Süddeutsche Zeitung

Spendenbereitschaft:Gewinner und Verlierer

Trotz Krise ist 2020 ist die Spendenbereitschaft enorm groß gewesen, doch nicht alle haben gleichermaßen davon profitiert: Während das BRK in Dachau 50 Prozent mehr Geld bekam, mussten sich andere Organisationen mit deutlich weniger begnügen. Ein Überblick

Von Julia Putzger, Dachau

Egal ob nun durch die vorübergehende Schließung des eigenen Geschäfts im Lockdown oder durch Kurzarbeit: Die Corona-Pandemie hat viele Menschen in finanzielle Bedrängnis gebracht. Wer zuvor andere unterstützte, muss nun vielleicht selbst über jeden Cent nachdenken, den er ausgibt. Angesichts dessen überrascht das Ergebnis der "Bilanz des Helfens 2020" gar ein bisschen: Die vom Deutschen Spendenrat veröffentlichte Hochrechnung ermittelte nämlich, dass 2020 sogar mehr Geld gespendet wurde als im Vorjahr. Im Landkreis Dachau haben jedoch nicht alle von diesem Trend profitiert.

Rund 5,4 Milliarden Euro flossen deutschlandweit im Jahr 2020 an Privatspenden - das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Erhebungen im Auftrag des Deutschen Spendenrats. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Plus von über fünf Prozent. Allerdings nahm die Zahl der Spendenden ab, gesamt waren es etwa 19 Millionen Deutsche, die sieben Mal jährlich rund 40 Euro spendeten. Die Daten werden in monatlichen Befragungen ermittelt und dann hochgerechnet, wobei lokale Differenzierungen nicht möglich sind. Die SZ hörte sich deshalb selbst im Landkreis um.

Bei einem ersten Telefonat ist Paul Polyfka, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Dachau, noch unaufgeregt. Ohne die genauen Zahlen zu kennen, vermutet er, dass das Spendenvolumen in etwa gleich blieb. Immerhin unterschreibe er die Quittungen für die Spenden über 200 Euro, da habe er einen groben Überblick. Er verspricht aber, noch einen genaueren Blick in die Abrechnungen zu werfen. Als er sich erneut meldet, ist er vollkommen aus dem Häuschen und selbst mehr als erstaunt über das Ergebnis seiner Recherche: "Tatsächlich hatten wir ein Plus von rund 50 Prozent bei den Geldspenden, sowohl für den Rettungsdienst als auch für die Tafel." Grund dafür seien die vielen Kleinspenden, Beträge von 20, 50 oder 100 Euro, die sich da summierten. Polyfka ist dankbar, relativiert jedoch sogleich: "Unsere Ausgaben sind maximal gestiegen." Beispielsweise die benötigte Schutzausrüstung habe die Kosten nach oben getrieben. Ob das Mehr an Spenden also alle Ausgabe decke, das könne man erst im Jahresabschluss feststellen.

Ebenfalls zufrieden ist Karin Kemmitzer, zuständig für Fundraising und Spenderbetreuung im Franziskuswerk Schönbrunn: Wie schon in den Vorjahren sei auch 2020 ein positiver Trend zu erkennen gewesen. Etwa 20 Prozent mehr als im Vorjahr konnten insgesamt durch Spenden eingenommen werden. Kemmitzer erklärt das damit, dass man verstärkt an die Öffentlichkeit gehe und mindestens einmal im Jahr einen postalischen Spendenaufruf starte. Die meisten Spender unterstützten das Franziskuswerk aber schon seit vielen Jahren, oft handle es sich um Angehörige von Bewohnern. Besonders wichtig, so glaubt Kemmitzer, sei auch die regionale Verbundenheit: "Man kann sich die Projekte wie den Eselstall, die durch die Spenden finanziert werden, bei uns direkt anschauen."

Übertrifft der Landkreis die deutschlandweite Bilanz also sogar? Silvia Gruber ist da gegenteiliger Meinung. Die Leiterin des Dachauer Tierheims sagt: "Es gab ganz klar finanzielle Einbrüche", etwa 20 Prozent weniger Einnahmen durch Geldspenden schätzt sie in Bezug auf das Tierheim. Die Gründe: Keine Veranstaltungen, keine Patenschaften, schlicht kaum Kontakt von Menschen zum Tierheim, vermutet Gruber. Gleichzeitig seien jedoch sehr viele kranke Tiere zu ihr ins Heim gekommen - möglicherweise, weil ihre vorherigen Besitzer in der Krise selbst kein Geld für die Behandlungen hatten. "Wir mussten Geld aus unseren Rücklagen entnehmen, um die Ausfälle zu kompensieren", so Gruber. Auf Dauer sei das aber keine Möglichkeit. Jammern oder gar einen Aufruf starten, das möchte die Tierheimleiterin dennoch nicht: "Es ist ja ganz logisch, dass die Spenden in einer Notlage rückläufig sind. Es geht ja nicht nur uns so, also machen wir das Beste draus."

Neben diesen zwei Extremen gibt es jedoch auch ein breites Mittelfeld: Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Dachauer Caritas, spricht von einem gleichbleibend hohen Geldspendenniveau für die Caritas im Landkreis. "Auch ein Einbruch wäre aufgrund der finanziellen Unsicherheit vieler Menschen denkbar gewesen", sagt sie. Dankbar ist sie für die Spenden insbesondere deshalb, weil die Nachfrage an Hilfsangeboten wie jenen der Caritas in der Krise steige. "Ohne die Spenden könnten wir viele Angebote nicht leisten", so Schaitl.

Die Dachauer Sparkasse, unter deren Obhut gleich mehrere Stiftungen sind - unter anderem die Bürgerstiftungen der Landkreisgemeinden und fünf themenspezifische Sparkassenstiftungen wie etwa die Stiftung Kunst und Kultur -, bewegt sich ebenfalls im Mittelfeld. Dagmar Krumpach erklärt, dass keine großen Steigerungen zu verzeichnen seien. Allerdings liege den Stiftungen im eigenen Haus auch ein anderes Konzept zugrunde als zum Beispiel großen Förderstiftungen. Denn meistens werde hier für ein spezifisches Projekt zur Spende aufgerufen - 2020 habe es aber natürlich vor allem im kulturellen Bereich viel weniger Förderanträge gegeben.

Während laut Deutschem Spendenrat vor allem Organisationen, die sich der humanitären Hilfe verschrieben haben, von dem Spendenplus profitierten, gibt es auch in der deutschlandweiten Bilanz einen großen Verlierer: Die Sportvereine. Doch auch hier zeigt sich in Dachau ein differenziertes Bild. Während nämlich Andreas Wilhelm, Vorsitzender des ASV Dachau, 2020 rund ein Viertel weniger Spendengelder verzeichnet als noch 2019, kann Wolfgang Moll vom TSV Dachau diesen Trend nicht bestätigen: "Wir können stolz sein auf die Solidarität unserer Mitglieder und Sponsoren, wir haben keine Einbrüche bei den Spenden", so Moll.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2021
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