SZ-Adventskalender:Ein Leben aus zweiter Hand

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Neue Kleidung für die Kinder ist im Budget der Mutter nicht drin

Einfach in ein Geschäft gehen, ein paar Winterjacken anprobieren, eine auswählen, bezahlen und gehen. Was für viele selbstverständlich ist, hat die sechsjährige Katharina (alle Namen geändert) noch nie erlebt. Denn schon seit Jahren ist ihre Mutter mit den beiden Kindern allein auf sich gestellt, muss jeden Euro drei Mal umdrehen. "Kleidung oder Schuhe neu zu kaufen, das kennt die Kleine gar nicht", sagt Elisabeth Berger.

Mit ihrem Einkommen, das wenige Euro über der Hartz-IV-Grenze liegt, "sind neue Sachen auch aus preiswerten Läden einfach nicht drin". Während die Tochter sich klaglos mit Klamotten aus zweiter Hand zufriedengibt, weil sie es schlicht nicht anders kennt, hätte der elfjährige Maximilian schon gerne auch mal ein angesagtes Teil. Wenn einer seiner Mitschüler stolz seine 120-Euro-Marken-Turnschuhe präsentiert, kann der Bub nur staunen. Doch es nützt nichts. "Da hilft nur, den Kindern gegenüber ehrlich zu sein", sagt die Mutter.

Als der Vater damals Knall auf Fall die Familie verließ, war Katharina noch ein Baby und Elisabeth Berger musste deshalb erst einmal staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. Kein gutes Gefühl, also kehrte sie so schnell wie möglich zurück in den Job. Aber als Kinderpflegerin, noch dazu in Teilzeit, verdient sie nicht viel. "Soziale Berufe sind leider schlecht bezahlt." Also muss die Familie eben mit einem sehr knappen Budget auskommen.

Freilich gibt es Wohngeld, auch die Kosten für den Kindergarten werden vom Jugendamt übernommen. "Aber für diese Leistungen müssen ja alle anderen Bürger aufkommen, die bezahlen dann für mich", sagt sie. Viel, viel lieber würde Elisabeth Berger eigenständig über die Runden kommen.

Sobald ihre Jüngste in die Schule kommt, will die Mutter sich nach einem Ganztags-Job umsehen. Reich wird sie als Kinderpflegerin dann zwar auch nicht sein, aber auf alle Fälle wird sie ein wenig besser über die Runden kommen.

Doch gerade tut sich ein neues Problem auf. Denn Maximilian besucht jetzt in der fünften Klasse ein Ganztagsangebot seiner Schule. Diese Betreuung am Nachmittag war für die Mutter entscheidend, um ihren Beruf überhaupt weiter ausüben zu können. Aber anders als Kita oder Hort wird dieses Schulangebot nun nicht vom Jugendamt übernommen. "Verrückt", sagt Berger, denn die gut 100 Euro, die sie selbst tragen muss, reißen ein tiefes Loch in den knappen Familienetat. Dabei steigen auch so schon die Kosten, je älter die Kinder werden. Gerne würde sie es dem musikalisch veranlagten Sohn ermöglichen, ein Instrument zu erlernen. Doch daran ist gar nicht zu denken. Dazu reicht das Geld nicht.

Neben all den Alltagssorgen hat Elisabeth Berger auch noch mit Altlasten ihrer Ehe zu kämpfen. Denn kurz bevor ihr Mann die Familie verlassen hat, übernahm sie die Bürgschaft für einen Geschäftskredit. "Mir war nicht klar, dass ich dafür voll hafte."

Mit Unterstützung der Schuldnerberatung versucht sie seit Jahren, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Weil ein Kompromiss nicht erzielt wurde, will Elisabeth Berger nun Privatinsolvenz anmelden. Ein Schritt, der sie nicht schreckt und am Familienalltag wenig ändern wird.

Ihr hart verdientes Geld wird sie auch künftig für sich und die Kinder behalten dürfen, die Pfändungsfreigrenzen liegen nämlich über ihrem schmalen Einkommen. Damit die Kinder jetzt wenigstens ordentliche Winterkleidung bekommen, will der SZ-Adventskalender Familie Berger unterstützen.

© SZ vom 28.12.2016 / pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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