Straßen und Plätze in Karlsfeld:Alles eine Frage des Namens

Straßen und Plätze in Karlsfeld: Ein Ort, viele Namen: Berliner Platz und Rathausplatz haben nun ausgedient. Der Platz am Bürgertreff heißt von nun an Marktplatz.

Ein Ort, viele Namen: Berliner Platz und Rathausplatz haben nun ausgedient. Der Platz am Bürgertreff heißt von nun an Marktplatz.

(Foto: Toni Heigl)

Der Karlsfelder Gemeinderat definiert nach Jahrzehnten die Bezeichnung eines Platzes im Ortskern. Die Straße am künftigen Gymnasium ist noch unbenannt

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Der Volksmund ist erfinderisch. Das hat er in Karlsfeld einmal mehr bewiesen. Für den Platz an dem der Bürgertreff und die Bücherei liegen, gab es bislang keinen Namen - zumindest offiziell nicht. Unter der Hand kursierten im Ort allerdings gleich drei: Einige Karlsfelder nannten ihn Rathausplatz, weil er eben an der Rathausstraße liegt, andere sprachen immer vom Marktplatz, weil dort jede Woche ein paar Stände aufgebaut werden, an denen frisches Obst und Gemüse verkauft wird. Tja, und dann gab es noch eine dritte Fraktion, die bezeichnete den Platz als Berliner Platz. Aber das ist wohl ein wenig aus der Mode gekommen - zumindest hört man den Namen nur noch selten. Womöglich liegt es auch daran, dass das Quartier schon lange bebaut ist und die vielen Neubürger den Grund für den Namen gar nicht mehr kennen. Der Investor, der das Areal seinerzeit überplante, kam nämlich aus Berlin, erklärt Bernd Wanka (CSU) der SZ. Und so führte gerade diese Bezeichnung vor kurzem zu einiger Verwirrung, die lebensgefährlich hätte enden können. Der Krankenwagen wurde zum Einsatz gerufen, doch das Rettungsteam wusste nicht, wohin es fahren sollte, denn einen Berliner Platz, wie der Hilferufende angegeben hatte, fanden sie auf keiner Karte. Sie riefen schließlich in ihrer Verzweiflung Wanka an, der auch mal zum Team des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) gehörte und baten ihn um Hilfe. Bereitwillig lotste der Gemeinderat seine früheren Kollegen zum Einsatzort. Doch das zeigte, wie wichtig es ist, einen offiziellen Namen zu vergeben. Und so holte der Umweltausschuss dies in seiner jüngsten Sitzung Jahrzehnte später nach. Der Platz heißt von nun an Marktplatz, so das einstimmige Votum.

Auch für die kleine Straße im Karlsfelder Westen, an die künftig das neue Gymnasium gebaut werden soll, wollen die Gemeinderäte einen Namen finden. Im vergangenen Juli, als die neuen Straßen für das noch immer brach liegende Ludl-Gelände vergeben wurden, plädierten die Grünen vehement dafür, mehr Straßen nach Frauen zu benennen, denn es herrsche ein großes Ungleichgewicht: 43 Straßen seien bereits Männern gewidmet und nur etwa eine Hand voll Frauen. Einig ist man sich diesmal, dass eine Wissenschaftlerin geehrt werden soll. Es gibt zwei Vorschläge: Therese von Bayern favorisiert die CSU. Emmy Noether dagegen das Bündnis. Eine Entscheidung steht noch aus.

"Therese von Bayern ist noch nicht so häufig vergeben", warb Bernd Wanka (CSU) für die Wittelsbacherin. Sie war Ethnologin, Zoologin, Botanikerin und Reiseschriftstellerin, dabei hatte sie nie eine Schule oder die Universität besucht. Alles, was sie wusste, hatte sie sich selbst beigebracht, denn Frauen hatten seinerzeit keinen Zugang zur Bildung. Das Frauenstudium wurde in Bayern erst 1903 eingeführt, für die 1850 geborene Prinzessin, Tochter des Prinzregenten Luitpold von Bayern, zu spät. Therese galt als eigenwillig und selbstbewusst. Mit 21 Jahren begann sie zunächst Europa und Nordafrika zu bereisen, lernte dabei zwölf Landessprachen, später konzentrierte sie sich auf Südamerika. Von dort brachte sie zahlreiche zoologische, botanische und ethnologische Objekte mit, die heute noch in den Münchner Staatssammlungen und dem Museum Fünf Kontinente zu sehen sind. Nach ihr sind bisher ein Gymnasium in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und die Münchner Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung benannt.

Emmy Noether (1882 bis 1935) profitierte bereits davon, dass Prinzregent Luitpold 1903 das Frauenstudium einführte. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, besuchte zunächst die Höhere Töchterschule. 1900 legte sie die Staatsprüfung zur Lehrerin für Englisch und Französisch an Mädchenschulen in Ansbach ab und holte 1903 das Abitur nach. Dann studierte sie in Erlangen Mathematik. Noehter war die zweite Frau in Deutschland, die in Mathematik promovierte. Die Universität Göttingen, die damals das führende mathematische Zentrum in der Welt war, rief sie zu sich. Als sie habilitieren wollte, kam es zu heftigen Diskussionen und starker Ablehnung seitens ihrer männlichen Kollegen in der Fakultät. Es fiel der Ausspruch: "Eine Fakultät sei doch keine Badeanstalt". Erst in der Weimarer Republik wurden Frauen zur Habilitation zugelassen und so konnte Noether 1919 als erste Frau in Deutschland in Mathematik habilitieren. Sie war auch die erste Frau, die eine Professur erhielt - allerdings nicht verbeamtet. Noehter lieferte während ihrer wissenschaftlichen Laufbahn grundlegende Beiträge zur abstrakten Algebra und zur theoretischen Physik. 1933 entzogen ihr die Nazis die Lehrerlaubnis. Daraufhin emigrierte sie in die USA.

"Es wäre schön, wenn die Straße am Ende wie das Gymnasium heißt", wünscht sich der Grünen-Gemeinderat Michael Fritsch. Er favorisiert Emmy Noether. Allerdings gibt es schon in vielen Städten nach ihr benannte Straßen, unter anderem auch in München.

Gar keinen Namen bekommt übrigens ein kleiner Weg, der die Hoch- mit der Münchner Straße verbindet. Ein Bürger hatte beantragt, einen Namen für das kurze Stück zu geben. Doch die Gemeinderäte waren sich einig: Der Weg ist zu kurz, gut einsehbar und ein neuer Name zu aufwendig. Es gäbe andere Straßen, die eher einen Namen verdient hätten, befand das Gremium.

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