Süddeutsche Zeitung

Sportklasse:Die Spaßbewegung

Klettern, Turnen, Schlittschuhfahren: Die Mittelschule Dachau Süd hat in Kooperation mit dem ASV eine eigene Sportklasse eingerichtet.

Von Petra Schafflik, Dachau

Gerade noch haben sie von der Tribüne herunter ihre Kinder beim Indoor-Biathlon-Wettkampf angefeuert. Wenige Minuten später liegen Mütter und Väter schon selbst bäuchlings auf den Turnmatten in der Sporthalle. Dort zielen sie konzentriert mit der Spielzeugarmbrust auf Pappbecher, strahlen über jeden Treffer und lassen sich von ihren Sprösslingen Tipps geben. Die Kinder freuen sich über das Interesse, kennen aber keine Gnade. Zum Hallenbiathlon gehört auch der Dauerlauf, deshalb schicken die Schüler nun ihre Eltern auf den Rundkurs. Sport wird auch beim Elternabend groß geschrieben in der Klasse 5 c, die an der Mittelschule-Süd in diesem Schuljahr mit einem besonderen Schulangebot neu gestartet ist. Unter dem Motto "Wir bringen Kinder in Bewegung" steht ein Konzept, das den Schülern acht Sportstunden in der Woche bietet. In Kooperation mit dem benachbarten Sportverein ASV lernen die 23 Mädchen und Buben unterschiedlichste Sportarten kennen. Eine Idee, die trotz kleiner Anlaufprobleme nun funktioniert und gut ankommt. Auch bei den Eltern. "Hier", so ein Vater, "kann sich meine Tochter austoben und ihren Lieblingssport finden".

Was jetzt als Sportklasse läuft und von den Kindern durchaus begeistert aufgenommen wird, ist tatsächlich ein Kompromiss. Denn ursprünglich wollte die Mittelschule-Süd eine gebunden Ganztagsklasse mit Profil Sport einrichten, ein Konzept hatten Schulleitung, Sportkoordinator Christian Steinberger und der ASV bereits ausgearbeitet. Doch dann wurde offenkundig, dass das Schulhaus in Dachau-Süd wegen einer Schadstoffbelastung saniert und gleichzeitig für den Ganztag auch ausgebaut werden muss. Die gesamte Schule wird deshalb ab Sommer für zwei Jahre in die leer stehende Ludwig-Thoma-Schule ausquartiert. Keine guten Voraussetzungen, um ein neues Schulangebot zu starten. Doch enttäuschen wollte man Kinder und Eltern auch nicht, die sich bereits für dieses spezielle Angebot entschieden hatten. Also wurde eine Übergangslösung entwickelt, bei der Schule und Sportverein eng kooperieren. Die Kinder besuchen nun vormittags den Unterricht, speisen mittags in der Vereinsgaststätte, bevor ASV-Übungsleiter unterschiedliche Sportangebote betreuen. Aktuell gibt es Fußball und Geräteturnen für die Buben, Leichtathletik und Leichtkontaktboxen für die Mädchen, im Halbjahr wird gewechselt. Viele andere Sportarten lernen die Schüler im vierstündigen Schulsport kennen. Sportlehrer Steinberger und Kollege Andreas Härtl bieten nicht nur Klassiker wie Fußball, Basketball, Handball, Hockey, Football, Geräteturnen oder Bouldern an der schuleigenen Kletterwand an. Die Kinder gehen auch Schlittschuh- und Schlittenfahren, absolvieren Geländeläufe und erkunden die Umgebung auf Mountain-Bikes. Eine Vielfalt, die Schüler wie Eltern schätzen. "Unser Sohn ist total sportbegeistert, ihm gefällt es gut", berichten Claudia und Ulf Meyer. Und Mutter Ingrid Gersbeck weiß, dass es ihren Zwillingsbuben "gar nicht genug Sport sein kann."

Auch Trainer machen verbindliche Ansagen

Aber natürlich hätten Initiatoren wie Eltern eine "echte" Ganztagsklasse lieber gesehen. Denn statt eines rhythmisierten Stundenplans, wo vormittags auch mal trainiert, dafür am Nachmittag gelernt werden könnte, bleibt es nun beim klassischen Ablauf. Weil nicht Lehrer sondern ASV-Übungsleiter den Nachmittagssport betreuen, sind diese Gruppen "kein Schulangebot, sondern eine Veranstaltung beim Sportverein", wie ASV-Geschäftsführer Andreas Wilhelm den Eltern erklärt.

Dass auch Trainer verbindliche Ansagen machen, mussten einige Schüler erst noch lernen. Wie auch das ruhige Auftreten in der Gruppe, wenn es zum Mittagessen geht. Doch diese Anfangsschwierigkeiten sind längst überwunden. "Das Konzept läuft noch nicht ganz rund, aber es läuft", sagt die kommissarische Schulleiterin Ilona Brezing. Auch Sportlehrer Christian Steinberger findet, dass das Konzept aufgeht und auch wie geplant das "Profil Sport" von der Sportklasse ausstrahlt auf die ganze Schule, wo es nun für alle Schüler vielfältige Bewegungs- und Sportangebote gibt und regelmäßige Aktivitäten wie Wandertage oder Schulwettkämpfe. Dabei steht nie der Leistungsgedanke im Mittelpunkt, sondern immer geht es um die Freude an der Bewegung.

Nach der positiven Zwischenbilanz ist klar, dass das Projekt "Sportklasse" im kommenden Schuljahr weiterlaufen soll. Bis zum Umzug der Schule im Sommer gilt es Lösungen zu finden, wie Unterricht und Sport koordiniert werden, sobald das ASV-Gelände dann nicht mehr fußläufig erreichbar ist. Doch alle Beteiligten sind optimistisch. Zumal offenbar die Stadt, die das Vorhaben in diesem Jahr bereits mit 14000 Euro fördert, schon weitere Unterstützung signalisiert hat.

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SZ vom 02.02.2017/gsl
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