Stadtrat:Dachauer Sündenfall

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Der Abriss des Amalie-Nacken-Heims wäre die Chance gewesen, dem Villenviertel an der Hermann-Stockmann-Straße seinen Charme zurückzugeben. Doch der Stadtrat hat geschlafen.

Walter Gierlich

Die Gegend um die Hermann-Stockmann-Straße mit den einstigen Künstlervillen ist eine feine Adresse, wahrscheinlich gar ein Vorzeigequartier der Stadt Dachau. Somit ist das Areal auch ein städtebaulich äußerst sensibler Bereich.

Das Amalie-Nacken-Heim im Künstlervillenviertel wird abgerissen - hier sollen Wohnungen entstehen. (Foto: Toni Heigl)

Die Gebäude der Elisabeth-Bamberger-Schule und des Amalie-Nacken-Heims, die nun abgerissen werden, passten in diese Umgebung wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Nach dem Verkauf des Grundstücks und dem Auszug des Vereins Kinderschutz e.V. hätte die Stadt eine hervorragende Gelegenheit gehabt, diese Bausünde auszubügeln und dem Villenviertel seinen Charme zurückzugeben.

Notwendig wäre dazu schon 2003 gewesen, nicht einfach dem Bauträger Herbert R. Ullmann per Vorbescheid den Bau von neun Wohnhäusern mit 54 Wohnungen nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs zu erlauben, sondern für das gesamte Viertel einen Bebauungsplan aufzustellen.

In diesem Fall hätte es ein umfangreiches Genehmigungsverfahren mit öffentlicher Auslegung und Beteiligung von Bürgern und anderen Behörden gegeben. Eine Bebauung nach Paragraf 34, der besagt, dass ein Vorhaben nach der Bebauung in der Umgebung zu bewerten ist, erscheint in diesem Fall besonders paradox, weil es sich auf ein Gebäude bezieht, das noch gar nicht steht.

Geradezu absurd wird es, wenn auch zur Begründung der im Juli beschlossenen Erhöhung des Baurechts, die dem Investor einen satten Zusatzgewinn beschert, genau dieses bisher nur geplante und genehmigte Gebäude herangezogen wird.

Spinnt man diese Gedankengänge weiter, könnten sich die Besitzer der übrigen Villen an der Hermann-Stockmann-Straße nun auf die laut Werbung des Bauträgers exklusiven Neubaudomizile in den "Stockmanngärten" berufen und auf ihren Grundstücken ebenfalls mehrstöckige Wohnhäuser errichten.

Selbst wenn er für das Areal des Amalie-Nacken-Heims zu spät kommt, ein Bebauungsplan für den Bereich der Künstlervillen ist überfällig, will man nicht die weitere Zerstörung des Ensembles billigend in Kauf nehmen.

© SZ vom 12.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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