Sulzemoos:"Soccer Coach" missbraucht eine 13-Jährige

Prozess am Landgericht: Familienvater räumt Tat ein, will aber nicht gewusst haben, wie alt seine Internet-Bekanntschaft ist.

Von Andreas Salch

Sulzemoos: Sitzungssaal im Landgericht München.

Sitzungssaal im Landgericht München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Als Martin H. sich vor den Computer setzte und im Herbst 2007 begann in sozialen Netzwerken zu chatten, tat er dies um "neuen Mut zu schöpfen", wie er sagt. Die Ehe des heute 48-Jährigen war gescheitert, der Tod seiner Eltern hatte ihn getroffen und mit seinem Unternehmen ging es wirtschaftlich bergab. Beim chatten lernte Martin H., der sich unter dem Namen "Soccer Coach" (Fußballtrainer) anmeldete, 2007 die damals erst 13 Jahre alte Gabriele A. aus Sulzemoos (Name geändert) kennen. "Wie geht's, was machst Du, was sind Deine Interessen", solche Dinge habe er ihr geschrieben, sagt Martin H. Doch es blieb nicht bei solchen Fragen. Martin H. vereinbarte Ende 2007 mit der 13-Jährigen ein Treffen auf dem Parkplatz eines Schnellimbiss in Sulzemoos. Anschließend ging er mit Gabriele S. in den Wald, setzte sich mit ihr auf einen Jägerstand und berührte sie an ihren Brüsten und im Intimbereich. Erst zweieinhalb Jahre später vertraute sich Gabriele S. ihrer Mutter und deren Lebensgefährten an. Sie erstatteten Anzeige gegen Martin H. Im Oktober 2010 musste sich der Vater von drei Söhnen vor dem Amtsgericht Dachau wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten - und wurde freigesprochen. Der Angeklagte habe nicht wissen können, wie alt Gabriele S. damals bei dem Treffen im Herbst 2007 tatsächlich war, befand das Gericht. Martin H. gab an, er habe die Schülern auf etwa 15 geschätzt. Doch sie war eben erst 13, und aus juristischer Sicht somit noch ein Kind.

Am Dienstag stand H. erneut vor Gericht. Diesmal vor dem Landgericht München II. Denn die Staatsanwaltschaft hatte Berufung gegen die Entscheidung der ersten Instanz eingelegt. Wegen Arbeitsüberlastung hatte die Kammer keinen früheren Termin für die Hauptverhandlung bestimmen können.

Martin H. saß aufrecht auf seinem Platz auf der Anklagebank. Die sexuellen Übergriffe räumte er ein, ebenso wie schon vor dem Amtsgericht. Doch er blieb dabei, dass er Gabriele S. bei dem Treffen im Herbst 2007 auf etwa 15 Jahre geschätzt habe. Wenn er gewusst hätte, dass sie noch ein Kind ist, hätte er sie nicht berührt. Ob er es vielleicht billigend in Kauf genommen habe, dass seine Chat-Partnerin noch nicht 14 Jahre war, hakte Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler nach. Martin H. beharrte darauf, er habe das Mädchen älter geschätzt. Was er dachte, als er die Schülerin auf dem Parkplatz in Sulzemoos das erste Mal gesehen habe, will die Richterin wissen. "Sie kam sympathisch rüber" und sei geschminkt gewesen, antwortete der Angeklagte. Was in ihm vorgegangen sei, als er mit einer vermeintlich 15-Jährigen Händchen haltend auf dem Jägerstand saß, so etwas sei doch nicht üblich, meinte die Vorsitzende. Er sei deshalb ja auch in einer Sexualtherapie, entgegnete Martin H. Auch nach dem Treffen mit Gabriele S. hatte er noch mit jungen Mädchen im Internet gechattet. Er habe inzwischen bemerkt, so der 48-Jährige, dass das "nicht normal ist." Seiner neuen Partnerin, mit der ein Kind hat und seinem Therapeuten hat H. von seiner Neigung bislang nichts erzählt.

Gabriele S. wurde im Alter zwischen acht und 14 Jahren sexuell missbraucht. Von wem, sagte sie bei ihrer Vernehmung nicht. Das Treffen mit Martin H. habe sie im Nachhinein psychisch nicht belastet. Sie habe jedoch daraus die Lehre gezogen, sich nicht mit Bekanntschaften aus dem Internet zu verabreden. Der Prozess wird fortgesetzt.

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