachau kickt.

Nun pfeift Christoph auch für seinen Heimatverein. In den vergangenen zwei Jahren hat der Gymnasiast (Berufsziel: Lehramt Sport und Geschichte) 148-mal das Schiedsrichter-Dress angehabt, inklusive der winterlichen Hallenspiele und seinen Einsätzen an der Seitenlinie - Christoph pfeift sowohl Nachwuchs- als auch Erwachsenenpartien; bei Vorbereitungspartien höherklassiger Teams, wie des Landesligisten ASV Dachau, gab er auch schon den Assistenten. Schuster kommentiert trocken: "Nur wer viel pfeift, lernt viel."

Die Sache mit dem Talent zeigte sich ziemlich früh. Deswegen wurde er schnell dem Herrenbereich zugeteilt - eine besondere Herausforderung für einen durchschnittlich großen, drahtig-schmalen Jugendlichen. Wie er vor einem Jahr bei einem B-Klassen-Match zwischen dem SV Riedmoos II und dem FC Kollbach erleben musste. Die Stimmung war gespannt, Riedmoos kämpfte gegen den Abstieg, Kollbach hoffte auf den Aufstieg. Die Erwachsenen nahmen den jungen Mann wohl nicht ernst, weder die auf dem Spielfeld, noch die daneben. "In solchen Situationen muss man sich mit Karten hocharbeiten", sagt Christoph. Er zückte sechsmal das gelbe Plastikkärtchen, einmal den Ampelkarton, sprach zudem einen Elfmeter aus. "Kurz vor Schluss hätte ich auch noch den Kollbacher Keeper vom Platz stellen können, doch dann wäre die Stimmung vermutlich gekippt", erinnert sich das Schiedsrichtertalent. "Situatives Handeln!", lobt Schuster. Nicht dass Christoph Angst gehabt hätte. Vielleicht, weil er der rauen Sportart Handball nachgegangen ist (beim ASV und TSV Dachau) und seit einigen Jahren Karate erlernt? "Nein, das hat damit nichts zu tun. Die wollen ja alle Fußball spielen und wissen, wenn sie einen Unparteiischen anfassen, gibt es drastische Strafen", formuliert er seine prinzipiell optimistische Weltsicht. Wutz wurde in Riedmoos übrigens vom Schiedsrichterfunktionär Andreas Hitzlsperger beobachtet, der einige Jahre zuvor von seinem Obmann-Amt aus Protest vor der allgemeinen Verrohung auf den Fußballplätzen zurückgetreten war. "Er lobte mich nach dem Match", berichtet Christoph, nicht ohne leisen Stolz.

Auch Schuster ist voll des Lobes: "Christoph ist auf einem sehr guten Weg. Wenn er dran bleibt, kann es weit nach oben gehen." Hat der junge Schiedsrichter auch selber entsprechende Ambitionen? "Klar will ich weiterkommen", antwortet er knapp. "Doch was daraus wird?" -"Keine Ahnung." Und setzt dabei sein schiedsrichtermäßiges Pokerface auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: