Süddeutsche Zeitung

Spenden:"Es bleibt nie ein Wunsch offen"

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Die Vorsitzende des Vereins "Dachau handelt" Isabel Seeber hat den Wunschbaum heuer zum achten Mal in der Münchner Straße aufgestellt. 700 Bedürftige haben sich an dem Projekt beteiligt - viel mehr als sonst

Interview von Eva Waltl, Dachau

Der "Wunschbaum" steht bereits. Die ersten Zettel flattern schon im Wind. Die Vorsitzende des Vereins "Dachau handelt" und Betreiberin der Candisserie, Isabel Seeber, hat ihn heuer zum achten Mal vor ihrem Laden in der Münchner Straße in Dachau aufgestellt. An Werktagen steht sie daneben, spricht mit Passanten, erklärt und freut sich über jeden, den sie für ihr Projekt begeistern kann. Ihr Ziel: Sie will auch in diesem Jahr wieder möglichst viele Wünsche von Bedürftigen erfüllen. Mehr als 3500 sind in der Vergangenheit auf diese Weise bereits in Erfüllung gegangen. Die Süddeutsche Zeitung sprach mit der Dachauer Initiatorin über das Projekt.

SZ: Frau Seeber, für alle die noch nicht mitgemacht haben, es sich für dieses Jahr aber überlegen: Wie funktioniert der Wunschbaum?

Isabel Seeber: Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit karitativen Einrichtungen und Organisationen, die sich um Menschen kümmern, die nichts haben und denen es sehr schlecht geht. Zum Beispiel das Franziskuswerk Schönbrunn, die Caritas, das Haus des Lebens, Weitblick e.V. oder der Arbeitskreis Asyl. Aber auch viele andere Vereine. Ich übergebe den Organisationen die Wunschzettel, bedürftige Menschen füllen sie aus und anschließend hänge ich die Wünsche an den Wunschbaum, der vor dem Hundertwasserhaus an der Münchner Straße, steht. Menschen, die einen Wunsch erfüllen wollen, können sich einen Zettel herauspicken. Bis spätestens 14. Dezember sollen alle Geschenke bei mir abgegeben worden sein. Die Vereine holen die Pakete dann vor Weihnachten ab und übergeben sie an die jeweilige Person.

Viele Dachauer kennen das Projekt bereits, welche Besonderheiten gibt es in diesem Jahr?

Ich habe dieses Jahr das große Glück, die Geschenke in dem Schaufenster der Agentur Weimar und Paulus GmbH lagern zu können. Man kann sich gar nicht vorstellen, was für ein Geschenkemeer aus 700 Wünschen entsteht. Es wird das erste Mal sein, dass Menschen, die in der Dachauer Altstadt an der Agentur vorbeigehen, sehen können, wie der Berg an Geschenken wächst. Da freue ich mich sehr darauf, denn es ist überwältigend, wie viele Geschenke zusammenkommen.

In diesem Jahr wird die Vorweihnachtszeit von der Coronapandemie überschattet. Hat das auch Auswirkungen auf Ihre Aktion?

Wir haben einen deutlichen Zuwachs gemerkt. Waren es im Jahr 2019 etwa 500 Wünsche, sind es in diesem Jahr mehr als 700 Wünsche, die wir erfüllen werden. Wir stellen fest, dass viele Menschen dieses Jahr in eine Schieflage geraten sind und der Bedarf deshalb größer ist. Auch Asylbewerber sind wieder sehr hart betroffen. Heuer werden auch erstmalig Obdachlose beschenkt, was mich sehr freut. Der Verein Heimatstern e.V. in München, der von Dachauern mitorganisiert wird, erhält erstmals für Bedürftige Wunschzettel. Es ist erschreckend, mit welchen Herausforderungen Menschen kämpfen müssen.

Das Projekt bedarf viel Planung, Organisation und auch Feingefühl. Was sind die besonderen Herausforderungen?

Alleine wäre es sehr schwer, das Projekt umzusetzen. Zwar mache ich den größten Teil selbst, ich habe aber dennoch meine Helfer, die mich unterstützen. Besonders Feingefühl ist sehr wichtig, weil viele Menschen, die sich in Not befinden, wahnsinnige Scham empfinden sich einzugestehen, dass sie Hilfe benötigen. Ich arbeite daher eng mit den Betreuern der einzelnen Organisationen zusammen. Auf diesem Weg können wir inzwischen auch sehr viele Menschen erreichen. Als ich den Wunschbaum zum ersten Mal aufgestellt hatte, bin ich direkt auf die Menschen zugegangen, weil ich noch kein großes Netzwerk hatte. Das war natürlich herausfordernd, aber es gab auch die Initialzündung, unbedingt weiterzumachen. Mit eigenen Augen zu sehen, wie man Menschen mit kleinsten Dingen, die für andere wiederum so selbstverständlich sind, eine Freude machen kann, ist sehr berührend.

Wie ist die Resonanz? Findet das Projekt großen Anklang im Landkreis Dachau?

Ja, ich erhalte großen Zuspruch. Die Menschen rufen schon seit Wochen an und fragen, wann der Wunschbaum endlich wieder kommt. Es passiert sogar, dass Menschen, die gerne einen Wunsch erfüllen würden, gar keinen Wunschzettel mehr ergattern, weil der Andrang so groß ist. Das ist sehr ergreifend. Viele Familien beteiligen sich. Kinder erfüllen dann Wünsche von ihrem eigenen Taschengeld. Wirklich toll ist, dass sich die Menschen emotional beteiligen. Es bleibt nie ein Wunsch offen.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2020
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