Singer-Songwriter "Amistat" auf Tournee:Sydney, Paris, Lauterbach

Singer-Songwriter "Amistat" auf Tournee: Geschichten persönlicher Begegnungen packen die Zwillingsbrüder von "Amistat" Josef und Jan in ihre gefühlvollen Songs.

Geschichten persönlicher Begegnungen packen die Zwillingsbrüder von "Amistat" Josef und Jan in ihre gefühlvollen Songs.

(Foto: Toni Heigl)

In Australien machten die Zwillingsbrüder von "Amistat" Furore. Jetzt ist das Singer-Songwriter Duo auf Europa-Tournee

Von Anna-Elisa Jakob, Bergkirchen

Als mehrere Zugaben gespielt, Hände zum Abschied begeistert geschüttelt werden, sitzen die Musiker von Amistat in einem Raum abseits der Bühne. Josef mit einem Glas Rotwein, Jan mit einem Glas Weißwein. Die beiden sind Zwillingsbrüder, machen seit Jahren gemeinsam Musik, doch markieren auf und neben der Bühne deutlich ihre Einzigartigkeit. "Wir sind ein bunter Mix", formuliert es Josef rund eine Stunde vorher für das Publikum. Neben ihm stimmt Jan in der Zwischenzeit seine Gitarre nach, beginnt die ersten Akkorde zu spielen. Es ist meist ruhiger, mal sehr rhythmischer, melancholischer Indie Rock, den die beiden an diesem Freitagabend in ein Klassenzimmer der alten Schule in Lauterbach holen.

Die meisten ihrer Songs sind von Personen inspiriert, die sie selbst bewegt, zum Nach- oder Umdenken gebracht haben. Das Publikum weiß das, denn die beiden erzählen gerne die Geschichten hinter ihrer Musik und machen ihr Konzert zu einer offenen Fragerunde, antworten ehrlich und intim. Acht Jahre lebten die Brüder gemeinsam in Australien. Zunächst nur für ein paar Monate, um nach dem Abitur das andere Ende der Welt zu sehen, später ganz bewusst, um dort ihre Musik zum Beruf zu machen. Nach einer Zeit als Straßenmusiker lernten sie immer mehr Menschen kennen, die sie bestärkten weiter zu machen, seit sieben Jahren leben sie nun einzig von der Musik.

Der Schritt, das Leben ganz der Musik zu widmen, fiel den Brüdern nicht leicht. Jan kehrte nach der ersten Zeit in Australien wieder nach Deutschland zurück und fing eine Ausbildung zum Golflehrer an. Josef blieb der Liebe wegen, rief irgendwann an und sagte, sie sollten doch gemeinsam Musik machen in Australien. Die Unterstützung sei dort viel größer, das Leben als Musiker werde dort nicht einfach als Träumerei abgetan. "In Australien sind wir voll aufgegangen, weil uns alle gesagt haben, dass wir doch Musik machen sollen", sagt Jan heute. Dafür sei er sehr dankbar. Josef stützt die Hände auf seine Knie, fügt hinzu: "Wir haben einfach weniger gedacht und mehr gemacht." Anfangs spielten sie viel Folk, dann kam der Einfluss des Klaviers dazu, später Schlagzeug und E-Gitarre.

In Lauterbach beschränken sich die beiden auf Gitarre und Klavier, beide wechseln zwischen den Instrumenten hin und her. Den eigentlich letzten Song - das Publikum wird später mit nicht enden wollendem Klatschen darauf drängen, weitere Zugaben zu hören - spielen die beiden akustisch. Sie treten aus dem Licht der Scheinwerfer, rund einen Meter vor die Bühne, ganz nah ans Publikum. Ganz vorne in der ersten Reihe die zwei Fans, die Amistat für die Konzertreihe der Volkshochschule Bergkirchen vorgeschlagen haben.

Im Nebenraum sitzt später auch ihr Vater, Joe. Er lobt den Auftritt, sieht seine Söhne stolz an. Die sprechen gerade darüber, dass Josef auch Comedian werden könnte, so oft, wie er gerade auf der Bühne gescherzt, frei heraus erzählt und dafür Applaus bekommen hat. Jan steht im Scheinwerferlicht daneben, lacht, schnaubt, verdreht auch mal scherzhaft die Augen. Doch trotzdem: Auf der Bühne zu stehen, das wollen die Zwillingsbrüder eigentlich nur gemeinsam. Vielleicht würde seine Musik in eine andere Richtung gehen, noch etwas alternativer werden, wenn er allein spielen würde, überlegt Jan. Doch das Erlebnis und die Musik teilen zu können, darum gehe es beiden eigentlich. "Alleine spielen, das würde wenig Sinn machen", sagt Josef. Schließlich haben die beiden eine Tour durch Europa vor sich, nächste Woche spielen sie in London, danach in Paris, Amsterdam, Berlin und München. Im September fliegen sie für eine weitere Tour und drei Monate zurück nach Australien. Und danach? "Wer weiß", sagt Jan.

Eigentlich wäre da noch eine gute Fußnote zu ihrer Musik, die gerade jetzt so gut passt, meint Josef: "Höre nie auf, an dich zu glauben." Klingt wie eine Plattitüde, mitgenommen von sonnigen Stränden am anderen Ende der Welt. Doch da ist mehr, das spürt man im Publikum, das versteht man vielleicht erst ganz im Gespräch. Seit wenigen Monaten sind die beiden wieder in Deutschland, sie lebten in Berlin und dann für ein paar Wochen in ihrer Heimatstadt Rosenheim. Mit der Rückkehr kamen alte Zweifel wieder hoch. "Da war wieder das Gefühl, dass wir eigentlich einen richtigen Job haben müssten", sagt Jan. Dass die Musik nicht ausreiche und die Angst vor der Zukunft. Die damalige Atmosphäre und das Umfeld in Australien ermutigten und inspirierten die Zwillingsbrüder, hier fällt es ihnen noch schwer, diesen künstlerischen Antrieb zu finden. Ein bisschen haben sie allerdings auch danach gesucht, vermissten die Tiefgründigkeit. Und da ist sie, die Zerrissenheit zweier Charaktere, zweier Welten, zweier Lebensweisen, die sie an diesem Abend auf die Bühne holten, verpackt in nachdenkliche Indie-Songs.

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