Süddeutsche Zeitung

Spiegelglatter Parkplatz am Karlsfelder See:Halsbrecherischer Weg zum Impfen

Die hochbetagten Senioren, die eine Spritze zum Schutz vor Corona haben wollen, müssen sich über die spiegelglatte Fläche auf dem Parkplatz am Karlsfelder See wagen. Das Areal ist seit Tagen nicht geräumt

Von Sophie Kobel, Karlsfeld

Der Boden ist spiegelglatt, es hat minus vier Grad, der Atem dampft weiß in der Luft. Eine Rentnerin versucht, aus ihrem Auto auszusteigen. Ohne die Hilfe ihrer Begleitperson würde sie es trotz Rollator nicht schaffen, bis zu dem Container zu gelangen, in dem sie den rettenden Piks in den Arm bekommen wird. Zu rutschig ist der Untergrund. Ein paar Meter weiter geht es einem über 80 Jahre alten Herrn nicht anders. Er hat Angst, auszusteigen bis er schließlich Hilfe von einem heraneilenden Sicherheitsmann bekommt, der ihm die Hände entgegenstreckt und ihn über den vereisten Parkplatz zum Eingang der Impfstation begleitet. Szenarien wie diese sind in den vergangenen Tagen keine Seltenheit gewesen. Über 80 jährige Seniorinnen und Senioren stehen mit Rollatoren oder Gehhilfen auf einem von Blitzeis überzogenen Boden vor dem Zaun des Impfzentrum der Johanniter am Karlsfelder See an und warten. Andere trauen sich gar nicht erst, aus ihren Autos auszusteigen, weil gerade keine Begleiter, Johanniter oder Sicherheitspersonal helfen können.

Warum ist hier nicht das Eis weggeräumt oder zumindest Salz oder Kies gestreut worden? Seit Montag werden in dem Zentrum in Karlsfeld Menschen geimpft, bis zu 70 Personen täglich fahren auf dem Parkplatz vor. Erst am Mittwoch wird schließlich der Weg vor dem Zaun bestreut, der Parkplatz ist erst am Donnerstagnachmittag vom Eis befreit. Fragt man nach, scheint es Zuständigkeitsschwierigkeiten zu geben. Der Bürgermeister von Karlsfeld, Stefan Kolbe (CSU) schaut auf dem Parkplatz vorbei, und "sehe die Notsituation". Allerdings seien die Gemeinde bei den Zuständigkeiten in diesem Fall völlig außen vor, denn diese liege beim Landratsamt und den Johannitern.

Landrat Stefan Löwl (CSU) hingegen betont: "Eine Räumungspflicht gibt es in diesem Sinne gar nicht, wie bei keinem Parkplatz im Landkreis". Allerdings bestehe bei einem spezifischen Nutzen der Fläche wie diesem eine Verkehrssicherungspflicht, die wiederum liege beim Landkreis. Eine Fläche für bis zu 15 Autos wurde daher freigeräumt, und seit Donnerstag Vormittag werde auch Salz gestreut. "Sobald die parkenden Autos heute Nachmittag weg sind, werden wir es hoffentlich schaffen, die Eisfläche abzutragen", sagt er. Auch in Zukunft werde man den Platz je nach Bedarf räumen.

Bezüglich der vereisten Fläche unmittelbar vor dem Zaun seien allerdings die Johanniter zuständig. Denn: "Seinen Zuweg muss jeder selbst räumen". Als vergangene Woche klar geworden sei, dass es zu vermehrtem Schneefall kommen werde, habe man sich mit der Hilfsorganisation besprochen. "Die Johanniter holten Angebote eines privaten Anbieters für Streuung und Räumung des Wartebereichs vor dem Zaun der Impfstation ein". Das habe nicht ganz rechtzeitig geklappt, letztendlich wurde dann ab Mittwoch gestreut, so Löwl. Was den Parkplatz anbelange, sei anfangs unklar gewesen, wie man damit verfahre. "Es hat sich dann aber schnell herausgestellt, dass der angesprochene Hausmeisterservice die Räumung einer so großen Fläche nicht bewältigen könne. Dann haben wir als Landkreisamt gesagt wir machen das", so Löwl.

Um den in etwa 30 Meter langen Wartebereich vor dem Zaun des Impfzentrums werde sich auch in den kommenden Wochen der private Anbieter kümmern, so Jörn Osenbrück. Er ist der eingesetzte Krisenmanager der Johanniter für den Regionalverband Oberbayern und Projektverantwortlicher für vier Impfzentren. Unter anderem das am Karlsfelder See. Er betont: "Wir sind zwar die Betreiber des Impfzentrums und haben innerhalb des Geländes immer alles sicher und eisfrei gehalten. Für die äußere Sicherheit aber sind wir nicht zuständig". Wirklich akut sei das Problem des Blitzeises auch erst ab Dienstag geworden. Osenbrück sagt: "Mehr als Behörden und Anbieter anzusprechen, können wir nicht tun. Am Ende des Tages ist unsere Aufgabe, jeden Tag Menschen zu impfen und nicht, Parkplätze zu räumen".

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SZ vom 15.01.2021
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