Ernte und Corona:Ohne Erntehelfer kein Spargel

Spargelstechen.

Schon kurz vor Ostern konnte Rainer Schöll den ersten Spargel stechen. Für die nun aber erst so richtig beginnende Saison ist er allerdings auf Erntehelfer aus dem Ausland angewiesen.

(Foto: privat)

Das Wetter hat das beliebte Stangengemüse im Landkreis bestens gedeihen lassen. Ob die Saison zum Erfolg wird, hängt vor allem davon ab, ob die dringend benötigten osteuropäischen Feldarbeiter wie geplant einreisen dürfen

Von Jacqueline Lang, Röhrmoos

Jetzt kurz nach Ostern kommen traditionell die ersten Erntehelfer zu Traudi Reischl auf den Hof, denn die Spargelzeit hat begonnen, und viele helfende Hände werden gebraucht, um die weißen und grünen Stängel zu stechen. Im vergangenen Jahr, als Deutschland gerade den ersten Lockdown verhängt hatte, war es für Reischl und die drei anderen Spargelbauern im Landkreis Dachau alles andere als einfach gewesen, die Helfer, die vornehmlich aus Osteuropa stammen, ins Land zu bekommen. Zwischenzeitlich war die Lage sogar so unklar, dass Reischl gar in Erwägung zog, den Boden gar nicht komplett aufzufräsen. Dieses Jahr, so hofft Reischl "vorsichtig optimistisch", werde das wohl alles etwas leichter werden und das muss es wohl auch: Laut dem Bayerischen Landesamts für Statistik (LfStat) wurden im Jahr 2020 15 358 Tonnen Spargel gestochen. Die Ernte lag damit also im vergangenen Jahr mit 23 045 Tonnen gut ein Drittel unter dem Wert von 2019. Laut dem LfStat war das "zumindest teilweise auch auf fehlende Erntehelfer wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zurückzuführen".

Natürlich mache man sich schon Gedanken, wie es dieses Jahr laufen wird, sagt Reischl am Telefon kurz vor den Feiertagen. Vor allem weil ihren Helfern im eigenen Land - in Reischls Fall kommen alle aus Rumänien - weisgemacht werde, dass die Lage in Deutschland katastrophal sei. Gerade sei sie jedoch dabei die Arbeitsverträge fertig zu machen, dann würden alle Helfer digital angemeldet und dann, ja dann würden die Helfer hoffentlich in den Tagen nach Ostern zu ihr auf den Hof in Großinzemoos kommen. Wie schon im vergangenen Jahr gibt es zusätzliche Container für die Unterbringung, die Helfer arbeiten in einzelnen Gruppen fest zusammen. Bevor sie überhaupt auf die Felder dürfen, müssen sie zusätzlich zu dem negativen Coronatest, den sie brauchen, um überhaupt nach Deutschland einreisen zu dürfen, in eine sogenannte verkürzte Arbeitsquarantäne, die für mindestens fünf Tage eingehalten werden muss. Reischl macht sich daher auch keine Sorgen, dass die Rumänen das Virus einschleppen könnten.

Auch die Helfer von Nachbar Rainer Schöll kommen aus Rumänien. Ein Teil ist schon da, der andere Teil trifft erst in den kommenden Tagen ein. Im vergangenen Jahr hat Schöll sich coronabedingt auch mit einigen Studenten beholfen; das habe nach einer kurzen Einarbeitungszeit ganz gut geklappt, erzählt er. Weil er nur gut zwei Hektar bewirtschaftet, hat er aber ohnehin nur eine Handvoll Helfer jedes Jahr. Weil Schöll anders als die meisten Spargelbauer aber nicht ausschließlich darauf spezialisiert ist, sondern neben den saisonalen Sonderkulturen auch allerlei anderes Gemüse anbaut, bleiben die Helfer nicht nur ein paar Wochen, sondern die ganze Saison. Statt in Containern sind sie in hofeigenen Wohnungen untergebracht, die erste Hälfte der Erntehelfer ist streng getrennt von der anderen Hälfte. Anders als Reischl hat Schöll auch das Gefühl, dass die Rumänen sich in Deutschland sicherer fühlen als in ihrer Heimat, "zumindest war das letztes Jahr so". Weil die Betriebe abgelegen seien und sie ohnehin nur zum Einkaufen den Hof verlassen würden, sei das Risiko sich anzustecken deutlich geringer, glaubt auch Schöll. Sorgen, dass sie das Virus auf seinen Hof bringen könnten, macht auch er sich deshalb kaum. "Ich habe mehr Angst vor den ganzen Mallorca-Reisenden", sagt Schöll.

Optimistisch, dass dieses Jahr alles nach Plan laufen wird, ist die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler: "Die Pandemie hat im vergangenen Jahr viele Landwirte im Landkreis Dachau, die auf Erntehelfer angewiesen sind, vor große Herausforderungen gestellt. Die Einreise von Erntehelfern ist in diesem Jahr unter Auflagen möglich. Ich bin zuversichtlich, dass dies so bleiben wird." Nicht ganz so zuversichtlich gestimmt ist Simon Schumacher. "Trotz Vorfreude auf die Spargelsaison ist die Ernte unter Pandemie-Bedingungen eine große Herausforderung für die Betriebe", sagt der Vorstandsvorsitzende des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauern. Viele Betriebe würden angesichts europaweit steigender Infektionszahlen um die Einreise ihrer Erntehelfer und Erntehelferinnen aus Osteuropa bangen. Der Verband appelliere an die politisch Verantwortlichen, die Landeinreise auf alle Fälle zu gewährleisten und die Dauer der kurzfristigen, sozialversicherungsfreien Beschäftigung zu verlängern, um einen Personalwechsel in der Saison und damit ein erhöhtes Infektionsrisiko in den Betrieben zu vermeiden, heißt es in einer Pressemitteilung. "Die Betriebe tun gerade ihr Möglichstes, um die Saisonvorbereitungen und die Ernte unter maximalem Infektionsschutz zu gewährleisten. Dies sollte man auf politischer Ebene mit der Verlängerung der kurzfristigen, sozialversicherungsfreien Beschäftigungsdauer auf 115 Tage oder fünf Monate unterstützen", fordert Schumacher.

Mehr Unterstützung seitens der Politik würde sich auch Simon Sedlmair wünschen. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands hat zwar bislang noch keine Klagen von den Spargelbauern aus dem Landkreis gehört, doch die steigenden Infektionszahlen würden natürlich allen, die auf ausländische Erntehelfer angewiesen seien, Sorge bereiten. "Für die Spargelbauern, wäre das eine Katastrophe, wenn die nicht einreisen dürften", so Sedlmair. Anders als im vergangenen Jahr wäre es in diesem Jahr nämlich auch nicht mehr möglich, noch rechtzeitig Ersatz aus der heimischen Bevölkerung zu mobilisieren, glaubt Sedlmair - die Spargelsaison habe ja schonbegonnen. Die 2020 ins Leben gerufene Plattformen wie "Das Land hilft" vom Bundesministerium Ernährung und Landwirtschaft vermitteln aber zumindest theoretisch auch dieses Jahr wieder Helfer aus dem Inland.

Die Hoffnung, seines verstorbenen Vorgängers Anton Kreitmair, dass die Politik die heimische Produktion in Zukunft mehr unterstützen werde, sieht Sedlmair nicht bestätigt. Der Spargel aus dem Ausland liege ja schon im Supermarkt, zu einem Kilopreis von nicht einmal sieben Euro. Mit diesen Kampfpreisen könnten die deutschen Bauern kaum konkurrieren, hierzulande kostet das Kilo meist weit über zehn Euro. Gleichwohl gebe es aber schon einen Trend hin zu mehr Regionalität. Die Hofläden im Landkreis hätten guten Zulauf. "Man kann nur hoffen, dass das so bleibt", so Sedlmair.

Wenn auch die Pandemie einige Unwägbarkeiten birgt, verspricht es doch ein gutes Spargeljahr zu werden: Die Kälte im Februar und die warmen Tage kurz vor Ostern haben dem Spargel gut getan und so gab es im Landkreis Dachau anders als sonst sogar schon wenige Tage vor den Feiertagen den ersten regionalen Spargel. Rainer Schöll hatte am Montag vor Ostern selbst noch nicht damit gerechnet, doch dann, nur einen Tag später lugten die leckeren grünen und gelben Spitzen doch schon aus der Erde. Und eigentlich hätte es sich Schöll auch denken können, denn er selbst hatte ja am Vortag aus Erfahrung gesprochen, als er sagte: "Wann es Spargel gibt, das entscheidet der Spargel."

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