SZ-Schulratgeber:Der individuelle Weg

SZ-Schulratgeber: Schulleiter Erwin Lenz sagt: "Es braucht den Willen zu viel Arbeitseinsatz."

Schulleiter Erwin Lenz sagt: "Es braucht den Willen zu viel Arbeitseinsatz."

(Foto: Toni Heigl)

Wer die Mittlere Reife hat, kann ans Gymnasium wechseln - muss dafür allerdings ein Jahr wiederholen. Das Ignaz-Taschner-Gymnasium ist das einzige im Landkreis Dachau, das diesen Weg zum Abitur anbietet.

Von Viktoria Großmann

Das G9 gibt es noch. Es hat sich nur ein bisschen getarnt. Noch immer können Schüler in neun Jahren Oberstufe das Abitur erlangen. Zum einen natürlich, indem sie an zwei Jahre Fachoberschule/Berufsoberschule (Fos/Bos) noch ein drittes anhängen und damit die allgemeine Hochschulreife erreichen. Zum anderen, indem sie nach der Mittleren Reife die zehnte Klasse am Gymnasium wiederholen. Dieses Modell nennt man Einführungsklasse. Sie dient dazu, die Schüler auf den Stoff der gymnasialen Oberstufe vorzubereiten. Danach nehmen die Schüler in der elften und zwölften Klasse am ganz normalen Gymnasialunterricht teil.

Im Landkreis bietet nur das Ignaz-Taschner-Gymnasium in Dachau die Möglichkeit an, nach der zehnten Klasse ans Gymnasium zu wechseln - egal ob von Wirtschaftsschule, Mittelschule oder Realschule. Zum dritten Mal hat die Schule in diesem Jahr eine Einführungsklasse gebildet. Die Nachfrage ist recht groß, im vergangenen Jahr gab es zwei Klassen, in diesem Jahr eine große mit 28 Schülern. Schulleiter Erwin Lenz hatte sich beim Kultusministerium darum beworben, an dem Programm teilzunehmen. Er hat als junger Lehrer selbst eine Einführungsklasse unterrichtet - mit großer Freude, wie er sagt. Zwei ITG-Lehrer haben auf diesem Weg das Abitur gemacht. Das Modell gibt es schon seit Jahrzehnten. Nur wurde es sehr lange nur in Großstädten angeboten. So fahren bis heute viele Schüler aus dem Umland nach München, um dort an eine Schule mit Einführungsklasse zu gehen.

Erwin Lenz ist überzeugt von dem Modell und genauso seien es seine Lehrer, sagt er, die mit Begeisterung die späten Wechsler unterrichten. "Es gibt Kollegen, die wollen diese Klassen gar nicht mehr hergeben." Die Zeit, die ein Lehrer sonst damit verbringe, Schüler zu ermuntern und zu ermutigen, falle hier fast ganz weg. "Die sind schon motiviert." Für Lenz ist dieser Weg zum Abitur geeignet für alle, die erst später merken, dass sie doch gern studieren möchten, aber sich noch nicht festlegen wollen. Die Fos/Bos sei eher etwas für Schüler, die schon eine konkretere Vorstellung davon haben, was sie später arbeiten möchten und die gerne praktisch lernen.

Wer ans Gymnasium komme, habe meist "Freude an der Erweiterung seines Allgemeinwissens", sagt Lenz. So geht es auch Bastian Brummer, der 18-Jährige besucht mittlerweile die elfte Klasse. Er wechselte nach seinem Abschluss an der Realschule Weichs nach Dachau. "Hier werden die Zusammenhänge zwischen den Fächern mehr vermittelt", sagt er. An der Realschule würden eher Fakten gelernt, ihm macht es aber Spaß, darüber hinaus zu denken.

Bastian musste am ITG keine Aufnahmeprüfung machen, es gibt keine Probezeit und auch keinen erforderlichen Notenschnitt. Die Schüler brauchen lediglich ein Empfehlungsschreiben ihrer früheren Schule. Erwin Lenz findet das ausreichend. Üblicherweise entschieden sich nur "sehr sehr motivierte" und "sehr sehr gute" Schüler für diesen Weg. Und zwar aus freien Stücken, ohne Druck der Eltern. Wenn jemand sich doch nicht für den Übertritt eigne, merke er das sehr schnell.

Denn die Einführungsklasse ist keineswegs einfach. Sagt zumindest Erwin Lenz. Besonders schwierig ist sie für jene Schüler, die erst am Gymnasium mit der zweiten Fremdsprache beginnen. Das bedeutet sechs Stunden Französisch in der Woche - ohne eine Aussicht je das Niveau der anderen Gymnasiasten zu erreichen. Hinzu kommen Intensivierungsstunden in Mathematik und Deutsch. Damit der Stundenplan nicht explodiert, werden dafür Fächer wie Religion oder Kunst und Musik etwas beschnitten. "Es braucht den Willen zu viel Arbeitseinsatz", sagt Lenz. Besonders für Schüler, die ihre Mittlere Reife im M-Zweig an einer Mittelschule erlangt haben, sei es hart - wenngleich nicht unmöglich.

"Ich fand es eher eine lustige Umstellung", sagt Bastian. Am Gymnasium sei alles so "korrekt" und für alles gebe es lateinische Begriffe. Statt "Schulaufgaben" werden "Klausuren" geschrieben, die mündliche Abiturprüfung heißt "Kolloquium". Im Wesentlichen habe er in der Einführungsklasse vertieft, was er von der Realschule schon kannte, sagt Bastian. Nur in Mathe sei als ganz neues Gebiet noch die Stochastik hinzu gekommen. Aufgefallen ist ihm vor allem, dass es am Gymnasium ein "ganz anderes Lernen" gebe. "Wir sind hier wesentlich selbständiger." Die Schüler sind selbst dafür verantwortlich, ihre Aufgaben zu erledigen und sich ausreichend vorzubereiten.

Bastian hat die Realschule mit einem Notenschnitt von 1,6 abgeschlossen. Eine zweite Fremdsprache hat er schon in Weichs gelernt. Die Lehrer dort hatten die Schüler darauf hingewiesen, dass der spätere Wechsel an ein Gymnasium damit leichter sei. Bastian hätte schon nach der Grundschule ans Gymnasium gehen können, die Empfehlung hatte er. Doch die andere Schule lag im Wohnort, war schnell zu erreichen. Nachmittagsunterricht gab es auch keinen. Einige seiner Freunde gingen dennoch sofort ans Gymnasium. Im Vergleich, sagt Bastian, "war es für mich eine wesentlich entspanntere Zeit".

Mit dem Modell Einführungsklasse gezielt das G8 zu umgehen, findet Lenz jedoch nicht sinnvoll. Kinder, die begabt seien und sich für das Gymnasium eignen, sollten konsequent diesen Weg gehen, findet der Schulleiter. Spätere Wechsel seien für jene geeignet, die länger bräuchten, die notwendigen Leistungen zu erreichen oder herauszufinden, was sie wollten. Theoretisch ist ein Wechsel zwischen den Schularten in jeder Klassenstufe möglich. Praktisch sei es in seinen sieben Jahren am ITG vielleicht viermal vorgekommen, dass ein Kind vor der zehnten Klasse von der Realschule ans Gymnasium gewechselt sei, sagt Lenz.

Bastian Brummer hat in der neunten Klasse beschlossen, Lehrer zu werden. Dafür braucht er ein Studium und ein Abitur. Früh wurde ihm klar, dass er noch ans Gymnasium möchte. Das eine Schuljahr zusätzlich bereut er nicht. "Ich habe von dem einen Jahr profitiert", sagt er. Kurz nach Beginn des Schuljahrs wurde er Klassensprecher, heute ist er Schulsprecher. Schon an der Realschule war er in der Schülermitverwaltung engagiert, am Gymnasium macht ihm das aber mehr Spaß: "Man kann mehr bewegen." Bastian Brummer ist glücklich über seine Entscheidung: "Das ist der Weg, den ich selbst gegangen bin."

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