Soziales Netzwerk:"Wir haben rund um die Uhr alles im Blick"

Fast 6000 Mitglieder tauschen sich täglich auf dem Facebook-Marktplatz "Dachauer Ratsch" aus. Die Bandbreite reicht von entlaufenen Hunden bis zu politischen Themen aus dem Landkreis. Die Administratoren steuern die Diskussion und gehen konsequent gegen Fake News vor

Interview Von Thomas Radlmaier

Wenn Facebook ein Marktplatz ist, auf dem Menschen online aufeinander treffen, dann ist die Gruppe "Dachauer Ratsch" ein Kaffeehaus in der Dachauer Internet-Welt. Fast 6000 Mitglieder tauschen sich hier täglich über Themen aus dem Landkreis aus. Die Bandbreite reicht von Beiträgen über entlaufene Hunde bis hin zu politischen Themen aus dem Stadtrat. Auch einige Kommunalpolitiker beteiligen sich an den Diskussionen. Sechs Administratoren wahren die Ordnung in der Gruppe. Sie sind rund um die Uhr aktiv, steuern die Diskussionen oder löschen Beiträge und werfen Mitglieder hinaus, falls diese gegen die Netiquette verstoßen. Die SZ hat sich zum Interview mit fünf von ihnen verabredet, und zwar im Online-Chat auf Facebook. SZ: Haben gerade alle Zeit zum chatten? Manuela Eder: Ich denke, das Gespräch wird über eine längere Zeitspanne laufen müssen. Selten, dass alle Admins auf einen Schlag online sind. Deshalb ergänzen wir uns so gut, weil wir zur unterschiedlichen Zeiten immer mal Zeit haben.

Ok, ich stelle einfach mal die erste Frage: Kennen Sie sich alle persönlich? Gisela Hutner: Ja, kennengelernt haben wir uns über die Gruppe. Inzwischen ist daraus eine Freundschaft gewachsen. Eder: Wir sind eng miteinander vertraut. Wir organisieren regelmäßig Treffen für Gruppenmitglieder. Dort sitzt man zusammen und ratscht bei Kaffee und Kuchen. Es ist teilweise sehr interessant, wenn man zum Facebook-Profil plötzlich ein Gesicht hat. Stephanie Kiener: Manchmal begegnen sich auch alte Bekannte, durch Zufall. Das ist sehr nett.

Frau Kiener, warum haben Sie die Gruppe vor einigen Jahren gegründet? Kiener: Es gab damals noch eine andere Dachauer Gruppe auf Facebook, die aber nur direkt Themen der Stadt behandelt. Ich wollte eher eine, bei der auch der Landkreis dabei ist und kam auf die Idee mit dem Dachauer Ratsch. Wobei am Anfang war es noch ein wirklicher Ratsch über alles Mögliche. Das hat sich aber mit zunehmender Mitgliederzahl schnell geändert.

Inwiefern? Kiener: Anfangs hatten wir 100 bis 200 Mitglieder. Es wurde querbeet geratscht, inklusive Werbung, Wohnungssuchen, Stellensuchen. Mit der wachsenden Mitgliederzahl nahm der Ratsch nach und nach die heutige Form an. Bei fast 6000 Mitgliedern müssen wir Admins schauen, dass die Gruppe attraktiv bleibt. Inzwischen machen wir auch Aktionen, um unseren Mitgliedern etwas anzubieten wie Rätsel, Begrüßungen aller Neuen und so.

Aber geratscht wird ja immer noch. Unter Online-Zeitungsartikel gibt es manchmal unglaublich viele Kommentare. Hutner: Ja, so soll das sein. Es geht nicht darum, was man abends kocht oder um neue Modetrends, sondern Themen aus Stadt und Landkreis Dachau. Und manchmal entsteht aus einem Thema unserer Gruppe ein Zeitungsartikel. Dorothea Braun: Facebook ist ein absolutes Echtzeit-Medium. Es ist oft so, dass Dinge, die im Landkreis passieren, bei uns schneller in der Gruppe stehen als in der Zeitung. Auch viele Stadträte, der Landrat oder der Oberbürgermeister beteiligen sich an der Diskussion. Wir informieren unsere Mitglieder übrigens auch über anstehende Veranstaltungen oder Bekanntmachungen von Behörden. Hutner: Die größte Resonanz finden Themen, die Mitglieder selbst erlebt haben.

Täglich ploppen unzählige Beiträge auf. Wie behalten Sie den Überblick? Braun: Indem wir 365 Tage im Jahr rund um die Uhr alles im Blick haben. Hutner: Einer alleine könnte das natürlich nicht. Kiener: Das klappt, weil wir sechs Admins gut miteinander funktionieren. D. Braun: Weil wir uns sehr gut kennen und miteinander befreundet sind. Es gibt zwar keinen Schichtplan, aber einer von uns ist immer online, das klappt irgendwie immer. Der Ratsch ist quasi ein Bestandteil unseres Lebens geworden. Andreas Braun: Ich bin im Team die Nachteule, ich gehe selten vor zwei Uhr ins Bett. Unsere Mitglieder sind auch nachts aktiv. Eder: Wir müssen jeden Tag diverse Beiträge löschen. Kommentare mitlesen, Mitglieder freischalten und deren Profile anschauen. Es dürfen ja auch nur Mitglieder in den Ratsch, die mit Dachau und den Landkreis irgendwie verbunden sind. A. Braun: Manchmal muss man schnell reagieren, wenn ein Thema ausartet oder sich Mitglieder untereinander beleidigen. Dann muss man vielleicht auch mal jemanden verwarnen oder aus der Gruppe entfernen. Eder: Manche Beiträge entsprechen auch nicht den Gruppenregeln. Stellenangebote, Wohnungsgesuche...so etwas wollen wir im Ratsch nicht. Wir beschäftigen uns mit Dachau und dem Zeitgeschehen.

Werden auch Gerüchte oder Fake News gepostet? Hutner: Fake News nicht, aber Gerüchte kommen schon vor. Wir halten dann sofort dagegen und fordern Nachweise. Zum Beispiel hieß es einmal, dass eine Gaststätte schließt. Das war falsch. Es gab auch Gerüchte bezüglich Flüchtlinge. Da sind wir konsequent und verhindern, dass rassistische Mutmaßungen über den Ratsch verbreitet werden. Dabei unterstützen uns auch unsere Mitglieder. D. Braun: Wenn Spekulationen auftauchen zum Beispiel, weil jemand irgendwo Blaulicht gesehen hat, halten wir dazu an, die offiziellen Meldungen der Feuerwehr, Polizei oder Medien abzuwarten. Letztlich sind unsere Mitglieder aber in der Regel sehr gut informiert. Und da wir uns auf das Dachauer Land beschränken, würden Fake News vermutlich schnell als solche enttarnt werden. Hutner: Allerdings hatten wir schon viele Fake-Profile, die wir löschen mussten.

Ist irgendwann eine Grenze erreicht, bei der Sie die Gruppe nicht mehr steuern können? Eder: Wir haben tolle Mitglieder, da dürfen ruhig noch ein paar dazu kommen. Es braucht dann halt noch ein paar Augen mehr, die drauf schauen. Also würden wir die Zahl der Admins erhöhen. Aber vorerst sind wir gut besetzt. Übrigens: Wir haben in der Zeit unseres Gesprächs ein paar Mitglieder freigeschalten, ein Mitglied überprüft und zwei Beiträge gelöscht. Kiener: Wir sind immer am arbeiten.

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