Süddeutsche Zeitung

Stadtklima:Kaltfront

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Eine Studie belegt, dass es in einigen Stadtteilen Dachaus nachts heißer wird als in anderen. In Hitzeperioden leidet dort die Schlafqualität, mehr Bäume könnten die Temperatur aber senken

Von Viktoria Großmann, Dachau

Ober- und Unteraugustenfeld und die Wiesen und Felder entlang der Theodor-Heuss-Straße sollten besser nicht bebaut werden. Die Stadt Dachau braucht diese Flächen, damit sie atmen kann. Umweltschützern ist das schon immer klar. Sie werden nun bestätigt von einer Klimaanalyse, welche die Stadt laut einem Beschluss der Stadträte 2016 in Auftrag gegeben hatte. Ziel der Studie, die vom Büro Geo-Net Umweltconsulting erstellt wurde, war es aufzuzeigen, wie die Stadt durchlüftet wird, wo sie überhitzt, woher Kaltluft einströmt. Abwägungen dieser Art sind notwendig in der räumlichen Planung. Dabei geht es nicht nur darum, wie heiß es im Sommer auf Dachaus Straßen und Balkonen wird. Je geringer der Luftaustausch, desto höher auch die Schadstoffbelastung.

Bedeutsam für den Luftaustausch sind demnach die Flächen Unteraugustenfeld, Obermoosschwaige und das Gebiet östlich der Theodor-Heuss-Straße. "Diese sollte man eigentlich nicht mehr bebauen", sagte der Gutachter Dirk Funk in der Sitzung des Umweltausschusses. Allerdings ist in Augustenfeld ein neues Wohngebiet für bis zu 2000 Menschen geplant. Östlich der Theodor-Heuss-Straße entstehen die neuen Sportanlagen des TSV und von der Schleißheimer Straße her könnte die Wohnbebauung sich möglicherweise noch weiter in den Süden ausdehnen. Versuche der SPD, für dieses Gebiet einen Bebauungsplan durchzusetzen und es damit zu begrenzen, waren am Widerstand der CSU gescheitert.

Doch der Gutachter formuliert vorsichtig und schränkt auch ein: Durch kleinteilige Maßnahmen, etwa konsequentes Bäumepflanzen am Straßenrand, könne schon einiges erreicht werden. Bäume spenden Schatten und ihr Blattgrün produziert tagsüber Sauerstoff. Wenig überraschend sind mehr Bäume ohnehin die beste Maßnahme gegen Überhitzung.

Die Äcker in Augustenfeld nämlich sind zwar wichtig, aber auch jetzt im unbebauten Zustand tagsüber nicht angenehm. Am Tage ist dort die Aufenthaltsqualität laut Gutachten "sehr gering". Ihre Bedeutung für die angrenzenden Gebiete zeigt sich nachts. Hier wird ihnen eine "hohe bis sehr hohe bioklimatische Bedeutung" zugemessen. Kaltluft strömt besonders von Südosten her, außerdem aus Richtung Webling über den Waldfriedhof und entlang der Amper abends und nachts in die Stadt. Eine weitere Bebauung würde die Luftströme und den Luftaustausch verhindern.

Mit Abstand am schlechtesten belüftet ist laut Gutachten die Altstadt und das Gewerbegebiet Dachau Ost. Die Altstadt heizt sich am meisten auf, sie sei "bioklimatisch ungünstig" gelegen, sagt der Gutachter. In heißen Nächten, wie in diesem Sommer, kühlt sie kaum ab. Die Forscher stellten Temperaturunterschiede im Stadtgebiet von bis zu sieben Grad Celsius fest - wobei Temperaturen auf unbebautem Gebiet am tiefsten sanken. Gemessen wurde in Sommernächten um 4 Uhr morgens, wenn die Tiefstwerte erreicht sind. Während die Temperatur in der Altstadt bei 20 Grad Celsius verharrte, kühlte es im Himmelreich oder in der Obermoosschwaige um zwei bis drei Grad stärker ab. Die einen haben also bei 16 bis 18 Grad Celsius ideale Schlaftemperaturen, die anderen leiden unter sogenannten Tropennächten - von diesen spricht man, wenn die Temperaturen auch nachts nicht unter 20 Grad sinken. Auch in den Wohngebieten entlang der Münchner Straße, Mittermayerstraße und zwischen Pollnstraße und Breslauer Straße wird es tagsüber sehr heiß und kühlt es nachts schlecht ab.

Ganz deutlich arbeiten die Gutachter die Bedeutung von zusammenhängenden Grünachsen heraus. Entlang dieser kann Kaltluft nachts in die bebauten Gebiete vordringen. Mindestens jedoch sollten Grünflächen, wenn schon nicht verbunden, so doch sehr nahe beieinander liegen. Kleinere Parks und Gärten sind zwar schön anzusehen, haben allerdings keine klimatische Bedeutung. Kerngebiete Dachaus werden von der nächtlichen Luftzufuhr kaum erreicht: laut den Gutachtern wird nur 43 Prozent des Siedlungsraumes am Ende einer warmen Sommernacht mit Frischluft versorgt.

Bei neuen Siedlungen sollte die Stadt auf eine eher lockere Bebauung achten, empfiehlt das Büro Geo-Net. Baukörper sollen parallel zu den Luftströmungen errichtet und genügend Freiflächen dazwischen erhalten werden. Als eine der wichtigsten Maßnahmen empfehlen die Gutachter dringend Dach- und Fassadenbegrünung. Diese ermögliche stabile, angenehme Innentemperaturen im Sommer und im Winter. Zudem wird zu einer "intensiven Begrünung des Straßenraums" geraten. Auch helle Baumaterialien seien wichtig, denn helle Wände und Dächer reflektieren das Sonnenlicht.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2018
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