SZ-Schulratgeber:Unterricht auf der Baustelle

SZ-Schulratgeber: Benjamin schneidet mit Installateur Olaf Köntopf Leerrohre für die Heizung zu.

Benjamin schneidet mit Installateur Olaf Köntopf Leerrohre für die Heizung zu.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Achtklässler der Indersdorfer Mittelschule sanieren gemeinsam mit Handwerkern das marode Lehrerhaus in Niederroth. Die Schüler lernen die Arbeitswelt kennen und erhalten Einblick in viele Berufe.

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Auf der Baustelle geht es rund. Im ganzen Haus wuseln jugendliche Arbeiter herum, die Löcher und Rinnen in die Mauern schlagen, um Leerrohre für Elektrokabel zu verlegen. Andere helfen einem Installateur, einen Heizkörper an die Leitungen anzuschließen. Im feuchten Keller des fast hundert Jahre alten Lehrerhauses graben einige Arbeitskräfte wie Wühlmäuse im Untergrund. Der Boden muss 30 Zentimeter tiefer gelegt werden. Die Mauern im Keller werden entsprechend höher und erhalten neue Betonfundamente. Hier sollen neue Sanitärräume entstehen, die auch Behinderte über eine Rampe erreichen können. Schubkarren um Schubkarren, die mit Erde beladen sind, fahren die jungen Helfer ins Freie hinaus.

Sascha und Lukas stehen auf einer Leiter im ersten Stock und montieren Leitungen an eine Wand. Der Elektroinstallateur musste kurzfristig weg; jetzt sind die Achtklässler sich selbst überlassen. "Ich schaue den beiden schon einige Zeit zu, doch sie werkeln munter alleine weiter", sagt Stefan Allmann anerkennend. Der pädagogische Mitarbeiter der Indersdorfer Mittelschule ist eine Art Supervisor, der die Arbeit der Schüler koordiniert. Er betreut auch die "Schulwerker" in der achten Jahrgangsstufe. Die 14 oder 15 Jahre alten Jugendlichen lernen in dieser Gruppe den Umgang mit Hammer und Schraubenzieher, mit Wasserwaage oder Schraubstock - praktische Arbeit, die viele Jugendliche nach dem Abschluss der Schule erwartet. Die Schüler absolvieren auch Praktika und schnuppern in Handwerksberufe hinein. Diese Erfahrungen sind eine Hilfe bei der Entscheidung, welcher Job ihnen später Spaß machen könnte. Im Beamtendeutsch heißt das "erweiterte vertiefte Berufsorientierung".

Genau darum geht es auch beim Lehrerhaus in Niederroth. "Ein deutschlandweit wohl einzigartiges Projekt", sagt Stefan Allmann. Achtklässler der Indersdorfer Mittelschule werkeln bei der Sanierung des 1927/28 erbauten Anwesens mit. Das gemeindeeigene Gebäude mitten im Indersdorfer Ortsteil Niederroth diente als Unterkunft für die Lehrer, die in der Dorfschule unterrichteten. Als in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Indersdorfer Verbandsschule gegründet wurde, wurde die Schule in Niederroth aufgelöst. Damit verlor auch das Lehrerhaus seine Bestimmung. Zuletzt wohnte hier ein älteres Ehepaar, das in dem Haus eine günstige Bleibe fand. Etwa zehn Jahre lang stand das Gebäude leer. Als es die Gemeinde verkaufen wollte, regte sich in Niederroth Widerstand. Es kam zu einem Umschwung im Gemeinderat. Alle Fraktionen waren sich einig, das Lehrerhaus wieder instand zu setzen und es für öffentliche Zwecke zu nutzen. Es soll sich in einen Bürgertreffpunkt verwandeln, in dem auch Vereine Veranstaltungen machen können oder Vorträge und Seminare stattfinden. Auch die Mittelschule will die Räume nutzen. "Der Keller bietet sich für Kunstworkshops an, für Graffiti oder Höhlenmalerei bei Kerzenschein", blickt Allmann in die Zukunft.

SZ-Schulratgeber: Achtklässler der Indersdorfer Mittelschule sanieren das marode Lehrerhaus in Niederroth.

Achtklässler der Indersdorfer Mittelschule sanieren das marode Lehrerhaus in Niederroth.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Idee, für die Sanierung des Lehrerhauses auch Schüler der Mittelschule einzusetzen, geht auf seine Frau zurück. Rektor Thomas Frey griff sie begeistert auf und stellte einen Antrag an den Gemeinderat. Für das Projekt "Lebensraum Lehrerhaus - Bildung und Kommunikation" zeichnen sich jetzt Gemeinde und Schule gemeinsam verantwortlich. Die Personalkosten für die berufliche Orientierung in Höhe von 40 000 Euro teilen sich Kultusministerium und die Agentur für Arbeit. Die Gemeinde bezahlt die Handwerker und das Material. Allmann spricht von einem "Low-Budget-Projekt", das nicht Millionen verschlingen soll. Die Gemeinde hat 120 000 Euro veranschlagt.

Das Walmdach ist inzwischen neu eingedeckt. Derzeit absolvieren die Schüler wieder eine Praktikumswoche. Unter der Anleitung von Handwerkern installieren sie elektrische Leitungen und die Heizung für das Haus. Die Arbeiten haben 2013 begonnen und werden wohl noch drei Jahre dauern. Die Wände werden neu verputzt, undichte Fenster ersetzt und der Holzboden wird abgeschliffen. "Die Schüler erleben hier alle Bauberufe und knüpfen Kontakte zu Handwerksbetrieben", beschreibt Allmann die Vorteile des Projekts. Nebenbei erhalten sie auch ein bisschen Englischunterricht - von Asylbewerbern, die sich ebenfalls an der Sanierung beteiligen und sozusagen Kollegen der Schüler sind. Wer auf der Baustelle mitwerkeln will, muss sich dafür bei der Schule bewerben. "Viele wären am liebsten jede Woche hier, weil sie von der Arbeit so begeistert sind", sagt Allmann. Doch nach dieser Woche ist erst einmal Schicht im Schacht. Erst im Juli sind Schüler wieder in Niederroth zugange, um hier ein Praktikum zu absolvieren. Auch Achtklässler Arian macht die Arbeit Spaß: Er will unbedingt Maurer werden.

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