Stück "Bixlmadam":Fast wie im richtigen Leben

Dem Theater am Stadtwald gelingt mit der "Bixlmadam" ein Glücksgriff.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Ganz Oberbayern stöhnt unter den angesagten Geboten von politischer Korrektheit und Gentrifizierung. Mit anderen Worten: Deftige Sprache ist so was von out, frauenfeindliche Witze sowieso. Ganz Oberbayern? Nein, ein alteingesessenes Theater in einer kleinen Großen Kreisstadt leistet tapfer Widerstand: Hier wird geflucht und gegrantelt, hier werden Frauen - und Preißn sowieso - derbleckt, was das Zeug hält. Unter dem Deckmantel einer bayerischen Komödie mit dem sinnigen Namen Bixlmadam haben sich mutige Frauen und Männer zusammengefunden, um den Klugscheißern da oben zu zeigen, dass das Bayerische in all seinen Ausprägungen zum Land gehört wie Leberkäs und eine Mass Bier.

Solche Gedanken können einem kommen, wenn man sich knapp zwei Stunden lang darüber amüsiert hat, wie drei g'standene Mannsbilder auf ein aufgetakeltes Weibsbild hereinfallen, während der belächelte "Preiß" mal eben in aller Unbeholfenheit sein Glück findet. Mit der Auswahl seines jüngsten Stücks, der Bixlmadam von Peter Landstorfer (2015 uraufgeführt) eben, hat das Theater am Stadtwald einen echten Glücksgriff gemacht - mit der Auswahl der Darsteller sowieso. Warum?

Stück "Bixlmadam": Journalist Hasselblad (Christopher Hollfelder), Hotelier Wössl (Gustav Grüne) und die Unternehmerwitwe Flickedanz (Alexandra Obermeier, v. li.).

Journalist Hasselblad (Christopher Hollfelder), Hotelier Wössl (Gustav Grüne) und die Unternehmerwitwe Flickedanz (Alexandra Obermeier, v. li.).

(Foto: Toni Heigl)

Plädoyer für die Volkskultur

Auch wenn die Bixlmadam wie eine typische Komödie des Vielschreibers Landstorfer daherkommt und irgendwo zwischen der guten alten Zeit und der Moderne angesiedelt ist, so hat sie durchaus einen tieferen Sinn. Sie ist ein unterhaltsames Plädoyer für die Volkskultur. Das zeigt sich schon bei der Wahl des Titels: Bixlmadam nannte man zu napoleonischen Zeiten eine Frau, die mit ihrer "Bixn" zur Jagd ging, was ihr eigentlich strengstens verboten war. Heute charakterisiert man damit im umständlichen Hochdeutsch eine Möchtegern-Dame, bei der alles mehr Schein als Sein ist. Und das ist bei der Titelheldin "Madam von Ogebarin" (hinreißend: Marion Peccolo) der Fall. Im superkurzen Fummel, kräftig geschminkt und reichlich behängt mit falschem Schmuck, rauscht sie ins Möchtegern-First-Class-Hotel "Zum springenden Bock". Dorthin hat es auch drei versierte Rosstäuscher verschlagen. Sie passen nicht so recht ins gewollt vornehme Ambiente - sprich ins bewundernswerte Bühnenbild von Adi Morgott, Jürgen Sigrüner, Brigitte Günzel-Sigrüner - und zum pseudo-französischen Getue des Hoteliers Johann Wössl (perfekt besetzt mit Gustav Grüne).

Doch Geld stinkt nicht, und das Trio (Ernst Konwitschny, Heinz Dietz, Herbert Thurner in ihrem Element) darf bleiben und ein Bier nach dem anderen zechen. Was die übrigen Hotelgäste, den Journalisten und Fotografen Jens-Holger Hasselblad (urkomisch Christopher Hollfelder) und die lebensfrohe, geschäftstüchtige Unternehmerwitwe Eva-Maria Flickedanz (resolut-liebenswert: Alexandra Obermeier) kaum stört. Denn was die Witwe unter einem "pfundigen Tag" versteht, den sie mit dem schüchternen Jens-Holger zu verbringen gedenkt, ist weit von dem entfernt, was sich der ungelenke Jüngling erträumt. Doch das ist eine andere Geschichte mit Happy End. Soviel sei verraten.

Stück "Bixlmadam": Die Rosstäuscher Heinz Dietz und Herbert Thurner (v. li.) passen nicht ganz ins gewollt vornehme Ambiente.

Die Rosstäuscher Heinz Dietz und Herbert Thurner (v. li.) passen nicht ganz ins gewollt vornehme Ambiente.

(Foto: Toni Heigl)

"Todsichere" Tipps fürs Pferderennen

Das Rosstäuscher-Trio hingegen prahlt mit Manneskraft und Verführungskünsten. Was zu einer verhängnisvollen Wette führt: Wer als erster bei der schönen und vermeintlich mit "Pulver" gut versehenen Madam von Ogebarin landet, soll der Sieger sein. Doch die Dame spielt ihr eigenes Spiel. Kräftig unterstützt wird sie dabei vom Hotelier, von der Kellnerin Susi (ganz schön ausgebufft: Lisa Hingerl) und vom Pianisten, Hausburschen, Koch und Kellner in Personalunion Lipp (der heimliche Star des Abends: Bernd Leupold). Lipp schafft es blitzartig, seinen diversen Aufgaben auch äußerlich gerecht zu werden, verwandelt seine Hausburschen-Unform in Sekundenschnelle mit ein paar geschickten Handgriffen in die angemessene Kochbekleidung oder ins Klavierspieler-Outfit. Möglich machen das die Schneiderkünste von Fanny Lehmeier, Hermine Gruber und Christl Thurner, die alle Darsteller mit viel Liebe zum Detail ausgestattet haben.

Doch zurück zu den drei Rosstäuschern. Sie lassen reichlich Bier, Champagner, Cognac und Sherry fließen, um an ihr Ziel zu kommen, spielen der Madam den selbstmordgefährdeten verlassenen Ehemann, den beinamputierten, verarmten "Pulveranten" und den fast immer erfolgreichen "Rossner" mit den todsicheren Tipps fürs Pferderennen in Paris vor. Da sitzt jeder Blick, jede Geste, jeder Schritt - und das Publikum im ausverkauften ASV-Theatersaal biegt sich vor Lachen. Wer wen getäuscht hat, sollte man sich unbedingt ansehen. Denn das Ende der Geschichte ist typisch bayrisch-hinterfotzig. Nicht politisch korrekt, aber fast wie aus dem richtigen Leben.

Weitere Vorstellungen: Samstag, 12. November, Freitag/Samstag 18./19. November, Freitag/Samstag, 25./26. November, jeweils 20 Uhr, Einlass 18.30 Uhr. Regie: Erich Meister.

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