Sonderausstellung:Orchideen des Nordens

Kartoffelanbau

Dass das Beet vor dem Bezirksmuseum aussieht wie ein Acker, ist kein Zufall. Hier setzt die Stadt verschiedene Kartoffelsorten ein.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Bezirksmuseum lässt das Blumenbeet vor dem Haus neu bepflanzen - mit Kartoffeln. Deren Blüten dienten im 18. Jahrhundert als extravaganter Haarschmuck. Das zeigt auch die aktuelle Ausstellung

Von Gregor Schiegl, Dachau

Wer die Blumenpracht sucht, ist in der Stadt mittlerweile besser aufgehoben als auf dem von Monokulturen verwüsteten Land. Vor allem Dachau tut sich als blühende Kommune hervor. Dort kreiert die Abteilung Stadtgrün Jahr für Jahr neue Blütenkompositionen in Grünanlagen, auf Verkehrskreiseln und nicht zuletzt auch vor dem Bezirksmuseum. Deren Chefin, Ursula Nauderer, ist mit einer Idee an die Abteilung Stadtgrün herangetreten, die erst einmal Stirnrunzeln auslöste. Sie schlug nämlich vor, Kartoffeln in dem Beet zu pflanzen, auf dem bis vor kurzem noch Tulpen standen. "Die Kartoffel" ist auch das Thema der aktuellen Ausstellung im Bezirksmuseum.

In der deutschen Küche strahlt die Knolle wenig Glamour aus. Sie gilt als Sattmacher, als grundsolides, aber auch ein bisschen langweiliges Nahrungsmittel. Das war nicht immer so. Im 18. Jahrhundert wurde die Kartoffel zwar angebaut, aber nur selten verspeist. Die meisten wussten mit dem seltsamen Gewächs nicht viel anzufangen. Außer die feinen Damen bei Hofe. Als "Orchidee des Nordens" fand die Kartoffelblüte im 18. Jahrhundert als extravaganter Haarschmuck Verwendung, nicht zuletzt bei der modebewussten Marie Antoinette, was schließlich wohl auch Stefan Tischer von der Abteilung Stadtgrün überzeugte. Er hat sich eine Bepflanzung in Wellenlinien ausgedacht mit fünf verschiedenen Kartoffelsorten, die blauviolett, hellblau, weiß, rosa und rotviolett blühen, sodass auch der dekorative Aspekt an einem so zentralen Ort in der Altstadt nicht zu kurz kommt. Im Wechsel mit den Kartoffelpflanzen werden auch noch dekorative Ringelblumen gepflanzt.

Am Dienstag wurde das Beet mit der entsprechenden Erde vorbereitet und die Ackerfurchen für die Kartoffeln gezogen. Gesetzt werden übrigens lauter europäische Züchtungen: Da wäre einmal die "Purple Rain" zu erwähnen, eine Knolle aus den Niederlanden, deren Frucht tatsächlich violettblau ist und die auch blauviolett blüht. Eine hellblaue Blüte hat die "Odenwälder Blaue" und immerhin auch eine blaue Schale. Man kann sie gut weiterverarbeiten zu Püree oder Salzkartoffeln. Die weißblühende "Orla" aus Irland zeichnet sich vor allem durch ihre Robustheit aus, während die rosa blühende "La Ratte", eine Hörnchenkartoffel durch ihr nussiges Aroma besticht. Sie gilt als Delikatesse. Die Franzosen sagen, es gebe die "Ratte" - und es gebe "die anderen". Eine deutsche Spezialität darf im bunten Konzert der Kartoffel natürlich auch nicht fehlen: die rot-violett blühende "Erna". In den Achtzigern war sie der "Star am Geschmackshimmel der Kartoffelwelt", verschwand dann aber völlig vom Markt und von den Äckern. Nur noch in einer Gendatenbank für Kulturpflanzen in Großlüsewitz schlummerte die "Erna" noch. In einem aufwendigen Verfahren gelang es, die tolle Knolle wieder ins Leben zurückzuholen. Jetzt schlägt sie in Dachau Wurzeln. Was im Herbst mit den Kartoffelknollen geschehen soll, weiß Museumsleiterin Ursula Nauderer selbst noch nicht. Aber Ideen hat sie schon einige. Vielleicht ein großes Kartoffelfest - mit Verkostung der Kartoffeln in allen Variationen.

Die Kartoffel. Eine Familienausstellung über das bekannteste Lebensmittel unseres Alltags im Bezirksmuseum. Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag, 11 bis 17 Uhr, und Samstag, Sonntag und Feiertag 13 bis 17 Uhr. Zu sehen bis 26. Januar 2020.

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