Streifzüge durch die Antike:Geschichte mal anders

Die seltsamsten Orte der Antike

Im Plauderton erzählt der Althistoriker Manfred Zimmermann die wahre Geschichte Kleopatras.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Freitags um fünf" mit Historiker Martin Zimmermann

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wer war noch mal "diese Sexbestie aus Alexandria"? Die vielen Zuhörer im Pfarrsaal von Heilig Kreuz in Dachau wissen das am Freitagabend längst. Sie sind gekommen, um "Freitags um fünf" den Althistoriker Martin Zimmermann über "die seltsamsten Orte der Antike" sprechen zu hören. Die hochkarätige Veranstaltungsreihe ist ein gemeinsames Projekt der Initiative "Kreuz und Quer" und des Dachauer Forums. Und besagte "Sexbestie", ist die letzte Ptolemäer-Königin Kleopatra, die im kollektiven Gedächtnis durch Liz Taylor manifestiert ist. Das weiß Zimmermann nur allzu gut. Und zeigt noch vor einem eher realen Abbild der mythenumwobenen Herrscherin ein Szenenfoto aus dem unvergesslichen Hollywood-Schinken. Im Plauderton erzählt er die wahre Geschichte von Kleopatras Leben. Er räumt fast wie nebenbei mit Fake News in Sachen Liebesleben, Freitod durch den gewollten Biss einer Kobra ("Alles Quatsch, du kriegst keine Kobra dazu, sich unter Feigen zu verstecken) und Grab Kleopatras ("Das wird man nie finden") auf - hält seine Zuhörer in atemloser Spannung und bringt sie immer wieder zum Lachen.

Es ist erstaunlich, mit welcher Akribie er seine Forschungsergebnisse immer wieder in Bezug zur aktuellen Situation und zur möglichen künftigen Entwicklung in der Region setzt. Ihn interessiere "die Entwicklung von der Siedlung zur Stadt, das Werden und Vergehen." Das wird deutlich, als er über Eridu spricht, eine der 38 000 antiken Stätten in Kleinasien, die bislang bekannt sind. "Wenn man da noch die Dörfer und Gehöfte hinzuzählt, steigt die Zahl ins Unendliche", sagt er.

Für Zimmermann ist das heute fast vergessene Eridu im Südirak eine der wichtigsten Stätten der Siedlungsgeschichte. Sie reicht bis ins sechste vorchristliche Jahrtausend zurück. Wegen ihrer Fruchtbarkeit galt die Region als Vorbild für das biblische Paradies; ihrem Gott der Weisheit, Enki, bauten die Bewohner eine Zikkurat, eine Stufenpyramide, ihre Schöpfungsmythen berichten von der großen Sintflut, lange vor dem Alten Testament. Mit dem Aufstieg von Ur begann der Niedergang Eridus, bis es schließlich völlig aus dem Gedächtnis entschwand. Heute ist aus dem Paradies eine in weiten Teilen trostlose Landschaft geworden. Warum? Weil der Wasserstand des Euphrat wegen der gigantischen Staudämme in der Türkei, in Syrien und im Irak immer weiter sinkt, weil Sadam Hussein in den 1990er Jahren das wasserreiche Gebiet systematisch entwässern ließ, um den dort lebenden Schiiten die Lebensgrundlage zu entziehen. Mittlerweile, das zeigt Zimmermann mit aktuellen Fotos, gibt es wieder ein paar Flecken auf der Landkarte, die daran erinnern, wie wunderbar es sich im verlorenen Paradies leben ließ. Da stellt sich für Zimmermann gleich die nächste Frage: Was ist aus dem berühmten Turm zu Babylon, dem Etemenanki, geworden? Die Antwort ist verblüffend: ein Ententeich inmitten der einst so prachtvollen Stadt. Der Etemenanki hatte mit einer Grundfläche von 90 mal 90 Metern und einer Höhe von 80 Metern riesige Ausmaße. Und sorgte so für Hass und Neid der Gegner der babylonischen und assyrischen Reiche. Sie zerstörten ihn, so wie es die Soldaten der beiden Irakkriege Ende des 20. Jahrhunderts mit den Rekonstruktionen und Überresten taten.

Es ist ein Genuss der besonderen Art, diesem Wissenschaftler auf seiner Spurensuche zu folgen, und es ist ein fast noch größerer Genuss, Zimmermanns Buch "Die seltsamsten Orte der Antike" zu lesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: