Süddeutsche Zeitung

Inklusive Wohngemeinschaft:Studenten helfen Behinderten

Die Eben-Stiftung unterstützt den Plan der Caritas Oberbayern, in Dachau ihre erste inklusive Wohngemeinschaft überhaupt aufzubauen.

Von Wolfgang Eitler, Petershausen

Nachdem die gemeinnützige Franz-und-Rosa-Eben-Stiftung die Gesellschaftsanteile der Eben-Elektronik GmbH in Petershausen übernommen hat, engagiert sie sich in der Integration von behinderten Menschen im Landkreis Dachau. Als erstes Projekt unterstützt sie die Caritas beim Aufbau einer inklusiven Wohngemeinschaft in der Stadt Dachau mit einem Betrag von 250 000 Euro. Es ist das erste Projekt dieser Art der Wohlfahrtsorganisation in ganz Oberbayern.

Vor mehr als 60 Jahren hatte in Petershausen der Ingenieur Franz Eben mit dem Aufbau seines Unternehmens begonnen. Zunächst konzentrierte er sich auf die Unterhaltungselektronik. Dann folgte der Um- und Aufbruch Richtung Hightech. Eben-Elektronik stellt jetzt Platinen für Frachtflugzeuge her. Die Produkte werden gebraucht, damit die Be- und Entladung optimal gesteuert werden kann. Dazu musste das Unternehmen die anspruchsvollen Anerkennungen durch die Luftfahrtindustrie erwerben. Zweites Standbein ist die Medizintechnik mit der Produktion der Elektronik für professionelle Defibrillatoren, wie sie in Rettungswagen und Hubschraubern eingesetzt werden. Mit diesen beiden wichtigen und lukrativen Produktionszweigen dürfte die Zukunft des Unternehmens mit 43 Mitarbeitern gesichert sein. Geschäftsführer Georg Grahammer sagt: "Wir sehen sehr positiv in die Zukunft."

Modewort Inklusion

Schwieriger war es, die Nachfolge von Franz Eben zu regeln, der im Jahr 2013 starb. Auch seine Frau Rosa lebt nicht mehr. Noch vor seinem Tod hatte Franz Eben die Weichen für eine Stiftung gestellt. Mit dieser Aufgabe betraute er seinen Steuerberater Stefan Halser aus Riedenburg und den Dachauer Rechtsanwalt Ernst Burgmair, der mit dem Unternehmen seit 35 Jahren eng verbunden ist und mithalf, es durch schwierige Zeiten zu steuern. Seit wenigen Wochen liegt die Anerkennung der Gemeinnützigkeit vor. Das Ziel der Stiftung hatten die Gründer ebenfalls vorgegeben. Wegen persönlicher und familiärer Erfahrungen soll ein Teil der Erträge von Eben Elektronik in die Inklusion behinderter Menschen fließen.

Dieser Begriff geistert als Modewort durch ganz Deutschland. Den einen gilt schon die Einbindung von einigen behinderten Kindern in eine Regelschule als erfolgreiches Modell gegen Ausgrenzung. Die Monitoringstelle der Bundesregierung hingegen stellt wesentlich höhere Ansprüche, die auf eine echte Teilhabe behinderter Menschen in der Gesellschaft abzielen. Beispielsweise müssten Schule so umgebaut werden, dass ein gemeinsames Lehren und Lernen aller Kinder möglich wird. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn behinderte Menschen nicht mehr in Heimen lebten, sondern in Wohnungen mitten in den Dörfern und Städten.

Das Franziskuswerk in Schönbrunn im Landkreis Dachau hat damit begonnen, Außenwohngruppe zu gründen, anstatt geistig behinderte Menschen in dem Ort zentral anzusiedeln. Der Verein Gemeinsam Leben Lernen e.V. in München bildet Wohngemeinschaften, an denen sich Studenten als Betreuer beteiligen. Sie übernehmen kleinere Dienste und wohnen deswegen teilweise mietfrei. Die Caritas in Oberbayern schließt sich dieser Ideen an und will in Dachau ihre erste inklusive Wohngemeinschaft überhaupt aufbauen. Dabei wird sie von Markus Tolksdorf, dem Geschäftsführer des Franziskuswerks unterstützt, der Mitglied im Kuratorium der Eben-Stiftung ist. Seine beiden weiteren Kollegen sind der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Dachau, Anton Osterauer, und Dachaus Altlandrat Hansjörg Christmann.

Eine Immobilie zu bekommen, war nicht einfach

"Dieses Projekt ist für uns ein Perspektivenwechsel", sagt Kathrin Klaffl, stellvertretende Geschäftsführerin für den Behindertenbereich bei der Caritas in Oberbayern. In dieser Funktion ist sie auch für Dachau zuständig. Die Wohngemeinschaft soll aus neun Mitgliedern bestehen; vier davon sollen Studenten sein. Hinzukommen Fachkräfte, welche die Behinderten betreuen. Zunächst wollte die Caritas ein Haus mieten. Sie scheiterte jedoch am Wohnungsmarkt im Ballungsraum. Klaffl sagt: "Wir haben in Dachau lange gesucht. In dieser Boomregion ist es schwer, Immobilien zu bekommen." Deshalb entschloss sich die Geschäftsführung zum Kauf eines Gebäudes. Deswegen braucht die katholische Wohlfahrtsorganisation Spenden, wie eben die 250 000 Euro von der Franz- und Rosa-Eben-Stiftung. Kathrin Klaffl wünscht sich weitere Unterstützer, die sich das Unternehmen in Petershausen zum Vorbild nehmen.

Deswegen strebt der Dachauer Rechtsanwalt Ernst Burgmair als Vorsitzender der Franz-und Rosa-Eben-Stiftung einen Verbund mit ähnlich gelagerten Stiftungen in Deutschland an, die sich speziell für die Inklusion nach den Prinzipien der UN-Behindertenkonvention einsetzen wollen. Ein erstes Treffen dazu ist im Februar in Berlin geplant. Burgmair sagt: "Denn echte Inklusion ist teuer."

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SZ vom 18.01.2016/gsl
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