Speisen und Mitraten:Tatort Wirtshaus

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"Mord meets Gaudi", lautet das Motto des Theaterabends im Wirtshaus Erdweg. (Foto: Toni Heigl)

Der Kulturverein Erdweg legt eine Kriminalkomödie auf die Bühne, bei der das Publikum mitraten kann, wer die Prinzessin Cäcilia umgebracht hat. Eine Mordsgaudi

Von Jana Rick, Erdweg

Das Dorf ist in großer Aufruhr. Bei Ausgrabungen wurde ein weibliches Skelett gefunden, das ein Amulett um den Hals trägt. Im Wirtshaus in Erdweg wird heftig diskutiert, wer das Opfer sein könnte. Das Publikum, das an diesem Abend im obersten Stock des ältesten Wirtshauses des Landkreises der Kriminalkomödie folgt, hört dem Pater gespannt zu, als er die Sage über Prinzessin Cäcilia erzählt.

"Mord meets gaudi" ist das Motto des Abends, es handelt sich um ein Theater zum Mitmachen, das vom Kulturverein Erdweg organisiert wurde. Doch Schauspielerin Irena Hönig beruhigt das Publikum: "Keine Angst, bei uns muss niemand mitspielen." Und so können sich die etwa 70 Gäste entspannt zurücklehnen, zwischendurch ihr Essen genießen und dem Spektakel folgen.

Wirtshausbesitzerin Traudl entscheidet kurzerhand, die alte Sage doch einfach nachzuspielen, um herauszubekommen, wer die arme Prinzessin getötet hat. Ihr Bruder und Sohn beschweren sich zwar zuerst, dass sie bestimmt keine Strumpfhosen anziehen werden, aber zusammen mit dem Postboten, Viechdoktor, Pfarrer und Traudls Schwägerin willigen sie dann doch zum Schauspiel ein. Und nehmen das Publikum mit in das Jahr 1526.

Nachdem den Zuschauern eine cremige Kartoffelsuppe serviert wurde, wird die Adelsfamilie vorgestellt, die in mittelalterlichen Kostümen und Strumpfhosen auftritt: Max Emanuel, der seinen zweiten Namen in jedem zweiten Satz betont, ist der Sohn von Herzogin Agatha und leidenschaftlicher Poet. Sein Onkel, Herzog Heinrich der Gebarte, bringt zur Überraschung aller Anwesenden zu einem Tafelmahl seine Verlobte, die viel jüngere Prinzessin Cäcilia von Lauingen mit. Doch diese scheint nicht wirklich zufrieden mit der Verlobung zu sein. "Jubel!" ruft der Herzog dennoch und das Erdweger Publikum, "das Volke", wird nun doch zum Mitmachen aufgefordert. Auch zum Tischgebet, das der Pater ausspricht, müssen sich alle im Saal erheben. Herzogin Agatha, Heinrichs Schwester, ist von der unerwarteten Verlobung überrascht, aber sie ist mit ihrer eigenen Vermählung beschäftigt, schließlich hat der angereiste Markgraf Albrecht von Landsberg erst am Tag vorher um ihre Hand angehalten.

Nach diesem Akt werden während der zweiten Hauptspeise, einem frischen Salat mit Austernpilzen, an den Tischen bereits Vermutungen geäußert. Der Markgraf sei doch nur an einer Verlobung interessiert, um seine Regierungsgeschäfte zu stärken. Auf dem "Kriminalprotokoll" kann jeder Gast zu den einzelnen Personen ein Motiv eintragen, ganz unten soll zum Schluss der Mörder genannt werden. Einige Gäste zeichnen bereits Verbindungen zwischen den sieben Darstellern in das Protokoll.

Weiter geht es mit dem zweiten Akt, in dem man über die flotten Dialoge lachen muss. Zu genial sind die schlagartigen Wechsel vom gehobenen Deutsch der Adeligen zum urigen Bairisch: So fordert Agatha ihren Sohn Max mit "Es klinglet!" dazu auf, die Türe zu öffnen, als dieser nicht reagiert, schimpft sie "Zefix!". Und während Heinrich sagt: "Es sei Euch gewährt", ruft der Markgraf: "Schleich di".

Die Situation spitzt sich zu, als der Graf der Prinzessin ein Amulett schenkt, nachdem sie ihn zum Tanz aufgefordert hatte. Und als die Prinzessin aus Versehen das Amulett vor ihrem Verlobten Heinrich erwähnt, ist dieser natürlich sofort eifersüchtig. Der Pater beobachtet das Geschehen heimlich von einem Busch aus und erzählt der Herzogin von den unerwarteten Wendungen. Doch diese will nichts davon hören, "weil auch Ihr nur stets an euren Vorteil denkt", wie sie sagt. Der Pater ist sehr unzufrieden mit der Verlobung, weil Cäcilia eine Protestantin ist.

In der nächsten Pause nehmen die Pfeile auf den Kriminalprotokollen überhand, einige werden wieder ausgestrichen, andere überkreuzen sich mittlerweile. Jede Figur scheint mit einer anderen in Verbindung zu stehen. Auch der Hofarzt, der Medicus, macht sich verdächtig, weil er die einzelnen Personen über die Absichten der anderen aufklärt und dabei auch noch äußerst freundlich ist. Dann findet Max Emanuel Cäcilia eines Nachts leblos in ihrem Stuhl. "Knospe, oh du welkest schnell", trauert der junge Poet. "Sie is tod!" Der junge Prinz begräbt seine erste große Liebe in den Mauern des Burgturms.

Nach der Hauptspeise, zartem Rinderfilet beziehungsweise einer riesigen Portion Lauch-Käsespätzle, findet die geplante Hochzeit von Agatha und dem Markgraf statt. Als die Braut in der Kirche den Pfarrer fragt, warum sie denn jetzt kein "Busserl" von ihrem Mann bekommt, entgegnet der Heilige: "Na weil des der echte Pater ist!" Das Publikum lacht, inmitten der vielen Streitereien und Verstrickungen wird man mit dem Satz wieder auf die vorherige Erzählebene ins Wirtshaus geholt.

In der letzten Szene schreibt Heinrich einen Brief an den Vater von Cäcilia, in dem er fragt, warum sie nie in seinem Hofe angekommen sei. Die Köpfe des Publikums rauchen, jetzt geht es ans Rätseln. Wer war der Mörder von Cäcilia? Jeder scheint ein Motiv zu haben, Max könnte die Prinzessin umgebracht haben, weil er um sein Erbe fürchtet, Agatha ist eifersüchtig auf sie, weil die junge Dame ihrem Verlobten beim Tanz schöne Augen gemacht hatte und der Pater hätte aus religiösen Gründen morden können. Auch der Medicus kommt als Mörder in Frage, schließlich hat er das medizinische Wissen zum Morden. "Schwierig", seufzen viele Gäste. Aus lauter Verzweiflung werden sogar der Kellner und die Küchenkraft der Tafernwirtschaft verdächtigt und am Handy gegoogelt, ob der Fall vielleicht eine wahre Geschichte ist.

Die Prinzessin ist mittlerweile wieder vom Tod auferstanden und sammelt die Kriminalprotokolle aller Gäste ein, auf denen teilweise Schokoflecken des vorzüglichen Schokoladentörtchens zu finden sind. Nach fast drei Stunden Mörderjagd lösen die Schauspieler den Fall auf: Dabei stellt sich heraus, dass der Medicus der heimliche Vater von Max, aber nicht der Mörder ist. Auch die anderen sechs Verdächtigen scheiden aus, nur Max scheint nicht ganz aus dem Schneider zu sein. Und tatsächlich. Er erkannte nicht, dass Cäcilia gar nicht tot in ihrem Stuhl saß, sondern nur schlief. Der naive Max mauerte also die schlafende Prinzessin ein, weil er seine Familie schützen wollte. Fahrlässige Tötung also - Fall gelöst. Das Publikum ist baff. Mit diesem Ergebnis hatte es nicht gerechnet. Die Lösung ist anders als erwartet, aber nicht enttäuschend anders, sondern raffiniert anders. Das Erdweger Publikum stellte sich trotzdem als engagiertes Kriminalteam heraus: 14 von ihnen verdächtigten die Herzogin als Mörderin, zwölf den Pater. Ein Gast hat sogar einen Gruppen-Mord notiert. Auf Platz eins schaffte es der Medicus: Ihn hielten 17 Gäste für den Mörder. Nur sechs Teilnehmer lagen in ihren Vermutungen richtig und entschieden sich für Max als Mörder. Doch das Motiv erriet niemand. Mord war es an diesem Abend also nicht. Aber auf jeden Fall eine Mordsgaudi.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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