Stefan Löwl im ZDF:Nörgler in der Wohlfühl-Show

Die Integration der Flüchtlinge wird alle fordern, sagt der Dachauer Landrat beim ZDF-Themenabend. Welche politischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind, lässt er allerdings offen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Stefan Löwl steigt in einen Wohncontainer. Es ist eines dieser grauen Provisorien aus Blech. Jede Woche muss seine Behörde 42 neue Flüchtlinge unterbringen. "In einem Landkreis mit großem Bevölkerungswachstum und Wohnungsmangel ist das eine große Herausforderung", sagt er in die Kamera. Im ZDF-Themenabend zu 25 Jahren deutscher Einheit hat Löwl am Donnerstagabend seine großen zehn Minuten. Bleibenden Eindruck wird er bei den wenigsten hinterlassen haben. Aber das dürfte auch kaum sein Ansinnen gewesen sein. Der Dachauer Landrat sitzt stellvertretend für Tausende anderer Kommunalpolitiker in Bayern im Studio. Das weiß Löwl auch.

Es dauert fast eine Stunde bis zu seinem Auftritt. Erst einmal werden die Fortschritte der Wiedervereinigung ausgelotet. Moderatorin Maybrit Illner stellt Fragen zu Vorurteilen über Ossis und Wessis, über die neue nationale Herausforderung: die Integration der Flüchtlinge. Im Schatten dieser Diskussion scheint die Erkenntnis auf, dass man bei dem Projekt Deutsche Einheit die Migranten völlig vergessen hat. Aber die Talkrunde ist nicht auf Krawall gebürstet, alle sind lieb zueinander. Schauspieler Jan-Josef Liefers mag Pegida-Anhänger nicht als "Pack" bezeichnen, auch Comedian Michael Mittermeier verspürt wenig Lust darauf, jetzt Probleme zu wälzen: Wie herzlich die Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof aufgenommen worden seien, das sei doch toll, das solle man ruhig mal auf sich wirken lassen und genießen.

Aber dann kommt Spielverderber Stefan Löwl ins Bild. "Es ist schön, wenn man Flüchtlinge mit warmen Herzen aufnehmen kann", sagt er. "Aber mit dem warmen Herzen darf man den kühlen Kopf nicht vergessen." Was passiere, wenn die mediale Aufmerksamkeit weg sei? "Dann bleibt das Thema immer noch auf der Arbeitsebene zu lösen." Die Arbeitsebene ist seine Ebene, glanzlos und kühl wie das Blech eines Wohncontainers.

Lampenfieber

In dieser sonst so gefühlig-positiven Sendung wirkt Löwl wie ein Fremdkörper. Das liegt einerseits am Thema Flüchtlinge, das mit all seinen Schwierigkeiten und offenen Fragen die schwarz-rot-goldene Nabelschau doch etwas stört. Und es liegt an der Person Löwls. Er ist Verwaltungsjurist unter lauter Fernsehmenschen. Etwas steif klebt er auf dem Stuhl, außerdem redet er zu schnell. Löwl ist aufgeregt. Lampenfieber.

Manchmal kommen ihm sperrige Formulierungen über die Lippen, die verraten, dass da einer den Spagat versucht zwischen Amtsperson und Christenmensch, zwischen Parteilinie und der Erwartung der TV-Öffentlichkeit. Zum Beispiel sagt er: "Die, die mit einem Grund zu uns kommen, aber nicht mit einem Asylgrund, sollte man mit Starthilfe wieder die Möglichkeit geben, ihr Leben zu gestalten." Es klingt wie ein Abschiebemodell mit Wohlfahrtscharakter. Die harte CSU-Linie, die aber bitte keinem wehtun soll. Man wird nicht ganz schlau daraus, wie Löwl sich das genau vorstellt.

Ein Einspieler zeigt, wie es dieser Tage zugeht in seinem oberbayerischen Landkreis. Man sieht den Bauernhof der Familie Rühle in Schönbrunn. Dort arbeitet der Nigerianer Emanuel. Der Bauer gibt zu, dass er am Anfang etwas skeptisch gewesen sei, aber jetzt ist er voll des Lobes. Kartoffeln sortieren, das könne der junge Mann, das habe er wirklich drauf. Emanuel darf auch ein paar Sätze sagen. "Ich hoffe auf ein besseres Leben und will in Deutschland leben." Vermutlich nicht als Kartoffelsortierer. Aber höfliche Menschen wissen, wann sie besser schweigen.

Lagerkoller

Dabei kann er noch von Glück reden. Die Dachauer Berufsschulturnhalle ist voll mit jungen Flüchtlingen, die nicht arbeiten dürfen. Alle hocken aufeinander, immer wieder gibt es Auseinandersetzung. Lagerkoller, sagt ein Kümmerer. Dauda aus Sierra Leone ist schon seit zwei Monaten dort: "Hier zu leben ist nicht einfach. So viele Menschen. Die Betten sind zu schmal. Man kann sich nicht umdrehen." Der Rücken tut ihm weh. Aber er beklagt sich nicht. Was man nicht ändern kann, muss man erdulden.

Und die Dachauer? Einige Halbwüchsige kommen zu Wort mit recht verwaschenen Aussagen wie: "Solange es nicht auf unsere Kosten geht, ist es okay." Einer sagt, er habe das Gefühl, die Politiker hätten unterschätzt, wie viele Flüchtlinge kommen. Löwl kennt auch nicht alle Antworten, das bekennt er freimütig. Aber er hoffe auf die Hilfe der großen Politik. Ob er damit mehr Geld oder weniger Flüchtlinge meint, bleibt offen.

Wenn nachts das Diensthandy klingele, kriegt er schon mal Schweißausbrüche, erzählt er. Es könnte ja was passiert sein: ein Anschlag auf eine Asylunterkunft zum Beispiel. Und dann folgt der merkwürdige Nachsatz, dass es genauso schlimm wäre, wenn ein Asylbewerber einen Deutschen angriffe. "Weil das für die Stimmung sehr problematisch wäre." An dieser Stelle hätte man sich ein kritisches Wort zur CSU-Staatsregierung gewünscht, die selbst einiges tut, was der Stimmung gegenüber Flüchtlingen nicht gerade zuträglich ist.

Bürger in der Pflicht

Stattdessen nimmt Löwl die Bürger in die Pflicht und sagt, dass die größte Aufgabe jetzt erst auf das Land zukomme: die anerkannten Flüchtlinge zu integrieren. Diese Aufgabe fordere alle, da könne keiner sagen, das sollten andere machen. Ein guter und richtiger Appell. Dass er ihn ausgerechnet mit den Ausführungen des Grundgesetzes begründet, ist überflüssig und obendrein falsch. Jeder Staatsrechtler hätte Löwl um die Ohren gehauen, dass das Grundgesetz eben nicht die Pflichten des Individuums festschreibt, sondern die des Staates. Aber das ist nur ein akademisches Detail am Rande.

Alles in allem hat Löwl sich bei seiner TV-Premiere ordentlich geschlagen. Im eigenen Lager darf man den Auftritt schon jetzt als Punktsieg werten. Schwabhausens CSU-Chef Florian Scherf gratulierte Löwl: "Du hast die Situation, auch die Sorgen der Menschen, die du vertrittst, sehr authentisch rübergebracht."

Wer die Sendung verpasst hat, kann sie in den kommenden Tagen noch in der ZDF-Mediathek abrufen: http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/2503688/Sind-wir-ein-Volk?

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