SPD Dachau:Christa Keimerl kommt das Grausen

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Nach dem Eklat bei den Wahlen des SPD-Ortsvereins Dachau stellt die Fraktionsvorsitzende im Stadtrat die Vertrauensfrage.

Helmut Zeller

SPD-Fraktionschefin Christa Keimerl ist "enorm erschüttert". Rechts: der gescheiterte Kandidat für den Parteivorsitz Volker C. Koch. (Foto: DAH)

Ein Parteifreund aus München hat der SPD-Fraktionsvorsitzenden im Dachauer Stadtrat, Christa Keimerl, einmal das Geheimnis des fortlaufenden Misserfolgs der Sozialdemokraten verraten: Die SPD braucht keine politischen Feinde, weil sie sich selber zerlegt. Besonders eindrucksvoll - "zum Grausen", sagt Keimerl - zuletzt bei der Wahl des Ortsvorsitzenden in Dachau. Awo-Vorsitzende Thea Zimmer und Stadtrat Horst Ullmann torpedierten überraschend die Wahl von Stadtrat Volker C. Koch und spalteten die Dachauer SPD in zwei Lager. Jetzt stellt Christa Keimerl in der Fraktionssitzung am Dienstag die Vertrauensfrage - ihr Vertrauen in den Fraktionskollegen und Integrationsreferenten Horst Ullmann ist "enorm erschüttert". Aber das Desaster wird noch gravierendere Folgen für die SPD haben.

Die Vorgänge um den Wahleklat am Freitag erinnern fatal an die Ära Hans Hartl der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre. Die SPD zerfleischte sich durch Intrigen selbst - mit dabei war Thea Zimmer, die auch jetzt keine geringe Rolle spielte. Nachwehen dieser Zeit spürte auch noch Brigitte Bokovoy, die nach fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz abgab - alle im Vorstand, inklusive Stellvertreter Horst Ullmann - einigten sich auf Volker C. Koch als Nachfolger. Als seine Stellvertreterin war Anke Drechsel vorgesehen. Dafür hätte Ullmann sich mit einem Beisitzerposten zufrieden geben müssen. Das waren die Absprachen. Am Freitag dann kamen ungewöhnlich viele Mitglieder, unter anderem aus der Gruppe "60plus" und der Arbeiterwohlfahrt (Awo). "Da waren Senioren, die man sonst nie gesehen hat", sagte einer der SZ. 38 Besucher waren gekommen, sonst sind es vielleicht 27. Was sie wollten, wurde rasch klar, als Ullmann sich völlig überraschend, der Vorstand war nicht informiert, als Gegenkandidaten zu Koch präsentierte - und mit vier Stimmen Vorsprung gewann. Aber spontan war die Kandidatur Ullmanns offenbar nicht: Er hatte am Mittwoch davor Keimerl Andeutungen gemacht. "Ich habe mit Engelszungen auf ihn eingeredet, aber er hörte nicht." Überhaupt scheint es nicht um Argumente zu gehen: Konkrete Kritik an Volker C. Koch wurde in der aufgeheizten Stimmung nicht geübt. Thea Zimmers Vorwurf, Koch könne nicht kandidieren, weil er aus gesundheitlichen Gründen schon den Fraktionsvorsitz abgegeben habe, trifft nicht zu. Koch zog sich, wie er bestätigt, im Juni 2012 wegen seiner damaligen beruflichen Überlastung zurück. Der SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Martin Güll stellte an diesem Abend fest, dass es wohl um persönliche Verletzungen gehe. Die 78-jährige Thea Zimmer konnte 2002 nicht mehr für den Stadtrat kandidieren. Aber nicht, weil Koch sie, wie behauptet, wegschob. Der Vorstand hatte das Höchstalter auf 70 gesetzt.

Jetzt führt den Ortsverein ein Vorstand "70plus". Ullmann wird bald 70, andere sind 73, 78 oder 75 Jahre alt. In der Partei fragt man sich, wie dieser Vorstand bei einer nur Handvoll Aktiven die harten Wahlkämpfe meistern will. Die Fraktion wird Keimerl am Dienstag aller Wahrscheinlichkeit nach das Vertrauen aussprechen - und damit Horst Ullmann abwatschen. Aber die Fraktionsarbeit steht bis zur Kommunalwahl März 2014 unter dem Schatten des Zerwürfnisses. Keimerl wird mit diesem Vorstand nicht mehr für den Stadtrat kandidieren. Ullmanns Coup trägt, sagen Parteimitglieder, die Handschrift Hartls - und Spekulationen über seine Motive tauchen auf. Wurde ihm vielleicht ein Bürgermeisteramt in Aussicht gestellt? Die feindlichen Lager wird er kaum versöhnen können. Die Welt geht nicht unter, wie Güll sagte. Aber die Dachauer SPD ist nah dran - und das ganz ohne fremdes Zutun.

© SZ vom 09.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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