SZ-Adventskalender:Auf der Suche nach einem Obdach

Alle Vermieter weisen eine 46-jährige erwerbsunfähige Frau ab, weil sie monatlich nur eine Rente von 900 Euro bezieht

Von Petra Schafflik

- "Hier kann ich nicht bleiben", sagt Nicole T. (Name geändert), die inmitten von Umzugskartons und gestapelten Möbeln sitzt. Auf dem einzigen Sessel im Raum liegen Wolldecken, eine Wärmflasche und Kissen griffbereit, denn nur eingemummt in mehrere Kleidungsschichten und vergraben unter den wärmenden Decken kann die 46-Jährige es halbwegs aushalten. Die Heizung läuft zwar, doch warm wird es nicht in den Räumen. "Im Wohnzimmer ist es eiskalt", klagt Nicole T, "im Bad musste ich bei 16 Grad duschen, weil es einfach nicht wärmer wird". Da sie in der eisigen Wohnung nicht bleiben kann, sucht die alleinstehende Frau verzweifelt nach einer kleinen, preisgünstigen Unterkunft. "Sonst stehe ich ab Januar ganz auf der Straße." Seit zwei Jahren schon kämpft die zierliche Frau mit immer wieder neuen Rückschlägen.

Davor war sie in einem gut bezahlten Beruf tätig und lebte in einer gemütlichen Wohnung. Doch dann verlor sie überraschend ihren Job. Als sie dann endlich eine neue Arbeit fand, wurde sie Opfer von Mobbing-Attacken. "Von da an ging es mit mir bergab." Die gesundheitlichen Probleme wurden immer größer. "Die Krankenkasse hat mich unter Druck gesetzt, endlich Rente zu beantragen", erzählt Nicole T. Ihr war sofort klar, dass sie mit einer Erwerbsunfähigkeitsrente von 900 Euro monatlich ihre alte Wohnung würde aufgeben müssen. Unter Hochdruck suchte sie deshalb eine preiswertere Unterkunft. Immer wieder besichtigte sie Appartements, um danach zu hören, dass andere Bewerber den Vorzug erhalten haben. "Langsam war ich verzweifelt", erzählt die Frau. Als sie dann die Zusage für ihre aktuelle Bleibe bekam, "da habe ich mich noch gefreut", sagt sie heute unter Kopfschütteln.

Die extrem niedrig kalkulierten Nebenkosten machten sie nicht stutzig. Auch der desolate Zustand der Kochnische fiel ihr zu spät auf. Jetzt lebt sie von kalten Speisen und Tütensuppen. "Leider bin ich in konkreten Lebensdingen manchmal zu naiv", sagt die Frau nachdenklich. "Man rechnet nicht mit so etwas." Doch in der eisigen Unterkunft kann Nicole T. nicht bleiben. Sie hat ihre Sachen gar nicht vollständig ausgepackt und gekündigt - auch wenn sie keine neue Wohnung in Aussicht hat. Wieder besichtigt sie jetzt Appartements und erhält Absagen. Doch die Bedenken der Vermieter, mit ihrer kleinen Rente könne doch niemand auskommen, versteht sie nicht. "Schulden hatte ich noch nie, für mich brauche ich nicht viel." Nicole T. bereitet sich auf das Schlimmste vor, erkundigt sich nach Möglichkeiten, ihre Möbel einzulagern. Im Notfall wird sie für kurze Zeit bei der Mutter unterschlüpfen können. Auf Dauer bleiben kann sie dort nicht, weil ihre Mutter selbst sehr beengt wohnt. Noch hofft Nicole T. auf ein verspätetes "Weihnachtswunder", das ihr zu einer bezahlbaren Wohnung verhilft.

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