Stadtplanung:Mehr Durchgrünung und maßvolle Nachverdichtung

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Zum Leserbrief von Prof. Dipl.-Ing. Konrad Deffner in der SZ vom 26. Januar

Es fehlt eine Strategie! So überschreibt Herr Professor Dipl.-Ing. Konrad Deffner, Architekt und Städteplaner, Lehrer an der Fachhochschule in Deggendorf seinen Leserbrief zur Debatte der Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Dachauer Stadtrat.

Dem kann ich nur zustimmen! Es fehlt seit langer Zeit eine Strategie, den vielen einzelnen Bauvorhaben der Vergangenheit, der Gegenwart und noch wichtiger, den Bauvorhaben in der Zukunft im Dachauer Stadtgebiet gerecht zu werden. Nachverdichten im innerstädtischen, innerörtlichen Bereich ist grundsätzlich zu begrüßen. Zu oft ufern historisch gewachsene Ortskerne in einen gesichts- und geschichtslosen Siedlungsbrei krebsartig in die Landschaft hinaus. Dann gesellen sich noch ausufernde Industriegebiete, architektonisch meist aus immer denselben Schubladen von Industriehallenprojektanten und die ewigen Billigdiscounter und Outletcenter mit ihrer noch billigeren Architektur dazu.

Dass dies auch anders geht, kann man gut bei unseren österreichischen Nachbarn sehen, die es offensichtlich wagen und durchsetzen, diesen Discountern eine Mindestanforderung von Architektur vorzuschreiben. Geht doch, der Aldi heißt dort Hofer! Aber Nachverdichten ist nicht gleich Nachverdichten, das sollte Herr Deffner als Lehrer an einer Fachhochschule im Fach Städteplanung auch wissen. Es gibt in Dachau unzählige Beispiele, wo hundertjährige Bäume, ganze Gartenlandschaften über Nacht verschwanden zugunsten von irrwitzigen Betonanhäufungen, verkleidet mit aus Öl erzeugtem Dämmschaum, schotterbefüllten Restgärten, umzäunt mit nackten Gabionen und sterilen Plastikzäunen, die in hundert Jahren zu Mikroplastik zerfallen und unsere Bäche, Flüsse und Meere verseuchen werden.

Eigentlich sollte sich nach unzähligen Berichten in allen Medien auch schon bis an die Hochschule in Deggendorf, zu Architekten und Städteplanern herumgesprochen haben, dass gerade alte Großbäume als CO₂-Speicher und Sauerstofflieferant, Grünstreifen mit Hecken, intakte blühende Gärten und Vorgärten gerade heute und in der zukünftigen Stadt wesentliche Elemente bilden, die Überhitzung vermeiden helfen, Feinstaub binden können, ein erträgliches Zusammenleben in der Stadt überhaupt noch ermöglichen.

Also Nachverdichten mit Augenmaß, immer an die bestimmte Situation, an den Genius Loci angepasst. Dazu gehört nicht nur die Architektur der unmittelbaren Umgebung, dazu gehören Besonderheiten des Gevierts wie Gärten und Grünzüge, Wege- und Sichtachsen und nicht zuletzt die Menschen, die dort leben. Dies zu berücksichtigen ist sogar Voraussetzung für eine gute Architektur, die nicht nur den Profit, die Gewinnmaximierung oder das gefällige Blenden als oberstes Ziel im Auge hat. Nachverdichten so wie es die Dachauer Bürger im Stadtgespräch (Juli 2020) forderten: Mehr "Durchgrünung" und eine "maßvolle Nachverdichtung" im Stadtgebiet! Wenn Herr Deffner sagt, in Dachau wären die Gegebenheiten für eine Nachverdichtung von 35 Prozent schon ausreichend vorhanden, ohne neue Straßen, ohne neue Kanäle, Kabel und Leitungen, müsste man die Leistungsfähigkeit der Kanäle, Kabel und Leitungen schon noch einmal genauer hinterfragen. Die Straßen reichen schon heute weder für den ruhenden, noch weniger für den fahrenden Verkehr aus! Dazu muss man kein ausgewiesener Städte- oder Verkehrsplaner sein, hier reicht die Beobachtungsgabe eines durchschnittlichen Laien und als Fußgänger und Radfahrer kann man schon jetzt ein Lied davon singen.

Glaubt Herr Prof. Deffner, dass mit der Novellierung der Bayerischen Bauordnung in Zukunft die in Dachau agierenden Bauträger eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen? Mit einer Heerschar von gut bezahlten Anwälten werden sie jede Möglichkeit nutzen, um das dann gültige Baurecht bis zum letzten Quadratmillimeter auszureizen. Mehr Fläche bedeutet mehr Geld, Gewinn, ohne Rücksicht auf Verluste und noch mehr Macht, ihre Interessen durchzusetzen.

Paul Havermann, Dachau

© SZ vom 05.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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