Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Auf eigenen Füßen stehen

Lesezeit: 2 min

Wie sich eine 21-jährige zweifache Mutter durchbeißt, damit es ihre Kinder einmal besser haben

Von Petra Schafflik, Dachau

Armut ist oft erblich. Wer als Kind in prekären Verhältnissen aufwächst, so besagen es Sozialstudien, der hat selbst meist schlechtere Bildungs- und Aufstiegschancen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, von denen sich Samantha M. (Name geändert) nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen lässt. Zwar lief bei der jungen Frau im Leben vieles nicht rund. "Auf meine Familie konnte ich nie zählen." Von klein auf musste sie wie auch ihr Bruder "auf eigenen Füssen stehen". Doch die zierliche Frau, inzwischen selbst alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Buben, hat sich durchgebissen. Und nach vielen Rückschlägen und Hindernissen vor wenigen Wochen endlich eine eigene Wohnung bezogen. Dort sitzt sie jetzt auf einem alten, wackeligen Stuhl, lässt ihren Blick durchs leere Wohnzimmer schweifen, wo als einzige Lichtquelle eine nackte Glühbirne von der Decke baumelt und sagt mit kämpferischer Stimme: "Ich will es anders machen und ich will es hinkriegen."

Gerne erinnert sich Samantha M. nicht an ihre Jugend. Zuhause war nie Geld da und auch nicht die geringste Unterstützung. Aufgewachsen ist die heute 21-Jährige deshalb im Kinderheim und bei Pflegefamilien. Früh schon erhielt sie staatlichen Beistand, Sozialpädagogen kümmerten sich im Auftrag des Jugendamts. Einen mustergültigen Lebenslauf bekam die junge Frau dennoch nicht hin. Kurz vor dem Schulabschluss wurde sie mit 17 zum ersten Mal Mutter, schlüpfte mit dem Baby dann doch einmal zu Hause unter. Mit einem unguten Gefühl. Und tatsächlich wurde die Wohnung wegen Mietschulden kurz darauf geräumt, sie stand mit ihrem Säugling auf der Straße. Mutter-Kind-Heim, zweites Kind, betreutes Wohnen für alleinerziehende Mütter - so lauten die nächsten Stationen.

Doch im November dann die gute Nachricht: Vor Jahren schon hatte sie sich auf die Warteliste für eine Sozialwohnung setzen lassen, nun klappte es. "Innerhalb von zwei Tagen bin ich umgezogen." Viel gab es nicht zu transportieren, nur die Möbel fürs Kinderzimmer und ihr Bett. Die bisherigen Unterkünfte waren teilweise möbliert, die Einrichtung ist deshalb jetzt noch lückenhaft. Doch die eigenen vier Wände geben Samantha M. enorm viel Auftrieb. "Ein richtiger Neustart", sagt die junge Frau hoffnungsfroh. Ihre Kinder sollen es besser haben, sollen in einer liebevollen Umgebung aufwachsen. Und mehr Chancen haben auf Bildung und eine gute Entwicklung. "Ich will es anders machen", sagt Samantha M. Anders als ihre eigene Mutter meint die junge Frau, auch wenn sie es nicht ausspricht. Deshalb macht sie die Buben jeden Tag in aller Frühe fertig, marschiert zur Bushaltestelle, eine Stunde ist sie unterwegs, bis sie die Kleinen in Krippe und Kindergarten gebracht hat.

"Jeder sieht, dass ich es schaffe", sagt sie stolz. Auch für sich selbst und eine eigene berufliche Zukunft macht Samantha M. Pläne: Ihren Schulabschluss will sie nachholen, für die Prüfung im Sommer hat sie sich zum Vorbereitungskurs angemeldet. Danach möchte sie eine Pflegeausbildung machen. Ein solider Beruf, der gefragt ist und zu ihr passt, findet die junge Frau. Außerdem eröffnet ihr ein Job die Chance, irgendwann finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Raus aus dem Hilfesystem, das ist ihr Wunsch.

Die erste eigene Wohnung ist für Samantha M. ein Glücksfall. Doch um sich mit den beiden Buben wohl zu fühlen, braucht es noch einiges. Nur das Kinderzimmer wirkt heimelig und einladend, in der übrigen Wohnung stehen wackelige Provisorien vor weißen Wänden. Couch, Wohnzimmerregal, solider Esstisch, Stühle und Lampen fehlen. Der SZ-Adventskalender will die kleine Familie deshalb beim Neustart unterstützen.

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Quelle:
SZ vom 23.02.2017
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