Kommunalwahl in Vierkirchen:Einer für alle

Kommunalwahl in Vierkirchen: Im Vierkirchener Rathaus ist man Stolz auf die Streitkultur, die der Gemeinderat pflegt.

Im Vierkirchener Rathaus ist man Stolz auf die Streitkultur, die der Gemeinderat pflegt.

(Foto: Toni Heigl)

Harald Dirlenbach von der SPD ist unangefochtener Bürgermeister. In Vierkirchen gibt es keinen Gegenkandidaten. Aber im Gemeinderat wird sich einiges ändern, denn fast die Hälfte der Kommunalpolitiker tritt bei der Wahl nicht mehr an.

Von Jacqueline Lang, Vierkirchen

Wahlkampf? In der rund 4500 Einwohner starken Gemeinde Vierkirchen merkt man auf den ersten Blick kaum, dass in weniger als einem Monat auch hier die Kommunalwahl stattfindet. Das hat mehrere Gründe. Zum einen gilt: Plakatwände ja, Plakate an jedem freistehenden Baum nein. Anders als etwa in Dachau strahlen vorbeilaufenden Passanten daher nicht von überall die Gesichter der Kandidaten entgegen. Der Hauptgrund aber dürfte sein, dass in Vierkirchen streng genommen gar kein Wahlkampf geführt werden muss. Wer Bürgermeister wird, ist auch ohne offizielle Wahl längst beschlossene Sache: Harald Dirlenbach (SPD) ist der amtierende Rathauschef, und da er keinen Gegenkandidaten hat, wird er auch nach dem 15. März für weitere sechs Jahre im Amt bleiben.

Statt von Wahlkampf spricht der 48-Jährige deshalb von "Wahlbewerbungszeit", statt gegen die anderen Parteien Stimmung zu machen, sagt er, dass er überzeugt ist, dass alle der insgesamt 64 möglichen Gemeinderatskandidaten - von SPD, CSU, den Freien Wählern und der Freien Wählergemeinschaft Pasenbach (FWP) - "einen guten Job" machen werden.

Im aktuellen Gemeinderat sitzen sechs SPDler, fünf CSUler, zwei Freie Wähler und drei Mitglieder der Freien Wählergemeinschaft Pasenbach. Nachdem sieben Gemeinderäte nicht nochmals kandidieren, könnte sich das Kräfteverhältnis verschieben, in jedem Fall aber dürfte sich der Vierkirchener Gemeinderat aber verjüngen. Deshalb ist Dirlenbachs wichtigstes Anliegen für seine zweite Legislaturperiode auch nicht das Vorantreiben irgendeines Bauprojekts, sondern das Bewahren der besonders guten Streitkultur, die alle Gemeinderatsmitglieder miteinander seit vielen Jahren pflegen. In Vierkirchen sind alle stolz auf das "supergute Mitanand" - ganz ungeachtet, welcher Partei sie nun im Einzelnen angehören.

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Dirlenbach, ehemals Polizeibeamter, spricht deshalb auch ganz bewusst davon, was "wir" gemeinsam erreicht haben. Natürlich sind damit in erster Linie die im Café Paso anwesenden Parteigenossen gemeint, aber eben auch die übrigen Gemeinderäte. So habe man den Gehweg an der Dachauer Straße Richtung Feuerwehrhaus vorangetrieben, ebenso wie die Straßenbeleuchtung, die Umstellung auf Glasfaser werde noch dieses Jahr erfolgen und auch das Einheimischenmodell sei ein gemeinsames Ziel, auf das man hinarbeite - auch wenn dies natürlich voraussetze, dass die Gemeinde Grundstückeigentümer werde. Auf der Liste aller Parteien weit oben stehe auch der Radweg nach Schönbrunn und die Barrierefreiheit etwa im Rathaus. Aber, und auch das stellt Dirlenbach klar: Zwar gebe es vieles, was er gerne als Bürgermeister umsetzen wollen würde, aber aufgrund von Personalmangel, fehlenden Geldern und auch dem wachsenden Anspruchsdenken der Bürger werde es nicht einfacher werden. Nichtsdestotrotz ist für Dirlenbach das Amt des Bürgermeisters ein Traumberuf: "Es gibt kein anderes politisches Amt, dass so direkt etwas bewegt."

Ein paar Tage später am Telefon mit Harald Dirlenbach, dem Unangefochtenen: Ob er es nicht schade finde, dass es keinen Gegenkandidaten gebe? Natürlich sei es für den demokratischen Prozess grundsätzlich wünschenswert, wenn die Bürger Wahlmöglichkeiten hätten, aber der Umstand zeige eben auch, dass offenbar "keiner unzufrieden ist". Und als klar gewesen sei, dass es keinen Gegenkandidaten geben werde, habe er - im Sinne eines "gentleman's agreements" - sofort auf Listenplatz eins für den Gemeinderat verzichtet, um anderen eine Chance zu geben. Da von insgesamt 16 Gemeinderäten sieben nicht mehr antreten würden, sei es aber vielleicht sogar ganz gut, wenn der Bürgermeister derselbe bleibe und somit eine Konstante bilde.

Kommunalwahl in Vierkirchen: Die Zahl der Wahlplakate hält sich in der Gemeinde daher auch in Grenzen.

Die Zahl der Wahlplakate hält sich in der Gemeinde daher auch in Grenzen.

(Foto: Toni Heigl)

Einer, der bald als Neuling im Vierkirchener Gemeinderat sitzen könnte, ist Florian Drexler. Der 29-Jährige steht für die Freie Wählergemeinschaft Pasenbach auf Platz eins der Liste. Die drei bisherigen Gemeinderäte der Wählergemeinschaft, die sich nach der Gebietsreform 1972 formiert hat, hören alle auf und somit ist der Weg frei für eine neue Generation Pasenbacher, wenn auch nicht gleich an der Spitze der Gemeinde. Denn die FWP stellt zwar aktuell schon den zweiten Bürgermeister und viele, so Drexler, hätten ihn auch gefragt, ob er nicht seinen Hut in den Ring werfen und es als Bürgermeister probieren wolle, aber aus seiner Sicht ist es dafür noch zu früh - und mit dem amtierenden Bürgermeister sei man ohnehin zufrieden. Das zeigt sich auch daran, dass einige Mitglieder der FWP, unter ihnen Drexler, zur Wahlauftaktveranstaltung der SPD ins Café Paso gekommen sind und sogar extra von Bürgermeister Dirlenbach willkommen geheißen werden.

Sollte er in den Gemeinderat gewählt werden - wovon auszugehen ist, nachdem die FWP bislang drei Gemeinderäte stellt - sieht sich Drexler als Ansprechpartner für alle Vierkirchener, auch wenn natürlich der Ortsteil Pasenbach im Fokus stehe. Wie das konkret aussehen könnte? Ins Leben rufen möchte Drexler zum Beispiel einen "Tag der Vereine". Das Ehrenamt müsse gestärkt werden, denn bei vielen fehle die Verbindlichkeit. Zudem wüssten viele der neu Zugezogenen oft gar nicht, welche Möglichkeiten es überhaupt gebe. Drexler, der selbst vielseitig aktiv ist, möchte mit gutem Beispiel vorangehen - und kandidiert auch deshalb auf der FWP-Liste.

Kommunalwahl in Vierkirchen: Harald Dirlenbach (SPD) ist der unangefochtene Bürgermeister von Vierkirchen.

Harald Dirlenbach (SPD) ist der unangefochtene Bürgermeister von Vierkirchen.

(Foto: Toni Heigl)

Die Bäckereifachverkäuferin Ines Pönitz, 41, und der Rentner Johann Neubauer, 66, sitzen für die Freien Wähler Vierkirchen im jetzigen Gemeinderat. Einen Bürgermeisterkandidaten hat auch ihre Partei nicht ins Rennen geschickt. Warum das? Es habe schlicht keinen geeigneten Kandidaten gegeben, und auf einen "Wahlkrampf" habe man keine Lust, so Pönitz. "Große Sprünge" seien seit Jahren ohnehin nicht mehr drin. Alles, was man im Gemeinderat vorantreibe, sei schlichtweg notwendig, da sei es nur der "Vernunft geschuldet", zusammenzuarbeiten. Dass die Parteizugehörigkeit in Vierkirchen kaum eine Rolle spielt, davon sind deshalb auch Pönitz und Neubauer überzeugt - und froh darüber. Auf kommunaler Ebene handele es sich letztlich immer um eine Personenwahl: Weil ohnehin jeder jeden kenne und wisse, wofür die einzelnen Personen stehen, brauche es auch kein Wahlprogramm. Und tatsächlich steht im Wesentlichen bei allen vier Gruppierungen, die antreten, in etwa das Gleiche drin.

Dass das so ist, kann auch Thomas Merz, 50, im Grunde nicht von der Hand weisen. Der CSU-Ortsvorsitzende und Versicherungsfachwirt, der selbst für kein Amt kandidiert, ist dennoch enttäuscht, das der Bürgermeisterkandidat, den seine Partei ins Rennen schicken wollte, aus beruflichen Gründen letztlich absagen musste. Um wen es sich dabei gehandelt hat, sagt er nicht, aber das Zeichen, das allein durch die bloße Überlegung einer Kandidatur gesetzt wird, ist trotzdem klar: Kein Gegenkandidat bedeutet nicht zwingend, dass alle rundum zufrieden sind.

Kommunalwahl in Vierkirchen: Ines Pönitz und Johann Neubauer, die für die FW Vierkirchen aktiv sind ,überzeugt, dass es um Personen, nicht Parteien geht.

Ines Pönitz und Johann Neubauer, die für die FW Vierkirchen aktiv sind ,überzeugt, dass es um Personen, nicht Parteien geht.

(Foto: Toni Heigl)

Bei den großen Themen sei man sich schon einig, sagt Merz. Aber die Wege, die man wählen würde, um die Ziele zu erreichen, würden sich häufig unterscheiden. Dem Wähler sei das leider nicht immer so leicht zu vermitteln, weil nicht alle Gemeinderatssitzungen öffentlich seien. Die Vierkirchener CSU hofft deshalb, dass die Sitzungsprotokolle, wie versprochen, ab dem kommenden Jahr auf der Gemeindehomepage für die Bürger einsehbar sein werden. "Wir wollen eine offene, transparente Gemeindepolitik", sagt Merz. Daran, wie die Wahl im März ausgehen wird, dürfte das im Wesentlichen nichts mehr ändern, Merz hofft für seine Partei aber immerhin auf einen Gemeinderatssitz mehr und damit statt der aktuell fünf Sitze auf sechs - weil die Parteizugehörigkeit und die damit einhergehenden Machtverhältnisse eben doch nicht allen ganz egal sind.

Der Countdown zur Kommunalwahl am 15. März läuft. Wie sind die politischen Gegebenheiten im Landkreis Dachau? In einer Serie nimmt die SZ Dachau jede der 17 Kommunen gesondert in den Blick.

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