SZ-Serie: Sagen und Mythen, Folge 19:Der Schatz im Kuchelholz

Der Volksheld und Wilderer Matthäus Klostermair, bekannt als Boarischer Hiasl, soll sich im Wald beim Jexhof versteckt haben. Als er fliehen musste, ließ er der Sage nach seine reiche Beute in einem hohlen Baum zurück

Von Peter Bierl, Schöngeising

Zu Lebzeiten hat er Wildhütern und Jägern arg zugesetzt, der Matthäus Klostermair. Am Ende brachten die Schergen den Wilderer doch zur Strecke. Der Henker erdrosselte den Hiasl am 3. September 1771 auf dem Schafott in Dillingen. Sein Körper wurde gerädert und gevierteilt, der Kopf abgeschlagen. Die Einzelteile stellte man öffentlich zur Schau. Bloß sein sagenhafter Schatz und die Höhle beim Jexhof wurden nie gefunden.

Das Kuchelholz liegt im Süden des Jexhofs, etwa einen Kilometer entfernt. In Richtung Wörthsee steigt das Waldgebiet an. Es ist mit Buchen und Fichten bestanden, mal lichter und mal dichter. Das Unterholz sprießt stellenweise üppig zwischen den Stämmen. Das Gelände prägen mitunter recht steile Hügel und große, tiefe Mulden, ideal für Versteckspiele. Früher war es ziemlich still, man hörte bloß die Spechte klopfen, oder es knackte irgendwo ein Ast. Heute liegt der Lärm der Lindauer Autobahn als permanentes Hintergrundrauschen über dem Forst, wo einst der Boarische Hiasl mit seiner Bande gehaust haben soll.

Seine grausame Hinrichtung und die Zurschaustellung der Leichenteile zu Dillingen diente der Abschreckung, denn Klostermair war in der Bevölkerung beliebt. Der Hiasl und seine Bande überfielen Jäger und Beamte und nahmen ihnen Waffen und Habseligkeiten ab. Die Bauern schätzten den Wilderer, weil er ihre Felder schützte. Vom Wildbret und der Beute soll er den Armen abgegeben haben. In der Überlieferung wurde er zum bayerischen Robin Hood stilisiert.

Schon als Zwölfjähriger musste sich Klostermair, der 1736 in Kissing geboren wurde, im Schloss Mergenthau verdingen. Später war er dort Jagdgehilfe und Jagdaufseher bei den Jesuiten. Er verlor die Anstellung nachdem er einen Pater verspottet hatte, der auf der Jagd versehentlich eine Katze erlegt hatte. Damit begann das unstete Leben Klostermairs, auch wenn er sich zeitweise noch als Knecht verdingte. Um seinem Treiben ein Ende zu bereiten, sollte er 1761 in die kurbayerische Armee eingezogen werden. Klostermair setzte sich ins Schwäbische ab, wo er den Spitznamen Boarischer Hiasl bekam.

Sein Revier war fortan die Gegend südlich von Augsburg entlang des Lech, damals politisch ein Teil des Fürstbistums Augsburg, dass sich von der Donau bis ins Allgäu erstreckte. Einen Teil des Wildbrets verkaufte er an Gastwirte entlang der heutigen B 17 zwischen Augsburg und Landsberg, die ihm Unterschlupf gewährten, sagt Reinhard Jakob, der Leiter des Bauernhofmuseums Jexhof, wo Geschichte und Überlieferung des legendären Wildschützen vor einigen Jahren in einer Sonderausstellung behandelt wurden.

Erinnerung an den Hiasl

Die Sage von Hiasls Aufenthalt am Jexhof und dem versteckten Schatz findet sich erstmals in der Sammlung bayerischer Sagen des Schriftstellers und Lehrers Alexander Schöppner (1852). Darin heißt es, der Spitzbube habe sich mit seiner Bande eine Zeitlang in der Einöde mitten im Schöngeisinger Forst aufgehalten. Sie hätten in einer Höhle gehaust und von dort aus Bauernhöfe in der Umgebung überfallen. Als sie schließlich von der Obrigkeit verfolgt wurden, seien die Räuber geflohen und hätten "viele Schätze" hinterlassen. Einige Jahre später sammelte der Brucker Gerichtssekretär Franz Seraph Hartmann Dokumente und Aussagen zur Geschichte der Region. Er notierte auf einem undatierten Zettel, dass ein Waldhüter Karl Müller aus Schöngeising, der "im Kuchelschlage" ein Häuschen bewohnte, vom "bayerischen Hiesel" und seinen Taten gesprochen habe. In den Archiven findet sich ein Mann dieses Namens aus Schöngeising, der 1787 geheiratet und 1819 gestorben ist. Theoretisch hätte er in jungen Jahren den Hiasl erlebt haben können.

Der Begriff Kuchel wurde von Hartmann anscheinend als Küche gedeutet, und so ist von Wildschweinen, die dort gekocht wurden, die Rede. Dagegen interpretieren Flurnamenforscher heute den Begriff als Bezeichnung für eine einzelne Erhebung im Moor. Tatsächlich befindet sich in der Nähe das Moorgebiet Wildmoos. Mit Hartmann nahm es ein schlimmes Ende: Er betätigte sich als Hobbyarchäologe. Er grub bei Grafrath und Nannhofen, während des Eisenbahnbaus in Bruck, Schöngeising und Roggenstein. Weil ihn seine Passion in Geldnöte stürzte, brannte er 1882 mit der Kasse des Brucker Amtsgerichtes durch und erschoss sich eine Woche später auf dem Bahnhofsklo in Bregenz. bip

In der Folgezeit soll er sich zum charismatischen Anführer einer Räuberbande und Volkshelden entwickelt haben. Zumindest ließ sich der Hiasl in Kupferstichen verewigen. Der bekannteste zeigt "Mathias Clostermayr" in selbstbewusster Pose zusammen mit seinem wichtigsten Gefährten, einem Jungen, und dem großen Hund Tyras. In der Stube des Jexhof hängt heute ein Ölgemälde, das ein unbekannter Maler um 1770 nach dieser Vorlage fertigte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Fürstbischof von Augsburg bereits seine Truppen mobilisiert, um den Hiasl dingfest zu machen.

Der Sage nach wurden dem Hiasl und seinen Kumpanen der Boden zu heiß und sie zogen sich ins Ampertal zurück. Im Kuchelholz sollen sie Unterschlupf in einer großen Höhle gefunden haben. Angeblich überfiel die Bande den Jagd- und Forstaufseher vom Kloster Fürstenfeld, dessen Mönchen der Wald gehörte, und nahm ihm die Waffen ab. Anschließend fingen sie eine große Herde Wildschweine, zwangen den Aufseher, diese ordentlich zu mästen und ließen ihn zuschauen, als sie das Fleisch in der Höhle brieten und verspeisten. Schließlich soll eine große Truppe von Soldaten und Gendarmen die Bande aufgestöbert haben. Der Hiasl musste Hals über Kopf fliehen und versteckte seine ungeheueren Schätze in einer großen hohlen Tanne. Da sie herrenlos geworden waren, nahm sie der Teufel in Verwahrung und Schatzsucher traf später ein grausiges Schicksal. Sie versanken immer tiefer und sind vielleicht in der Hölle angelangt.

Jexhof

SZ-Grafik

Fest steht, dass der Hiasl in der Gegend war. Die Anklage in Dillingen warf ihm vor, in Wildenroth einen Wildhüter bedroht und einen anderen ausgeraubt zu haben. Gut möglich auch, dass er einen Streifzug durch das Kuchelholz gemacht hat. Vor etlichen Jahren pirschten Kreisheimatpfleger Toni Drexler und ein Förster mit einer Metallsonde den Wald. Sie fanden nur eine Armbrustspitze, wie sie allerdings im 18. Jahrhundert von Wilderern noch verwendet wurde. Bloß dass der Hiasl sich längere Zeit am Jexhof aufgehalten haben könnte, hält Jakob für ausgeschlossen. Es wäre viel zu auffällig gewesen, wenn sich eine Bande länger dort aufgehalten hätte. Obendrein wurde Hiasl auch in Kurbayern wegen seiner Taten gesucht. Ganz in der Nähe lag zudem ein Gehege, ein Hirschfang des Kurfürsten. "Es wäre ziemlich dreist gewesen, sich quasi vor dessen Augen niederzulassen", sagt Jakob. Er hält die Sage für Jägerlatein, das über Generationen weiter gegeben wurde.

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