Darf man sich an Fasching als Araber verkleiden? Oder als Afrikaner im Bastenrock? Sollte man das Laserschwert und den Colt lieber zu Hause lassen? Über die Kostümierung wird dieses Jahr heftig diskutiert, nicht erst seit bei Amazon ein Kinderkostüm "Flüchtling, Erster und Zweiter Weltkrieg" angeboten wurde. Fasching ist nicht nur Klamauk, sondern auch Politik. Auf Faschingswagen und in Büttenreden wird den Regierenden mal richtig die Meinung gesagt. Politiker müssen einiges einstecken. Dieses Jahr, so befürchtet man, könnten sich die Motivwagen nicht nur gegen Politiker richten, sondern auch gegen Flüchtlinge. Auch im Landkreis Dachau werden die Faschingswagen genauer angeschaut und notfalls auch gesperrt, wenn fremdenfeindliche Parolen oder Motive verwendet werden.
Fasching als Protest gegen die Obrigkeit hat Tradition, schon seit dem Mittelalter. Der Ursprung von Fasching liegt in der Fastenzeit vor Ostern. Mit dem Winteraustreiben hat die närrische Zeit nichts zu tun, auch wenn sich dieser Mythos hartnäckig hält. Die Fastenzeit war fleischlos im doppelten Sinne. Deshalb ließ man vorher noch einmal die Sau raus. Fressgelage und sexuelle Ausschweifungen gehörten genauso dazu wie Prügeleien und das Verspotten der Obrigkeit. Das wurde von der Kirche des Spätmittelalters toleriert, denn die Faschingszeit symbolisierte den Teufelsstaat, die Fastenzeit hingegen den Gottesstaat. Die Menschen sollten sehen, wie eine Welt aussieht, die vom Teufel regiert wird, wo gesoffen, gehurt und geschlägert wird. Dann würden die Christen wieder gerne ein gottgefälliges Leben führen.
Die Faschingszeit war eine verkehrte Welt. Die Frauen herrschten über die Männer, die Knechte über die Bauern, die Gläubigen über die Geistlichen. Spuren der verkehrten Welt sind auch heute noch an Fasching sichtbar, wenn Frauen den Männern die Krawatten abschneiden oder wenn sich der Ministerpräsidenten-Anwärter Söder als Ex-Ministerpräsident Stoiber verkleidet. Auf den Straßen trieben die Narren ihr Unwesen. Der Narr war eine zentrale Figur. In der Bibel wird der gottlose Mensch als Narr bezeichnet. Die Menschen verkleideten sich als Affen, Esel, Bauerntölpel, als Türken, Juden, Sinti und Roma; die ganze Palette der gesellschaftlichen Randgruppen war vertreten. Versteckt unter der Maske ging es ziemlich derb zu. "Die Fastnacht ist eine Zeit, darbey wir uns einbilden, jetzt ist das Bier offen, jetzt ist alles erlaubt, jetzt darff ein jeder thun was ihn gelustet, jetzt ist nichts Sünd", so schimpfte der Münchner Pater Geminianus Monacensis Mitte des 18. Jahrhunderts.
Während auf den Straßen der Bär tobte, vergnügte sich das Bürgertum auf Maskenbällen. In eleganten Kostümen und mit kunstvoll verzierten Masken eiferten sie italienischen Vorbildern nach. Um das wilde Faschingstreiben in geordnete Bahnen zu lenken, wurden Fasching-Komitees gegründet. Immer wieder gab es Kontrollen und Einschränkungen. So hat die Münchner Polizeibehörde "ein Verbot gegen alle grässlichen und ekelerregenden Masken ergehen" lassen. Und 1907 verbot die Münchner Polizei, dass man Pferden lange Frauen-Unterhosen über die Vorderbeine zieht, weil manche Pferde dadurch gestürzt seien. Kurze Damen-Unterhosen, die den Pferden mehr Bewegungsfreiheit ließen, waren allerdings erlaubt.
Fasching bedeutete, Grenzen zu überschreiten. Doch an Aschermittwoch war alles vorbei. Dann hat man gesühnt und gefastet. Und heute? Wer über die Stränge schlägt, muss damit rechnen, dass es morgen auf Facebook verbreitet wird. An Aschermittwoch ist nichts vorbei. Jede fremdenfeindliche Bemerkung fördert die Vorurteile und heizt die negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen an. Ist Fasching noch eine Zeit der Narrenfreiheit? Oder kann es Narrenfreiheit nur dann geben, wenn hinterher eine Zeit der Besinnung folgt?