Soziales Jahr:Zirkus im Armenviertel

Der 20 Jahre alte Floyd de Roos aus Dachau fliegt im Oktober nach Brasilien: In São Paulo arbeitet ein Jahr lang mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen.

Walter Gierlich

Von der gemütlichen Kleinstadt Dachau mit ihren 43.000 Einwohnern in die brasilianische Mega-City São Paulo, in der geschätzte 20 Millionen Menschen leben - für den 20 Jahre alten Floyd de Roos dürfte das nicht gerade eine kleine Umstellung werden. Im Oktober soll es losgehen nach Brasilien, wenn endlich das Visum da ist. De Roos, der 2011 zum letzten G 9-Abiturjahrgang am Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasium gehört hatte, will ein Jahr lang für die Nichtregierungsorganisation Associação Comunitária Monte Azul in einem Armenviertel, einer sogenannten Favela, mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Es ist ein ziemlich ungewöhnliches Projekt: Der junge Dachauer, der auch viereinhalb Jahre dem Jugendrat angehörte, wird mit den jungen Brasilianern in einem Zentrum Kinderzirkus machen. Ansonsten werden die Kinder nachmittags nach der Schule hier betreut, haben zusätzlich Musikunterricht oder lernen Sprachen. Die anthroposophische Einrichtung, die von der Deutschen Ute Craemer gegründet wurde, ist mittlerweile in drei Favelas von São Paulo aktiv, unter anderem mit Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen.

Das Zirkusprojekt läuft seit einem Jahr. Nachfolger für die Freiwilligen, die es bisher geleitet haben, seien von der Hilfsorganisation händeringend gesucht worden, sagt de Roos. Nun soll der junge Dachauer mit einer Frau aus Halle für ein Jahr übernehmen. Seine Bewerbung war nicht zuletzt erfolgreich, weil er seit langem schon Theater macht. Fünf Jahre lang war er bei der Karlsfelder Muckerl-Bühne, vor eineinhalb Jahren hat er mit anderen zusammen eine eigene Bühne namens "Libertéater" gegründet.

De Roos hätte im Januar 2012 bereits eine Chance gehabt, als Freiwilliger nach Bolivien zu gehen, aber das war für ihn dann zu überstürzt. So bewarb er sich im Februar erneut beim Verein "Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners", also der Waldorfpädagogik. Denn sein Berufswunsch ist Lehrer. Als er Nachhilfestunden bei der Schülerhilfe gegeben habe, sei er auf den Geschmack gekommen, erzählt er: "Ich unterrichte gerne." Besonders angetan hat es ihm die Waldorfpädagogik. Er hofft, dass er in São Paulo "viel darüber lernen kann".

Der Waldorf-Pädagogenverein schickt nach Auskunft von de Roos jedes Jahr 600 bis 650 Freiwillige in die verschiedensten Organisationen weltweit. Etwa ihn in die Associação Comunitária Monte Azul. Bisher war er noch nie in Brasilien, und Portugiesisch, die dortige Landessprache, konnte er auch nicht. Mittlerweile hat er sich zumindest Grundkenntnisse in einem dreiwöchigen Crash-Kurs mit täglich mehrstündigem Unterricht angeeignet. Allzu große Sorgen, dass es mit der Verständigung nicht klappen könnte, hat de Roos nicht. "Ich habe ein gutes Gefühl, weil die Sprache leicht verständlich ist, da ich schon Latein und Spanisch gelernt hatte."

Wohnung, Flug, Kost, Logis und ein Taschengeld von 100 Euro monatlich werden gestellt, zu drei Viertel vom Weltwärts-Programm der Bundesregierung. Den Rest muss der Freiwillige selbst aufbringen. De Roos kennt auch die Kritik, die es an solchen Entwicklungshilfeprogrammen gibt. "Die sind umstritten, weil 20-jährige Unausgebildete nicht wirklich helfen können", räumt er ein. Er selbst allerdings sieht seine Position etwas anders: Er werde gebraucht, denn für die Fortführung des Zirkusprojekts sei schließlich dringend jemand gesucht worden.

Floyd de Roos freut sich jedenfalls schon darauf, dass es bald losgeht. Wenn er in Brasilien ankommt, ist dort Frühling. Und der junge Freiwillige sagt: "Es ist eine wirklich gute Möglichkeit, das Land kennenzulernen."

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