Süddeutsche Zeitung

Stadtrat:Wenn Mitbestimmung zur Farce wird

Der Münchner Regionalplan trifft Aussagen zum Grünzug. Die Dachauer dürfen mitreden, aber was sie sagen, scheint bei den Behörden keinen zu interessieren

Von Viktoria Großmann, Dachau

Theoretisch wird in der Metropolregion manchmal Gemeindegrenzen überschreitend zusammengearbeitet. Also zwischen München und dem, was die Stadt eigentlich erst zur Metropole macht, dem Umland. Dazu stellt der regionale Planungsverband München einen Regionalplan auf, der beständig fortgeschrieben wird. Da steht dann grob drin, wo noch Straßen hingebaut werden sollen, was ein Hauptsiedlungsbereich ist und was zu einer S-Bahn-Station gehört. Fahrradständer nämlich. Oder vielleicht auch eine Ladestation für E-Autos.

Zu diesem Regionalplan dürfen sich jeweils die Kommunen äußern. Die Große Kreisstadt Dachau nutzt diese Chance und bringt tatsächlich recht detailliert auf vielen Seiten ihre Ansichten ein, drängt auf zusätzliche, klarstellende Halbsätze oder will Verben ausgetauscht haben. Oder auch festgeschrieben sehen, dass es noch Bedarf an Park-and-Ride-Plätzen gibt.

Absatz für Satz und Satz für Sätzchen wurde all das erst vor einem Jahr im Bau- und Planungsausschuss des Stadtrats beraten, diskutiert, beschlossen, aufgeschrieben und abgeschickt. Verwundert reagierte man daher in der Stadtverwaltung, als der überarbeitete Regionalplan wieder vorgelegt wurde und alle Einwendungen Dachaus fehlten. Eine kurze Nachfrage, eine lange Entschuldigung: In München hatte man das Schreiben aus Dachau verbummelt. "Verschlampt", wie der Oberbürgermeister es nannte, bevor er erneut mit den Stadträten über den Regionalplan diskutierte.

In der aktuellen Fassung stehen erstaunliche Dinge. Zum Beispiel, dass der regionale Grünzug in den Bereichen südöstlich und nordöstlich des Gewerbegebiets Am schwarzen Graben entfallen soll. Vorweg: Dem stimmte der Bauausschuss tatsächlich gegen nur eine Stimme, die des Grünen-Stadtrats Thomas Kreß, zu. Die Verwaltung hatte lediglich den Zusatz gemacht, dass die derzeit geplante Ostumfahrung "die künftige Westgrenze des Grünzugs bilden soll". Umweltreferentin Sabine Geißler (Bündnis), die im Bauausschuss kein Stimmrecht hat, aber etwas sagen durfte, sprach sich vehement gegen diese Beschneidung des Grüns aus. Thomas Kreß wurde grundsätzlich und regte sich darüber auf, dass eine, wie er sagte, nachweislich ineffiziente Ostumfahrung überhaupt im Regionalplan stehe.

Zudem sollte die Stadt zustimmen, dass sogenannte Hauptsiedlungsbereiche an den S-Bahnstationen Schwabhausen, Erdweg, Hebertshausen, Röhrmoos und Vierkirchen ausgewiesen werden. Darüber ärgerte sich Kai Kühnel (Bündnis). Dann solle doch mal definiert werden, was so ein Hauptsiedlungsbereich sei. Dann sollten bitteschön Neubaugebiete nicht mehr als 300 Meter von der S-Bahn entfernt sein. Nicht, wie Kühnel sagte, 2,5 Kilometer wie in Röhrmoos. So werde nur neuer Autoverkehr produziert. Die Formulierung sei eine Farce.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erwiderte: "Man kann sich fragen, ob nicht der ganze Regionalplan eine Farce ist." Das sei ja alles gut gemeint mit der gemeinsamen Planung und dass sich jeder dazu äußern dürfe, aber letztlich "interessiert das keinen". Die Einwände würden, wenn es darauf ankäme, "weggeredet", an die eigenen gesetzten Ziele würde sich nicht gehalten.

Auch den langjährigen Stadtraten ist das nur allzu bewusst, man kann ihnen zugutehalten, dass sie trotzdem immer wieder ernsthaft auch diese Papiere diskutieren. Die Abstimmung war dennoch von Ernüchterung getragen. Den von der Stadtverwaltung nur leicht abgewandelten Formulierungen aus München wurde zugestimmt. Immerhin haben die Fraktionen sich mal wieder über ihre Ziele ausgetauscht und ein paar Grundsatzpositionen deutlich gemacht. Das kann nützlich sein und sei es nur, um in der nächsten Debatte eine Wortmeldung zu beginnen mit: "Wir haben immer deutlich gemacht, dass . . .".

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Quelle:
SZ vom 22.05.2017
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