SZ-Adventskalender:"Jetzt sind wir in Sicherheit, das ist das Wichtigste"

SZ-Adventskalender: Anastasias Familie aus der Ukraine ist bei einer Gastfamilie in Feldgeding untergekommen. Viel Platz haben die vier nicht - und für sechs wäre es erst recht zu eng.

Anastasias Familie aus der Ukraine ist bei einer Gastfamilie in Feldgeding untergekommen. Viel Platz haben die vier nicht - und für sechs wäre es erst recht zu eng.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In Feldgeding hat Anastasias Familie Zuflucht bei einer Gastfamilie gefunden. Für sechs Leute ist dort aber zu wenig Platz. Der SZ-Adventskalender will den Geflüchteten aus der Ukraine helfen.

Von David Schmidhuber, Bergkirchen

Kleine Küche, abgetrenntes Wohn- und Schlafzimmer, Doppelbett, Couch, Fernseher und eine Matratze - was nach Studenten-WG klingt, sind die Räume, in denen Anastasia P., ihr Mann Yura und ihre beiden Kinder wohnen. Ein Rentnerehepaar hat sich ihrer angenommen, sodass die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtete Familie aktuell eine Bleibe in Feldgeding bei Bergkirchen hat.

Seit März sind Anastasia, die dreijährige Tochter Juliana, der 14-jährige Sohn Zacharias und Anastasias Mutter hier untergebracht. Vor knapp zwei Wochen konnte Yura mit Anastasias Großmutter nachkommen. Das war nicht einfach, weil die alte Frau bettlägerig ist und die Dokumente für die Ausreise schwer zu bekommen waren. "Aber jetzt sind wir in Sicherheit", sagt Yura, "das ist das Wichtigste".

"Jeder Tag kann dein letzter sein", sagt Yura

Achteinhalb Monate war die Familie voneinander getrennt. Yura und Anastasias Großmutter blieben in Dnipro - der Stadt, in der die Familie lebte, bis der Angriffskrieg Russlands Ende Februar begann. "Ich hatte riesige Angst, wenn ich von den Bombenangriffen auf Dnipro hörte", sagt Anastasia. "Zwei Raketen schlugen nur knapp einen Kilometer von unserer Wohnung entfernt ein. Jeder Tag kann dein letzter sein", ergänzt Yura.

Trotzdem bleiben viele Ukrainer in ihrem Heimatland. Die Männer müssen Kriegsdienst leisten, und die Frauen wollen ihre Söhne und Männer nicht alleine zurücklassen. Yura muss aber nicht zu den Waffen. Gesundheitliche Gründe. Der 38-Jährige wuchs in der Nähe von Tschernobyl auf. 1986 ereignete sich die Reaktorkatastrophe, da war er zwei Jahre alt. Seine Schilddrüsenerkrankung könnte nach Ansicht der Ärzte darin ihren Ursprung haben.

Anastasia, Yura und ihre Familie flohen nach Deutschland. Obwohl Anastasia, ihre beiden Kinder Juliana und Zacharias und ihre Mutter mittlerweile schon seit neun Monaten in Deutschland sind, tun sie sich in einigen Bereichen immer noch schwer. Vor allem die Sprachbarriere macht ihnen zu schaffen.

Zacharias fällt es schwer, Anschluss zu finden

Juliana wirkt aufgeweckt, Zacharias eher still und zurückgezogen. "Er versteht auf Englisch sehr viel, aber Deutsch bisher kaum", sagt Anastasia. "Aber ich lerne mit ihm jeden Tag." Der 14-Jährige war kurz nach der Ankunft in Deutschland in einer Willkommensklasse mit ukrainischen Schülerinnen und Schülern in der Mittelschule in Bergkirchen. Doch seit Juli gibt es keine solchen Klassen mehr, die ukrainischen Kinder und Jugendlichen sollen in die jeweiligen Regelklassen integriert werden. So auch Zacharias, der seit September an der Mittelschule in Bergkirchen die 8. Klasse besucht.

"Letzte Woche habe ich mit seinen Lehrern gesprochen. Sie sagen, dass er nur in der Klasse sitzt und zuhört, aber dem Unterricht nicht folgen kann", sagt Anastasia. Dazu ist er der einzige Ukrainer in seiner Klasse.

Bei seiner Schwester Juliana ist es ähnlich. Sie ist seit September im Kindergarten in Bergkirchen. "Juliana spielt und spricht eigentlich nur mit zwei anderen Kindern, die auch russisch sprechen", erklärt Anastasia. Wichtig wäre daher ein Sprachkurs außerhalb der Schule, sowohl für Juliana als auch Zacharias. Einen Integrationskurs über die Volkshochschule, wie ihn Anastasia jeden Tag besucht, können sie nicht wahrnehmen, für Kinder wird er nicht angeboten.

Das Landratsamt versteht sich als Schnittstelle der örtlichen Ukraine-Hilfe

Aferdita Pfeifer, bis Oktober Integrationsbeauftragte des Landratsamtes Dachau und mittlerweile dort Bildungsmanagerin, versteht die Schwierigkeiten. "Aber auch in diesem Fall gibt es ehrenamtliche Strukturen oder niedrigschwellige Sprachkursangebote, die helfen könnten." Sie empfiehlt eine Beratung im Landratsamt, die als Schnittstelle zwischen Helfern bei der Integration, Behörden und Menschen mit Migrationsgeschichte fungiert.

Auch Yura hofft, in den kommenden Wochen einen Integrationskurs beginnen zu können, um Deutsch zu lernen. Das Sprachniveau ist ausschlaggebend bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Bis zu Beginn des Krieges arbeitete er in der Logistik eines Unternehmens, dann stand er auf einmal ohne Job da. "Mir ging es schlecht und ich litt an Depressionen, weil Anastasia und die Kinder nicht an meiner Seite waren", erzählt er. Erst im Juni ergab sich ein neuer Job für ihn, sodass er bei einer Essensausgabe für Geflüchtete in Dnipro helfen konnte.

Sprachkenntnisse sind wichtig

Die 33-jährige Anastasia ist durch ihren bereits längeren Aufenthalt in Deutschland auch mit den Sprachkenntnissen schon weiter. Sie konnte im September einen Test absolvieren und plant, im Frühjahr einen Sprachtest höheren Niveaus zu machen, um bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz zu haben. Sie hat Politikwissenschaften studiert. "Ich habe aber nie in diesem Feld gearbeitet, da es schwer ist, auf diesem Gebiet einen Job zu bekommen."

In den vergangenen zehn Jahren hat Anastasia daher als Managerin im Online-Marketing gearbeitet. Ein großes Problem für Yura und Anastasia ist: Sie haben keine Ausbildung in den Arbeitsbereichen, in denen sie in der Ukraine jahrelang gearbeitet haben. "In der Ukraine ist eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht unbedingt notwendig", erklärt Anastasia. Die Arbeitsplatzsuche in Deutschland wird dadurch nicht leichter.

Die Großmutter sitzt im Rollstuhl

Jetzt sucht die Familie nach einer größeren Wohnung, damit wieder alle unter einem Dach leben können. Der Platz bei der Gastfamilie in Feldgeding würde für eine sechsköpfige Familie nicht ausreichen, außerdem sitzt Anastasias Großmutter im Rollstuhl, die Wohnräume befinden sich im ersten Stock. Aus diesem Grund sind die Großmutter und Mutter nun im Hotel "Forelle" in Günding untergebracht.

Dabei spielte die Gastmutter aus Feldgeding eine wichtige Rolle. "Die Chefin des Hotels ist eine Bekannte von mir und sie hat sich bereit erklärt, sie bis Anfang Februar im Hotel zu einem sehr fairen Preis unterzubringen", erzählt sie. Das Jobcenter und das Landratsamt Dachau kommen für die entstehenden Kosten auf. Bis Februar ist die Unterkunft also geregelt.

Was in der neuen Wohnung noch fehlt, sind Möbel

Aber wie geht es danach weiter? Eine Wohnung in Eisenhofen bei Erdweg könnte die Lösung sein, ab Februar wäre sie verfügbar. Das Wesentlich ist da: Küche und Bad. Aber um den Kauf von Minimalausstattung wie Möbel und die Koordinierung des Umzugs stemmen zu können, braucht es Geld, weswegen die ukrainische Familie für eine finanzielle Zuwendung sehr dankbar wäre.

Das Verhältnis zwischen der Gastfamilie und Anastasias Familie ist sehr warmherzig - obwohl die Kommunikation nicht immer ganz einfach ist, da die Gastfamilie kaum Englisch spricht. "Aber mit Händen, Füßen und Übersetzungs-App klappt das", sagt Anastasia.

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