Süddeutsche Zeitung

Soziale Entwicklung:Theater in der Förderschule in Hebertshausen

Zu den Schülern der Elisabeth-Bamberger-Schule gehören auch Kinder, deren emotionales Empfinden eingeschränkt ist. Auf ihre soziale Entwicklung wirkt sich das Theaterspielen positiv aus

Von Andreas Förster, Hebertshausen

Die Elisabeth-Bamberger-Schule in Hebertshausen ist, rein äußerlich, nicht gerade eine Augenweide. Die Container an der Freisinger Straße vermitteln eher den Eindruck, es handele sich um eine Flüchtlingsunterkunft und nicht um eine Schule für Kinder mit emotionalem und sozialem Förderbedarf. Und doch: So mancher Schüler empfindet die klaren Linien und die Übersichtlichkeit, die sich aus den beengten Verhältnissen ergibt, als wohltuend. Schulleiterin Petra Weindl erinnert sich an die Aussage eines Jungen, als er sich zum ersten Mal hier umgeschaut hat: "Eine sehr schöne Schule haben Sie hier", sagte er. Aus der Perspektive eines Jungen mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung sähen viele Dinge eben anders aus als für Menschen ohne dieses Handicap, betont Weindl.

Michael geht in die 7. Klasse der Elisabeth-Bamberger-Schule. Auch er hat die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung mit Symptomen in den Bereichen soziale Kommunikation und Interaktion. Für ihn ist der Umgang mit Menschen problematisch. Das hindert den Zwölfjährigen aber nicht daran, an dem klassenübergreifenden Theaterprojekt teilzunehmen. Das Stück heißt "Robin Hood - im Sherwood Forest" in einer Bearbeitung von Daria Pinchaud und Mirko Bier. Der Lehrer und die Referendarin haben im vergangenen Jahr die Neigungsgruppe "Theater/Schauspiel" ins Leben gerufen und mit der Aufführung von "Schneewittchen" bereits erste Erfolge gefeiert.

Tatsächlich war die Aufführung nicht nur ein Erfolg beim Publikum, sondern auch ein Durchbruch für die Schüler selbst, erklärt Daria Pinchaud. "Vor allem während und nach der Premiere haben die Jungs eine ungeheure Stärkung ihres Selbstbewusstseins erfahren." Ihre Freude beim Schauspielern, beim Singen und Tanzen übertrug sich aufs Publikum und dessen Begeisterung wiederum auf die jungen Schauspieler.

Ein Theaterstück mit Schülern einer Förderschule zu erarbeiten, ist nicht vergleichbar mit einem herkömmlichen Schultheater, sagt Pinchaud. 90 Prozent der Schüler an der Bamberger-Schule sind Jungs, die mit emotionalen und sozialen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die 27-Jährige erklärt, was das für eine Theaterprobe bedeutet: "Den Jungs mangelt es nicht an Begabung. Aber sie neigen zur Ungeduld, stören die Proben durch Zwischenrufe, verbessern und beleidigen sich und können auch mal handgreiflich werden", so Daria Pinchaud.

Umso wichtiger, dass es im Stück reichlich Action gibt. Und davon hat "Robin Hood" eine ganze Menge zu bieten. Die Kampfszenen, in denen sich die acht Buben zwischen elf und zwölf Jahren mit Schwertern und Stöcken beharken und - wie das so ist in einem richtigen Gefecht - auch mal zu Boden ringen, haben sie selbst choreografiert. Es sieht in der Tat sehr gekonnt aus, wie sie sich zur Filmmusik von "Pirates of the Carribean" duellieren, von den geschmeidigen Bewegungen könnte sich manch ein Stuntman beim Film noch eine Scheibe abschneiden. Auch Kreativität ist gefragt: Bühne und Requisiten haben die Schüler selbst gemacht, unter federführender Leitung von Kulissenbauer Dennis.

Jakob ist besonders eifrig bei der Sache. Der Zwölfjährige aus Karlsfeld spielt sowohl Little John als auch Lady Kluck. Es gibt nur wenige Mädchen auf der Schule und keines von ihnen ist im Theaterteam. Dass er deshalb in Frauenkleider schlüpfen und seine Stimme verstellen muss, macht Jakob nichts aus. Er hatte nur wenige Tage Zeit, seine Doppelrolle zu lernen, da er für einen Mitschüler einsprang, der plötzlich hinschmiss.

Durchzuhalten, nicht gleich wieder auszusteigen, wenn es schwierig wird, sei für einige der Buben eine Herausforderung, berichtet Daria Pinchaud. Jakob gehört nicht dazu. Einige seiner Mitstreiter fanden es zu Anfang des Projekts "schwul" und peinlich, in Frauenklamotten aufzutreten. Doch so manches hat sich in den vergangenen Monaten geändert, betont auch Mirko Bier.

Der 45-Jährige ist der Fels in der Brandung, wenn es irgendwo brennt, löscht er die Flammen mit Ruhe und Übersicht. In der Theaterarbeit sieht er, wie sich seine Schüler "immer stärker auf ihre Rolle konzentrieren, sich selbst etwas zutrauen und weniger miteinander streiten." So gibt es noch weitere Doppelrollen als Mann und Frau, aber keiner hat mehr ein Problem damit. Dass Michael seine Traumrolle als Erzähler gefunden hat, finden alle cool. Da muss er nicht so viele Emotionen reinstecken.

Die Premiere von "Robin Hood - im Sherwood Forest" findet an diesem Mittwoch, 13. November um 18 Uhr im Pfarrsaal, Kirchweg 8, in Hebertshausen statt. Das Stück dauert etwa 45 Minuten, der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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