SZ-Forum "Unsocial Network (?)":Demütigung per Mausklick

Wilhelm Proksch, Jugendbeamter der Dachauer Polizei, verzeichnet immer mehr Fälle von Cybermobbing bei den Jugendlichen im Landkreis.

Von Sophie Burfeind

SZ-Forum "Unsocial Network (?)": Dachau Polizeiinspektion PHK Wilhelm Proksch Bereich Cybermobbing Foto: Heigl

Dachau Polizeiinspektion PHK Wilhelm Proksch Bereich Cybermobbing Foto: Heigl

(Foto: Toni Heigl)

Beim Toilettengang gefilmt zuwerden, ist eine äußerst unangenehme Vorstellung. Dass dieses Videomaterial dann noch im Internet gepostet wird, daran mag man erst recht keinen Gedanken verschwenden. Doch in Schulen geschieht dies hin und wieder: Eine heimlich auf der Schultoilette installierte Webcam filmt einen Mitschüler, mit dem entwürdigenden Videomaterial wird er auf Facebook bloßgestellt. Zwar handelt es sich dabei um eine besonders miese Form des Cybermobbings, aber konfrontiert wird Wilhelm Proksch auch damit regelmäßig.

Der 56-Jährige ist seit 17 Jahren Jugendbeamter der Polizei Dachau. Immer häufiger landen Fälle von Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen auf seinem Schreibtisch. Darunter fallen auch Geschichten wie die bereits erwähnte. Diffamierende Videos oder Bilder werden meist in sozialen Netzwerken gepostet, weil dort viele Personen das Opfer kennen und es für den Betroffenen dadurch so peinlich wie möglich wird. "Facebook ist eine Plattform, auf der man relativ schnell und mit einfachen Mitteln an die Personen rankommt und sie denunzieren und beleidigen kann", erklärt er.

Einer aktuellen Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing zufolge sind 17 Prozent aller Schüler bereits einmal Opfer von Cybermobbing geworden. Dazu wurden bundesweit insgesamt 10 000 Schüler, Eltern und Lehrer befragt. Besonders verbreitet ist diese Form des Psychoterrors im Netz demnach zwischen Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren; vor allem Berufs-, Mittel- und Realschulen haben damit zu kämpfen.

Proksch hat im Landkreis Dachau allerdings andere Erfahrungen gemacht: "Dieses Problem hat hier jede Schule von der Hauptschule bis zum Gymnasium, Grundschulen mal ausgenommen." Außerdem gebe es keinen Unterschied zwischen Stadt- und Landschulen. Die ersten Fälle von Cybermobbing erlebe er bei Kindern im Alter von zehn Jahren. Dabei handle es sich zwar selten um entwürdigende Bilder oder Videos, aber immerhin um handfeste Beleidigungen im Netz.

Nach Angaben der Studie ist Cybermobbing am stärksten unter Mädchen verbreitet. Auch wenn der Dachauer Jugendbeamte keine Statistik über seine Cybermobbingfälle führt, kann er das aus Erfahrung bestätigen. "So gefühlt machen die Mädchen zwei Drittel aus", mutmaßt Proksch. Während Jungs bei Streitigkeiten häufig handgreiflich werden, setzen sich Mädchen lieber verbal auseinander. Soziale Netzwerke haben dabei einen großen Vorteil: "Es geht flott von der Hand", wie Proksch es ausdrückt. Man muss nur kurz die Enter-Taste drücken und die Beleidigung ist verschickt, ohne der anderen Person in die Augen sehen zu müssen. "Meist fängt Cybermobbing mit harmlosen Eifersüchteleien an, die sich hochschaukeln bis hin zu schlimmen Beleidigungen und Drohungen", sagt der Jugendbeamte.

Bei den Opfern kann diese virtuelle Art des Terrors zu gravierenden psychischen Problemen führen. "Leider melden sich viele der Betroffenen sehr spät, wenn sie psychisch nicht mehr zurechtkommen oder die Bedrohung zu groß wird", bemerkt Proksch. Nur selten wenden sich die Jugendlichen direkt an die Polizei. Sehr viel eher vertrauen sie sich einem Lehrer oder einem Mitschüler an. Sobald diese die Schulleitung darüber informieren, meldet die der Polizei den Vorfall; das ist der Ablauf in 90 Prozent der Fälle.

Vielen Jugendlichen sei wohl nicht bewusst, dass sie sich mit Cybermobbing strafbar machen, sagt Proksch: "Nach dem Strafgesetzbuch sind Beleidigungen, Bedrohungen, Gewaltdarstellungen oder Anzüglichkeiten mit sexuellem Hintergrund allesamt Straftaten, auch im Internet." Ebenfalls strafbar mache sich, wer diffamierende Bilder oder Videos weiterleite.

Für den Bereich Pornografie und Kinderpornografie ist die Kriminalpolizei in Fürstenfeldbruck zuständig. Glücklicherweise gibt es dabei keine wirklichen Probleme in Bezug auf Kinder und Jugendliche, wie Volker Krahn, stellvertretender Leiter des zuständigen Teams, sagt: "Das sind etwa fünf bis zehn Fälle pro Jahr, die spielen in der Kriminalstatistik keine Rolle."

Ein großes Problem bleibt das Cybermobbing. Um das zu verhindern, ist nach Ansicht des Jugendbeamten mehr Präventions- und Aufklärungsarbeit nötig - auch, um das Schuld- und Verantwortungsbewusstsein der Schüler zu stärken. "Aber Sie können sich ja ausrechnen, wie viel Präventionsarbeit wir mit zwei Jugendbeamten in 17 Gemeinden leisten können", sagt er. Den zweiten Jugendbeamten gibt es übrigens erst seit April.

Sehr zuversichtlich ist Wilhelm Proksch nicht, das Problem im Landkreis in den Griff zu kriegen. "Wir sind in Sachen Internet noch in den Kinderschuhen, das wird noch schlimmer werden", lautet seine Prognose. Zwar sollten Eltern, Lehrer und Mitschüler immer etwas unternehmen, wenn sie den Verdacht hätten, dass ein Schüler im Netz terrorisiert werde. Manchmal machen es die Opfer den Tätern aber auch sehr leicht: "In einem Fall haben sich Mädchen nach dem Sportunterricht gegenseitig gefilmt beim Duschen. Da war's noch Spaß und Gaudi. Als die eine Stress mit der anderen hatte, hat sie es halt in Facebook gestellt." Proksch schüttelt den Kopf. "Da braucht man sich nicht zu wundern."

Hilfe im Netz gegen Cybermobbing gibt es auf www.juuuport.de und www.klicksafe.de.

"Unsocial Networks (?) - was machen die Neuen Medien mit unseren Kindern?" Mit dieser Frage beschäftigt sich das SZ-Forum am Montag, 10. Juni, um 19.30 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus, Augsburger Straße 23 in Dachau. Es diskutieren Sabrina Andersen, Fachlehrerin der Mittelschule Dachau Ost, Naomi Nedelcev und Johannes Richter, Schüler des Ignaz Taschner Gymnasiums Dachau, Ekkehard Sander, Jugendforscher am Deutschen Jugendinstitut München, und Björn Friedrich, Autor des "Facebook-Buchs für Eltern". Moderiert wird die Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung von Helmut Zeller und Gregor Schiegl. Der Eintritt ist frei.

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