SZ-Adventskalender:Selbstvertrauen lernen

Der Verein Kinderschutz aus München bietet nun auch für kleine Kinder aus schwierigen Verhältnissen betreute Wohngruppen in Karlsfeld an

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Der Verein Kinderschutz München hat sein Angebot in Karlsfeld erweitert. Neben der heilpädagogischen Tagesstätte und der Wohngruppe für Jugendliche am Eichendorffring gibt es nun auch eine Wohngruppe für Kinder und ein Mutter- beziehungsweise Vater-Kind-Haus. Zwei Immobilien aus den Sechzigerjahren, die der Verein in Karlsfeld hatte, mussten dafür eineinhalb Jahre lang umfangreich saniert und umgebaut werden. "Die beiden Häuser sind zu 80 Prozent mit Spenden finanziert. Ohne diese hätten wir die Projekte nicht realisieren können", erklärt Anna Laux vom geschäftsführenden Vorstand des Kinderschutzes bei der Eröffnung. Mehrere Organisationen halfen, unter anderem der SZ-Adventskalender für gute Werke. Von dem Geld, das Leser für Menschen in Notlagen gespendet haben, investierte das Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung 60 000 Euro für Inneneinrichtung und Therapiegeräte der beiden Häuser.

Wohngruppe

Nur mit Anna Laux' Hilfe haben sieben Kinder in der Wohngruppe am Fliederweg ein neues Zuhause gefunden, in dem sie spielen können und betreut werden.

(Foto: Niels P. Joergensen)

"Ich hoffe, dass die Kinder hier zur Ruhe kommen können, sich selber wiederfinden und sich selbst vertrauen lernen, um mutige Bürger zu werden", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Die sieben Kinder, die in der Wohngruppe am Fliederweg ein neues Zuhause gefunden haben, haben, obwohl sie erst sieben bis zwölf Jahre alt sind, bereits "starke seelische Verletzungen erlebt", so Laux. Das Ziel der Betreuer ist es, ihnen eine neue Chance zu geben, in die Gesellschaft hineinzuwachsen. Laux nannte es besorgniserregend, dass die Kinder, die mit Gewalt und existenzbedrohender Verwahrlosung konfrontiert sind und nur noch in derartigen Einrichtungen Hilfe finden können, immer jünger würden. Die neue Wohngruppe des Kinderschutzes ist die einzige Einrichtung in der Gegend, die sich um kleine Kinder ab vier Jahren kümmert. Die meisten Wohngruppen sind für Jugendliche gedacht. 15 weitere Kinder stehen auf der Warteliste.

Wohngruppe

Erzieherin Megan Schmitz sucht nach Malvorlagen für die Kinder.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Der Bedarf für Kinder, gerade im Alter von sechs bis neun Jahren ist enorm gestiegen", erklärt Sabine Weinberger, Referentin der Geschäftsleitung. Und es sei keineswegs so, dass die Kinder alle aus sozial benachteiligten Familien stammen. "Sie kommen aus verschiedenen Schichten." Meist ist der Grund für Gewalt und Misshandlung, dass die Eltern gestresst und überfordert sind, erklärt Weinberger. Es gebe Eltern, die drei Jobs nachgehen, um sich das Leben als Familie überhaupt leisten zu können. Andere Eltern seien krank und könnten sich deshalb nicht kümmern. "Aber kleine Kinder können sich nicht selbst versorgen", sagt Weinberger. Erst wenn Ärzten, Hebammen, Kindergärtnerinnen oder Lehrern auffällt, dass die Kleinen ständig hungrig sind oder kaum zur Schule kommen, wird das Jugendamt aufmerksam. Auch psychische Auffälligkeiten lassen Rückschlüsse zu.

SZ-Adventskalender: Draußen gibt's sogar eine Nestschaukel und ein Trampolin.

Draußen gibt's sogar eine Nestschaukel und ein Trampolin.

(Foto: Toni Heigl)

Früher kamen die Kinder ins Heim, heute bevorzugt man kleinere Einrichtungen, wie diese Wohngruppe. "Sie sind familienähnlich. Außerdem gibt es nachbarschaftliche Kontakte", erklärt Weinberger. "Und sie sind weniger stigmatisierend."

In der Fliederstraße werden die sieben Kinder immer von zwei bis drei Betreuern beaufsichtigt. Diese stellen sicher, dass die Kleinen rechtzeitig und regelmäßig in die Schule gehen, helfen bei den Hausaufgaben und unternehmen nachmittags einiges mit ihnen, dazu gehören Ausflüge in den Wald oder Sport. "Die Kinder brauchen viel Bewegung und Struktur", sagt Any Pfleger. Sie ist Bereichsleiterin für stationäre Erziehungsangebote. Das wichtigste ist wohl, dass die Betreuer den Kleinen Geborgenheit und Sicherheit geben. Sie arbeiten auch pädagogisch mit ihnen und mit ihren Eltern, denn die meisten Kinder möchten eines Tages wieder zurück in ihre Familie. So stehen auch regelmäßige Besuche im Elternhaus auf dem Plan. Die Kinder bleiben unterschiedlich lang in der Wohngruppe. Spätestens, wenn sie 13 Jahre alt werden, müssen sie gehen. "Dafür gibt es dann andere Einrichtungen", sagt Weinberger.

SZ-Adventskalender: Anna Laux vom geschäftsführenden Vorstand des Kinderschutzes München dankt den Sponsoren.

Anna Laux vom geschäftsführenden Vorstand des Kinderschutzes München dankt den Sponsoren.

(Foto: Toni Heigl)

Landrat Löwl lobt den Kinderschutz München als "zuverlässigen Partner", der "hochprofessionell und engagiert" ist und die Dinge "mit Herzblut sieht, nicht nur als Unternehmer". Auch die Vater- beziehungsweise Mutter-Kind-Betreuung in der Hochstraße in Karlsfeld ist ein wichtiges Projekt des Vereins. "Es ist ein Stück Prävention, das vor allem den Kindern von Anfang an zugute kommt", sagt Weinberger. Drei kleine Wohnungen stehen dafür nun in der Hochstraße zur Verfügung und eine in der Fliederstraße. Das Angebot richtet sich vor allem an sehr junge Mütter oder Väter, die nicht in der Lage sind, sich allein um ihre Säuglinge oder Kinder unter sechs Jahren zu kümmern. "Sie haben meist keinen Schulabschluss, eine Ausbildung fehlt ebenfalls. Finanzielle Schwierigkeiten machen vielen das Leben schwer, ebenso wie drohende Obdachlosigkeit oder Erkrankungen", erklärt Weinberger. Wenn junge Mütter dann noch kaum deutsch sprechen und nicht in die Gesellschaft integriert sind, hilft ihnen der Kinderschutz auch, mit ihrer neuen Situation zurecht zu kommen. "Für viele Mütter, die hier aufgenommen werden, ist dies auch ein Schutz vor Gewalt", sagt Barbara Mantel. Sie gehört zum Betreuungsteam an der Hochstraße. Deshalb dürfen die Väter zwar zu Besuch kommen, aber nicht regelmäßig. "Oft wiederholen sich die Geschichten auch", weiß die Sozialpädagogin.

"Die Mütter der Mütter sind schon im Heim aufgewachsen, haben früh Kinder bekommen, die dann auch wieder im Heim aufgewachsen sind. Mit dieser Einrichtung haben wir die Hoffnung, den Kreislauf zu durchbrechen." Die Betreuer haben ein Büro in der Hochstraße. Sie animieren die jungen Mütter oder auch Väter, ihre Ausbildung zu machen oder sich einen Job zu suchen. Sie begleiten sie zu Ärzten oder auf Ämter, helfen ihnen eine Tagesstruktur aufzubauen, leiten sie an, mit ihren Kindern zu spielen und aufzuräumen.

Eine Wohnung in der Hochstraße ist noch frei. "Wenn wir personell besser aufgestellt sind, wird sie belegt", erklärt Barbara Mantel. Noch hat der Verein Kinderschutz, wie viele andere soziale Einrichtungen, Schwierigkeiten das passende Personal zu bekommen. Laut Jugendamt gibt es im Landkreis Dachau noch acht andere Einrichtungen dieser Art. Ihre Zielgruppe ist jedoch unterschiedlich, so Ingolf Baumgartner, der stellvertretende Leiter des Amts.

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