Süddeutsche Zeitung

Sulzemoos:Der lange Weg zur Ampel

Seit Jahren kämpfen die Hutterers nach einem Beinahe-Unfall ihrer Tochter für eine sichere Querungsmöglichkeit der Staatsstraße in Einsbach. Nun erscheint eine Lösung greifbar.

Von Viktoria Großmann, Sulzemoos

Es war im November vor drei Jahren, als die damals neun Jahre alte Tochter von Birgit Hutterer auf der Brucker Straße in Einsbach nur knapp einem Verkehrsunfall entging. "Der Fahrer konnte gerade noch auf die andere Fahrspur ausweichen, zum Glück gab es keinen Gegenverkehr", sagt sie. Ihre Tochter muss auch heute noch täglich die viel befahrene Staatsstraße 2054 queren, die als Dachauer oder Brucker Straße durch den kleinen Ortsteil von Sulzemoos führt. Schul- und Linienbusse halten an der Straße, die kurvenreich ist und daher schwer einsehbar. Ein Kindergarten grenzt an, auch um zum Friedhof, zum Sportplatz oder zum Sparkassen-Automaten zu gelangen, müssen die Einwohner die Straße queren.

Für Birgit Hutterer und ihren Mann Ronald war das Erlebnis vor drei Jahren der Auslöser, sich für eine sichere Straßenquerung zu engagieren. Ihr Ziel haben sie noch immer nicht erreicht, doch eine Einigung scheint bevor zu stehen. Sie begannen damals Unterschriften zu sammeln, 143 Nachbarn konnten sie in dem 600-Einwohner-Dorf für ihr Anliegen gewinnen. Dazu den Sulzemooser Bürgermeister Gerhard Hainzinger (CSU), der selbst in Einsbach wohnt, und auch den Freisinger Landtagsabgeordneten Benno Zierer, der sich mangels Freier Wähler im Landkreis Dachau auch hier zuständig fühlt.

"Die Staatsstraße ist die offizielle Umleitung für die Autobahn", erklärt Hainzinger. "Sie ist wahnsinnig stark belastet." Mehrmals in der Woche komme es vor, dass sich der Verkehr in Kolonnen durch den Ort schiebt. "Dann ist da kein Rüberkommen."

Doch es dauert eine Weile, bis diese schlichte Erkenntnis Gehör findet. Im Februar 2014 reichen die Hutterers ihre Petition ein, im Juni wird sie erstmals im Landtag behandelt. Seither wird diskutiert, geprüft, vorgeschlagen, abgewiesen, weiter geredet. Zunächst wurde die Idee einer Verkehrsinsel verfolgt, dafür reichte jedoch der Platz nicht aus. Dann sollte es ein Zebrastreifen sein. Verkehrszählungen wurden gemacht und ergaben, dass statt der erforderlichen 50 Fußgänger gerade einmal die Hälfte die Straße quert. Bürgermeister Hainzinger zweifelt nicht an diesen Zahlen, aber er fragt sich, zu welcher Tageszeit gezählt wurde. "Im Schulverkehr wäre es sinnvoll." Auch Birgit Hutterer sieht die Zählungen kritisch. Morgens, etwa um 6.45 Uhr herum, seien die Kinder auf dem Weg zu den Bussen. Dann sollte gezählt werden, findet sie.

Es ist nicht die Autobahnumleitung allein, die den Verkehr nach Einsbach bringt. Durch die Lkw-Maut auf der B471 würden auch Schwerlasttransporter auf die Staatsstraße mitten durch das Dorf ausweichen. Hutterer sieht den Freistaat in der Pflicht: Das Verkehrssicherheitsprogramm 2020, welches das Innenministerium 2013 aufgelegt hat, und auch die vom Bundesverkehrsministerium geplante Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) dienen dem Schutz der Schwächsten im Straßenverkehr, auch präventiv. Ein Ziel der neuen StVO formuliert das Verkehrsministerium so: "Verbesserung der Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer, zu denen insbesondere Kinder und Senioren zählen." Auch im bayerischen Programm lautet ein Ziel: "Besonders gefährdete Gruppen wie Kinder, Fußgänger und Radfahrer besser zu schützen." Im Maßnahmenpaket wird auch die "Errichtung von barrierefreien, beleuchteten Querungshilfen für Fußgänger" angeführt. Einsbach ist eindeutig ein Fall für das staatliche Programm, findet Birgit Hutterer.

Das sehen mittlerweile auch einige der Abgeordneten im Petitionsausschuss so. Am 12. Oktober wurde die Petition zum zweiten Mal behandelt und erneut zurückgestellt. Es ist ein gutes Zeichen, denn viele Abgeordnete sehen die Berechtigung des Anliegens ein. Sie dringen auf eine Einigung zwischen Gemeinde und Freistaat, sie sollen klären, wer die Kosten trägt.

Eine Lösung erscheint greifbar: Das staatliche Bauamt Freising hatte eine Ampel vorgeschlagen, die nur auf Anforderung Grünlicht für Fußgänger zeigt. Kosten: 30 000 Euro. Da es sich um eine Staatsstraße handelt, müsste der Freistaat zahlen. Das lehnte er im Februar jedoch ab.

Die Gemeinde ist hin- und hergerissen. Sie hatte angeboten, das Grundstück zu stellen, sowie den Stromanschluss zu legen und die Stromkosten zu tragen. Soll sie die gesamte Ampelanlage zahlen? Hainzinger findet das nicht richtig. Der Staat solle seinen Aufgaben nachkommen. Es werde schon genug auf die Kommunen abgewälzt. Eine solche Eigeninitiative, die dem Etat des Bundeslandes gelegen käme, soll nicht Schule machen. "Am Ende muss unsere Gemeinde in allen Ortsteilen selbst die Ampeln aufstellen."

Hainzinger hat Grund, zuversichtlich zu sein: Es soll eine neue Gesprächsrunde mit Vertretern aller Behörden geben. Er hofft, dass der Freistaat doch noch einlenkt oder zumindest eine Kostenverteilung gefunden wird, mit der die Gemeinde leben kann. Birgit Hutterer und ihr Mann sind nicht bereit, aufzugeben. Wenn sich keiner findet, der die Ampel bezahlt, dann, so sagt sie, wollen sie das Geld selbst auftreiben. Sie denken bereits darüber nach, eine Spendenaktion zu organisieren. Es geht um die Sicherheit aller Fußgänger, sagt Hutterer, und vor allem "um die Sicherheit unserer Kinder". Vielleicht besinnt sich der Freistaat aber auch auf sein Motto aus dem Verkehrssicherheitsprogramm: Der Stärkere gibt nach.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2016
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